ES IST leicht, angesichts der schmutzigen Welle von Rassismus, die uns überschwemmt, zu verzweifeln. Doch die Medizin gegen die Verzweiflung ist die wachsende Anzahl junger Leute, Söhne und Töchter der neuen israelischen Generation, die sich vereinigt, um sich gegen Rassismus und Besatzung zu engagieren…
Uri Avnery
IN DIESER Woche versammelten sich mehrere Hundert von ihnen in einer Halle in Tel Aviv (die ironischerweise der Zionistischen Vereinigung von Amerika gehört), um ein Buch vorzustellen, das die Gruppe „Das Schweigen brechen“ veröffentlichte. In der Halle waren auch ein paar Veteranen des Friedenslagers, aber die große Mehrheit der Anwesenden waren Jugendliche in den Zwanzigern, junge Männer und Frauen, die ihren Militärdienst gerade abgeschlossen hatten.
„Die Besatzung der Gebiete“ ist ein Buch mit 344 Seiten, das aus fast 200 Zeugnissen von Soldaten über das tägliche und nächtliche Leben der Besatzung besteht. Die Soldaten lieferten die Augenzeugenberichte, und die Organisation, die aus Ex-Soldaten besteht, überprüfte, verglich und wählte aus. Am Ende wurden 183 von etwa 700 Zeugnissen für die Veröffentlichung ausgewählt.
Nicht ein einziges dieser Zeugnisse wurde vom Armeesprecher abgestritten, der sich sonst beeilt, diesen ehrlichen Berichten über das, was in den besetzten Gebieten geschieht, zu widersprechen. Da die Herausgeber des Buches selbst Soldaten waren, die an diesen Orten ihren Militärdienst machten, war es für sie leicht, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.
Das Buch ist sehr deprimierend – nicht weil es detailliert über schreckliche Grausamkeiten berichtet. Im Gegenteil, die Herausgeber bemühten sich, nicht Vorfälle von außergewöhnlicher Brutalität – von Sadisten begangen, die man in jeder israelischen Armeeeinheit und in den Armeen aller Welt findet – mit hineinzunehmen. Sie wollten eher ein Licht auf die graue Routine der Besatzung werfen. So gibt es Berichte von nächtlichen Überfällen in ruhige palästinensische Dörfer als Übung – Einbruch in irgendwelche Häuser, in denen es keine „Verdächtige“ gibt, wo Kinder, Frauen und Männer terrorisiert, Chaos im Dorf angerichtet wird – und all dies nur, um die Soldaten zu „trainieren“.
Es gibt Geschichten über das Demütigen von Passanten an den Checkpoints ( „Mach den Checkpoint sauber, dann bekommst du deine Schlüssel wieder !“), gelegentliche Schikane ( „Er begann zu meckern, also schlug ich ihm mit dem Gewehrkolben ins Gesicht!“) . Jedes Zeugnis ist sorgfältig dokumentiert mit Zeit, Ort, Einheit.
Bei der Einführung des Buches wurden einige der Zeugenaussagen sogar im Film gezeigt mit den Zeugen, die es wagten, ihr Gesicht zu zeigen und ihre Identität mit vollem Namen preiszugeben. Sie waren keine ungewöhnlichen Leute, keine Fanatiker oder „blutende Herzen“. Keine Weichlinge aus der „Wir schießen und weinen“-Schule. Ganz gewöhnliche junge Leute, die Zeit hatten, sich mit ihren persönlichen Erfahrungen aus einander zu setzen.
Gelegentlich blitzt sogar Humor auf. Wie die Geschichte des Soldaten, der lange Zeit an einem Checkpoint zwischen zwei palästinensischen Dörfern stehen musste, ohne den Wert für die Sicherheit hier zu verstehen. Eines Tages erschien plötzlich von nirgendwo ein Bulldozer, ergriff die Betonblöcke und nahm sie weg – wieder ohne jegliche Erklärung. „Sie haben meine Straßensperre geklaut!“ beklagte sich der Soldat, da er sich an den Platz gewöhnt hatte.
Die Titel der Zeugnisse sprechen für sich selbst: „Um Schlaflosigkeit im Dorf zu schaffen“, „Wir pflegten Nachbarn zu schicken, um Explosivstoffe zu beseitigen “, „Der Bataillonskommandeur befahl, jeden zu erschießen, der versuchte, die Toten zu beseitigen“, „ Der Marinekommandeur der Flotte steckte die Mündung seines Gewehrs in den Mund des Mannes“, „Sie sagten uns, auf jeden zu schießen, der sich auf der Straße bewegt“, „Du kannst alles machen, was dir gefällt, keiner wird dich später etwas fragen“, „Du schießt aus Spaß auf das TV“. „Ich wusste nicht, dass es Straßen nur für Juden gibt“, „Eine Art totaler Willkürlichkeit“, „Die Jungs (der Hebron-Siedler) schlugen die alte Frau zusammen“, „Arrest der Siedler? Das kann die Armee nicht tun“. Und so weiter. Nur Routine.
