Städtische Auszeichnung für Dogan Akhanli

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Dogan Akhanli, der im vorigen Jahres von einem türkischen Gericht vier Monate lang zu Unrecht – wegen seines demokratischen und literarischen Engagements für Versöhnung, gegen Antisemitismus – in Untersuchungshaft gehalten worden ist, hat sich auch im türkischen Gefängnis seinen Optimismus, seinen Mut wie auch seine literarischen Fähigkeiten nicht nehmen lassen. Nun, nach seiner Rückkehr nach Köln, ist er vom Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters in einem offiziellen Empfang für sein Engagement gewürdigt worden. Am 17. Februar trug er sich in einer Festveranstaltung in das Gästebuch der Stadt Köln ein…

Von Uri Degania

Auch nach seiner Freilassung am 8.12.2010 ließ sich der deutsch-türkische Emigrant seine emotionale Heimat nicht nehmen: Er reiste nicht sofort wieder in seine neue Heimatstadt Köln. Nein, Dogan Akhanli kehrte vielmehr, trotz seiner weiterhin bestehenden Bedrohung, für mehrere Wochen an den Ort seiner seelischen Heimat: In sein Dorf, in dem er aufgewachsen ist. Sein Vater war während seiner Untersuchungshaft verstorben, er vermochte nur noch das Grab seines Vaters und weiterer Familienangehöriger zu besuchen – die vielleicht schlimmste Verletzung, die ihm vom türkischen Staat zugefügt worden ist. In seinem Heimatdorf hingegen wurde Dogan Akhanli als Sohn empfangen.

Von gleicher Bedeutsamkeit für Dogan Akhanlis politischen und seelischen Heilungsversuch war auch der Umstand, dass er sein neues türkischsprachiges Buch Fasil  – eine literarische Abhandlung über die Folter – in einer großen öffentlichen Veranstaltung im Dezember 2010 noch in der Türkei vorzustellen vermochte: Gemeinsam mit Angehörigen und Freunden, darunter auch sein Freund Günter Wallraff. In einem Interview führte Dogan Akhanli zu seinem Buch aus:

„`Fasil´ hat acht Bedeutungen im Musik- und Theaterbereich. Mit meinem Buch erhält das Wort die neunte Bedeutung: `Folter´. Ich habe versucht zu verstehen, warum ich gefoltert worden bin. Warum war ich ein Opfer? Aber ich wusste auch, dass ich als aktiver Untergrundkämpfer in einer Militärdiktatur das Risiko der Folter einging, wenn ich blieb. Ich konnte fliehen, blieb aber. Ich bereue diesen Schritt nicht, sondern bin eher stolz auf meinen Widerstand. Wenn Sie mich aber jetzt, da ich erneut Opfer der türkischen Justiz geworden bin, fragen: Was hat sie mehr traumatisiert: die Folter damals oder die aktuelle Inhaftierung?, dann würde ich sagen: der aktuelle Fall“ (KSTA 26.12.2010).

Dogan Akhanli hat nach seiner Freilassung immer wieder betont, dass ihn die breite internationale, von Köln aus koordinierte Solidaritätsbewegung gerettet hat:

„Ohne diese Solidarität hätte ich diese vier Monate nicht so aushalten können. Ich habe die Unterstützung bis auf die Knochen gespürt und gemerkt, wie wichtig sie für Menschen ist, die zu Unrecht im Knast sind. Die Solidarität hat mir die Freiheit geschenkt. Ohne sie hätte ich wenigstens anderthalb Jahre dort bleiben müssen“ (…) Deutschland ist mein Lebensort, mit Deutschland habe ich eine unkomplizierte Liebesbeziehung. Und die unglaubliche Solidarität während der Haftzeit war ein wichtiger Halt für mich. Zur Türkei unterhalte ich eine leidenschaftliche Hassliebe.“

Dogan Akhanlis Wirken in Köln steht für ein leidenschaftliches Erinnern, als Voraussetzung für eine historische wie auch zugleich biografische Versöhnung. Exemplarisch für sein Engagement stehen seine Führungen für türkische und kurdische Jugendliche durch das Kölner EL-DE – Haus, dem früheren Gestapo-Gefängnis. Die Verlegung von Gedenksteinen als eine Form der Erinnerung hat Akhanli sehr beeindruckt, in exemplarischer Hinsicht:

„Man muss hier ganz unten beginnen. Mit meinen ganzen Erfahrungen aus der deutschen Erinnerungsarbeit könnte man zum Beispiel mit Stolpersteinen anfangen. Istanbul ist ein Ort von Hauptverbrechen. Hier haben die Jungtürken an der Istanbuler Universität die Vertreibung der Armenier beschlossen. Eine Spurensuche und die Auseinandersetzung über Stolpersteine wäre ein Anfang.“ (ebda.)