Die Absicht des Buches ist nicht, Brutalitäten aufzudecken und die Soldaten als Monster zu zeigen. Es will eine Situation darstellen: die Herrschaft über ein anderes Volk mit all der überheblichen Willkür, die notwendigerweise damit verbunden ist, Demütigung der Besetzten, Degeneration des Besatzers. Nach den Herausgebern ist es für den einzelnen Soldaten ganz unmöglich, die Situation zu verbessern. Er wird zu einer Schraube in einer Maschine, die von Natur aus unmenschlich ist.
GRUPPEN junger Leute, denen es einfach zu übel wird, tauchen im Lande auf. Sie sind Zeichen eines Erwachens, das seinen Ausdruck im täglichen Kampf von Hunderten von Gruppen findet, die sich für verschiedene Dinge engagieren. Nur scheinbar verschieden – weil diese Dinge mit einander verbunden sind. Der Kampf gegen die Besatzung, für die Flüchtlinge, die Schutz suchen, gegen die Zerstörung der Beduinenhütten im Negev, gegen die Invasion der Siedler in arabische Stadtteile Ostjerusalems, für gleiche Rechte der arabischen Bürger in Israel, gegen soziale Ungerechtigkeiten, für die Erhaltung der Umwelt, gegen die Korruption der Regierung, gegen religiösen Zwang etc. etc. Sie haben einen gemeinsamen Nenner: der Kampf für ein anderes Israel.
Junge Freiwillige für jeden dieser Kämpfe – und für alle zusammen – sind heute nötiger denn je, angesichts des Rassismus, der in ganz Israel seinen hässlichen Kopf in die Höhe hebt – ein offener Rassismus, schamlos und tatsächlich stolz auf sich selbst.
Das Phänomen als solches ist nicht neu. Was neu ist, ist der Verlust jeder Spur von Scham. Die Rassisten schreien ihre Botschaft an jeder Straßenecke heraus und ernten Applaus von Politikern und Rabbinern.
Es begann mit der Flut rassistischer Gesetzesentwürfe, die dafür bestimmt waren, die arabischen Bürger zu delegitimieren und zu vertreiben. „Zulassungskomitees“, „Treueeid“ und vieles mehr. Dann kam das religiöse Edikt des Chefrabbiners von Safed, das Juden verbat, Arabern Wohnungen zu vermieten. Dies verursachte Entsetzen und Beschämung. Seitdem sind alle Dämme gebrochen. Eine Bande 14Jähriger überfiel Araber mitten in Jerusalem, benützte ein 14jähriges Mädchen als Köder und schlugen sie bewusstlos. Hunderte von Rabbinern im ganzen Lande verfassten zusammen ein Manifest, das verbietet, Wohnungen an „Ausländer“ (gemeint sind Araber, die seit Jahrhunderten im Lande lebten) zu vermieten. In Bat Yam, das an Tel Aviv grenzt, rief eine stürmische Demonstration, alle Araber aus der Stadt zu vertreiben. Am nächsten Tag verlangte eine Demonstration in Tel Avivs ärmsten Viertel die Vertreibung der Flüchtlinge und Fremdarbeiter aus dem Stadtviertel.
Offensichtlich waren die Demonstrationen in Bat Yam und Tel Aviv verschiedenen Zielen gewidmet: die erste gegen die Araber, die zweite gegen Fremdarbeiter. Aber dieselben wohlbekannten faschistischen Aktivisten erschienen und sprachen bei beiden, sie trugen dieselben Poster und schrieen dieselben Slogans. Der auffälligste unter ihnen war die Behauptung, dass die Araber und die Ausländer jüdische Frauen gefährden – die Araber heiraten sie und nehmen sie mit in ihre Dörfer, die Fremdarbeiter flirten mit ihnen. „Jüdische Frauen für das jüdische Volk!“ schrieen die Poster – als ob die Frauen ein Besitz wären.
Die Verbindung zwischen Rassismus und Sex interessierte die Forscher schon immer. Die weißen Rassisten in den USA verbreiteten das Gerücht, dass die „Nigger“ einen dickeren Penis hätten. Unter den deutschen Nazizeitungen war die sensationellste „Der Stürmer“, ein pornographisches Blatt, das voll mit Geschichten über unschuldige blonde Mädchen waren, die von krummnasigen hässlichen Juden mit Geld verführt wurden. Sein Herausgeber Julius Streicher, wurde in Nürnberg gehängt.
Einige glauben, eine der Wurzeln des Rassismus sei ein Gefühl von sexueller Unzulänglichkeit , der Mangel an Selbstvertrauen von Männern, die fürchten, sexuell impotent zu sein – das ganze Gegenteil des Macho-Rassisten. Es genügt, sich die rassistischen Demonstranten anzusehen, um die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.
JEAN-PAUL SARTRE sagte bekanntermaßen, dass jede Person ein Rassist sei – es gäbe nur den Unterschied zwischen denen, die es zugeben und versuchen, dagegen anzukämpfen und jenen, die das nicht tun.
Das stimmt zweifellos. Ich habe einen einfachen Test für die Macht des Rassismus: man fährt mit dem Wagen und jemand schneidet einem den Weg ab. Wenn es ein schwarzer Fahrer ist, sagt man: „Verdammter Nigger!“ wenn es eine Frau ist, schreit man: „Geh in deine Küche!“ Wenn er eine Kipa trägt, schreit man: „Blöder Dos“ („Dos“ ist ein abfälliger hebräischer Spitzname für religiöse Juden). Wenn es ein Fahrer ohne besondere Kennzeichen ist, schreit man nur „Idiot! Wer gab dir eine Fahrerlaubnis?“
Der Fremdenhass, die Aversion gegen jeden, der anders ist , als man selbst, hat scheinbar biologische Züge, Überbleibsel aus Zeiten der Urmenschen, als jeder Fremde eine Bedrohung für die begrenzten Ressourcen des Stammes war. Er besteht auch unter vielen anderen Tierarten. Es ist nichts, auf das man stolz sein kann.
Der zivilisierte Mensch und mehr noch die zivilisierte menschliche Gesellschaft hat die Pflicht, diese Züge zu bekämpfen – nicht nur, weil sie in sich hässlich sind, sondern weil sie die Modernisierung der globalen Welt hindern, in der die Zusammenarbeit zwischen Menschen und zwischen Völkern zwingend ist. Sie bringen uns zu den Höhlenmenschen zurück.
Die Situation hier bewegt sich in die andere Richtung: das Land umarmt den rassistischen Dämon. Nach Jahrtausenden Opfer des Rassismus zu sein, sind Juden hier anscheinend glücklich, nun anderen das anzutun, was ihnen angetan wurde.
ES IST unmöglich, die zentrale Rolle zu ignorieren, die Rabbiner bei diesem widerlichen Durcheinander spielen. Sie reiten oben auf der Welle und behaupten, dies sei der Geist des Judentums. Sie zitieren die heiligen Texte in voller Länge.
Die Wahrheit ist, dass das Judentum, wie fast jede andere Religion, rassistische und antirassistische, humanistische und barbarische Elemente einschließt. Die Kreuzfahrer, die auf dem Weg ins Heilige Land die Juden im Rheinland schlachteten und die Bewohner Jerusalems mordeten – Muslime genau so wie Juden – als sie die Stadt eroberten, schrieen: „Gott will es!“ So kann man im Neuen Testament großartige Passagen finden, die Liebe predigen, und auch ganz andere Passagen. So sind auch im Koran Suren voller Liebe für die Menschheit und Aufrufe zu Gerechtigkeit und Gleichheit, aber es gibt auch ganz andere voller Intoleranz und Hass.
So ist es auch mit der hebräischen Bibel. Die Rassisten zitieren Rabbi Maimonides, der zwei biblische Worte als ein Gebot interpretiert, Nichtjuden keine Wohn- und Lebensmöglichkeit im Lande zu geben. Das ganze Buch Josua ist ein Aufruf zum Genozid. Die Bibel befiehlt den Israeliten, den ganzen Stamm der Amalekiter umzubringen („Männer, Frauen, Kinder und Säuglinge“) und der Prophet Samuel entthronte König Saul, weil er das Leben von amalekitischen Gefangenen schonte (1. Sam.15).