Empfang für Dogan Akhanli im Kölner Rathaus

Am 17. Februar 2011 wurde Dogan Akhanli für sein Wirken in einem offiziellen Empfang durch den Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters im Historisches Rathaus gewürdigt.

Roters – der sich während Akhanlis Inhaftierung nachdrücklich und öffentlich gegenüber seinem Istanbuler Amtskollegen Kadir Topbas für dessen unverzügliche Freilassung eingesetzt hatte – führte in seiner Rede aus:

„Lieber Herr Akhanli, Sie heute hier persönlich empfangen zu können, macht mich froh und glücklich. Ich habe diesen kleineren Rahmen gewählt, damit wir ins Gespräch kommen können. Denn ich möchte gerne von Ihnen aus erster Hand erfahren, wie es Ihnen ergangen ist – während der Zeit der Untersuchungshaft und während des Prozesses in Istanbul. Und mich interessiert natürlich, wie Sie die Zeit seit Ihrer Freilassung und Rückkehr verbracht haben, was Sie empfinden und welche Pläne Sie für die Zukunft haben. (…) Alle Beobachterinnen und Beobachter sind sich darin einig, dass nur die breite, auch internationale Unterstützung für Herrn Akhanli dazu beigetragen hat, dass die Entlassung aus der Untersuchungshaft erfolgte. (…)

Damit komme ich zu dem Punkt, der, wie ich es einschätze, der wesentliche Grund für diese ausgesprochen breite Solidaritätsbewegung ist. Sie haben in den vergangenen Jahren vor allem „Erinnerungsarbeit“ geleistet. Sie haben den Dialog gefördert über die Frage, warum auch für Kölnerinnen und Kölner mit Migrationshintergrund eine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und insbesondere der NS-Zeit notwendig ist. Sie haben sich in Seminaren mit Menschen türkischer, kurdischer, armenischer, griechischer und deutscher Herkunft den großen erinnerungspolitischen Problemen gewidmet – dem Völkermord an den Armeniern, den Diktaturerfahrungen, den Vertreibungen, dem Völkermord an den Sinti und Roma und dem Holocaust. Sie haben den Dialog zwischen den Religionen und zwischen Gläubigen und Atheisten gefördert. Die Fähigkeit, auch über schwierige Themen in gegenseitigem Respekt miteinander sprechen zu können, sich trotz tiefsitzender Vorurteile an einen Tisch zu setzen, ist dadurch bei vielen Menschen gewachsen.

Auf diese Weise sind Sie als Person, lieber Herr Akhanli, für mich inzwischen auch zu einer symbolischen Figur geworden. Ihr Wirken ist symbolhaft für ein respektvolles Miteinander, und es kann auch vorbildhaft für ein tieferes Verständnis zwischen uns und unserer Partnerstadt Istanbul sein.

Dogan Akhanlis Ausführungen während dieses Empfangs  sind auch in folgendem Video zu sehen: http://bcove.me/j2akp5fc

Weitere Informationen:

https://www.hagalil.com/2011/01/08/dogan-6/
http://gerechtigkeit-fuer-dogan-akhanli.de/blog/?page_id=121
„Ich lasse mich nicht ins Exil schicken“ Dogan Akhanli und Günter Wallraff: http://www.ksta.de/html/artikel/1288741452018.shtml
Zwischen den Fronten. Interview mit dem türkischen Schriftsteller Dogan Akhanli: http://www.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-1479/i.html

Noch ein Nachtrag: Dogan Akhanli ist zwischenzeitlich Mitglied des P.E.N – Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland geworden: http://www.exilpen.net/mitglieder/neu.html Diesem traditionsreichen P.E.N-Zentrum gehören als Mitglieder bzw. Ehrenmitglieder u.a. Günter Kunert, Peter Finkelgruen, Daniel Cil Brecher, Alfredo Bauer, Inge Deutschkron, Ralph Giordano, Edgar Hilsenrath, Hans Keilson, Ilana Shmueli, Fritz Stern und Serdar Somuncu an.