Aber die hebräische Bibel ist auch ein Buch von unvergleichlicher Menschlichkeit. Es fängt mit der Beschreibung der Erschaffung von Mann und Frau an, indem betont wird, dass alle Menschen nach dem Bilde Gottes geschaffen sind – und deshalb gleich. „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, Mann und Frau. Die Bibel verlangt viele Male, den „Gerim“ (den Fremden, der unter den Israeliten lebt ) als Israeliten zu behandeln, „Weil ihr Fremde im Lande Ägyptens ward.“
Wie Gershom Schocken, der Besitzer und lange Zeit Chefredakteur von Haaretz, in einem in dieser Woche – seinem 20. Todestag – wieder veröffentlichten Artikel hinwies: Esra hat tatsächlich die nicht-jüdischen Frauen aus der Gemeinde ausgeschlossen. Aber davor spielten fremde Frauen eine zentrale Rolle in der biblischen Geschichte. Bathseba war die Frau eines Hettiters, bevor sie König David heiratete und wurde die Mutter des Hauses David, aus dem der Messias kommen wird ( oder von dem, nach christlichem Glauben, Jesus heute vor 2010 Jahren geboren wurde). David selbst war ein Nachfahre von Ruth, einer Moabiterin. König Ahab, der größte der israelitischen Könige, heiratete eine Phönizierin.
Wenn unsere Rassisten das hässlichste Gesicht des Judentums darstellen und dabei dessen universale Botschaft ignorieren, schaden sie der Religion von Millionen von Juden in aller Welt. Die bedeutendsten jüdischen Rabbiner schwiegen in dieser Woche angesichts des rassistischen Feuers, das von Rabbinern angezündet wurde, oder murmelten etwas über „Wege des Friedens“ – womit sie auf die Regel verwiesen, es sei verboten, die Goyim zu provozieren, weil sie die Juden in anderen Ländern so behandeln könnten, wie die Juden die Minderheit in ihrem eigenen Staat. Bis jetzt hat noch kein christlicher Priester seine Gemeinde aufgerufen, Juden keine Wohnung zu vermieten – aber es könnte geschehen.
Das Schweigen der „Torah-Weisen“ ist donnernd. Noch mehr ist es das Schweigen der politischen Führer des Landes. Der Friedensnobelpreisträger Shimon Peres erhob seine Stimme nicht, um seinen Unmut auszudrücken, und Binyamin Netanyahu begnügte sich, die Rassisten aufzurufen, „ das Gesetz nicht in ihre eigenen Hände zu nehmen.“ Kein einziges Wort gegen den Rassismus, nicht ein einziges Wort über Moral und Gerechtigkeit.
ALS ICH den Exsoldaten bei der Veranstaltung „Das Schweigen brechen“ zuhörte, war ich voller Hoffnung. Diese Generation hat die Pflicht, den Staat zu heilen, in dem sie ihr Leben verbringen will.
Wie es im Chanukkalied heißt, das schnell zur Hymne der Antirassisten-Demonstrationen wird: „Wir kommen, um die Dunkelheit zu vertreiben.“
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
Hallo Jim,
welche ‚pseudopsychologischen Ergüsse‘ im Text von Avnery hälst Du für problematisch? Meinst Du zu den Brückenschlag zum Thema Sexualität?
Avnery: Einige glauben, eine der Wurzeln des Rassismus sei ein Gefühl von sexueller Unzulänglichkeit, der Mangel an Selbstvertrauen von Männern, die fürchten, sexuell impotent zu sein – das ganze Gegenteil des Macho-Rassisten. Es genügt, sich die rassistischen Demonstranten anzusehen, um die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.
Ich halte die Argumentation, Rassismus gehe hauptsächlich auf persönliche Minderwertigkeitskomplexe derjenigen zurück, die ihn vertreten, auch für verkürzt und in dieser Vekürzung für falsch.
Ich frage aber deswegen nach, weil ich in Erinnerung habe, dass Du selbst in verschiedenen Beiträgen solche Zusammenhänge vermutet hast.
Den Satz ‚Nach Jahrtausenden Opfer des Rassismus zu sein, sind Juden hier anscheinend glücklich, nun anderen das anzutun, was ihnen angetan wurde‘ halte ich auch für problematisch.
Inwieweit stellt dieser Satz aber die Seriosität des gesamten Artikels in Frage?
uccellino
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Hallo Herr Schlickewitz,
nun, die Tatsache, dass Esther diese ‚Lappalie‘ so lange im Gedächtnis geblieben ist, zeigt, dass es sich für sie offenbar nicht um eine Lappalie handelte.
Wenn Sie schreiben: ‚Im Osten (auch in der UDSSR und in Jugoslawien) war sowas ganz normal, haben das unzählige andere Leute auch erlebt und es wieder vergessen.‘, möchten Sie damit sagen, dass das eigentlich ganz OK war, wenn staatliche Autoritäten sich so verhalten?
Es mag sein, dass sich vergleichbare Ereignisse (in geringerer Zahl) auch im Westen zugetragen haben, und zutragen, und auch im Verhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern, in allen Ländern.
Die bloße Häufigkeit solcher Ereignisse heisst aber noch nicht, dass sie keine Auswirkungen bei den Menschen hinterlassen würden.
Ich sehe einen zivilisatorischen Fortschritt darin, dass wir schauen, wie Menschen es empfinden, wie mit ihnen umgegangen wird, und nicht bloß sagen ‚anderen hat es auch nicht geschadet‘.
Im übrigen finde ich die Schilderung von Esther sehr eindrucksvoll, da sie von einem persönlichen Erlebnis ausgeht, anstatt einen möglichst monumentalen Vergleich mit großen historischen Ereignissen zu versuchen. Es würde die Diskussion beleben, wenn andere sich auch eher ‚persönlich‘ äußern, anstatt die Beiträge anderer abzuwerten.
Wenn jemand die Besatzungspolitik der Westbank, sagen wir, mit der Politik des 3. Reiches vergleicht, wird er zu Recht kritisiert. Wenn man aber nun das Gegenteil macht, diese Politik mit einem wesentlich kleineren Unrecht zu vergleichen, warum soll das dann nicht OK sein?
Wenn man sich bei der Interpretation von Ereignissen schwerpunktmäßig mit Vergleichen und der Frage von Vergleichbarkeiten und Nichtvergleichbarkeiten beschäftigt, müsste man Esther genau genommen vorhalten, das Verhalten bestimmter israelischen Soldaten an Checkpoints im Westjordanland durch den unpassenden Vergleich mit dem Aufräumen im Schwimmbad in der DDR verharmlost zu haben.
Ihr (Herr Schlickewitz) folgender Wunsch: ‚Wirklich schade, dass man Sie beim Verlassen der DDR, bei der Außerlandesbringung von Zahlungsmitteln des Arbeiter-und-Bauern-Staates nicht ‘hopps’-genommen hat.‘ kann ich Ihnen als persönliche Phantasie durchgehen lassen (wer hegt nicht von Zeit zu Zeit derartige Gedanken gegenüber Leuten, die er nicht mag). Als ein (nehme ich an) wohlüberlegtes Statement in einem öffentlichen Forum finde ich diesen Bestrafungswunsch aber mehr als abwegig.
Mit freundlichen Grüßen,
uccellino
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Lieber Herr Schlickewitz,
ich wollte mal was Besinnliches zum Neuen Jahr bringen und habe ganz bewußt ein Beispiel gewählt, eine Bagatelle bzw. Lappalie, die mit dem, was im ehemaligen Ostblock geschah, geschweige denn jetzt in diesem Moment in der Westbank, überhaupt nicht mithalten kann – aber Sie kommen aus Ihrem Schützengraben einfach nicht ‚raus, schade. Sind Sie zu verletzt? Konnten Sie zu wenig vergessen? Denken Sie doch mal darüber nach, was wirklich „normal“ ist bzw. sein sollte…
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Und geschadet hat es mir natürlich nicht, sonst könnte ich Sie auch rhetorisch nicht so leicht in die Tasche stecken. 😉
@Esther
Welch sanftes Gemüt Ihnen doch zueigen sein muss, wenn Sie eine derartige Lappalie so lange im Gedächtnis behalten und hier auch noch von „Ungerechtigkeit“ und „Ohnmacht“ schreiben. Da sehen Sie, Sie olle Wessie-Frau, was Ihnen erspart geblieben ist, in Ihrer goldenen, demokratischen und in Menschenrechtsdingen so vorbildlichen BRD!
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Im Osten (auch in der UDSSR und in Jugoslawien) war sowas ganz normal, haben das unzählige andere Leute auch erlebt und es wieder vergessen. Nur Sie machen aus ’ner Mücke einen Elefanten. Hat Ihnen denn die kleine disziplinarische Maßnahme geschadet, außer dass sie Ihrem überempfindlichen Ego eine kleine Kränkung versetzte? Nee, oder? Also, was wollen Sie denn!
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Wirklich schade, dass man Sie beim Verlassen der DDR, bei der Außerlandesbringung von Zahlungsmitteln des Arbeiter-und-Bauern-Staates nicht ‚hopps‘-genommen hat.
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„Es gibt Geschichten über das Demütigen von Passanten an den Checkpoints ( „Mach den Checkpoint sauber, dann bekommst du deine Schlüssel wieder !“)“
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Das erinnert mich an ein Erlebnis, das mir, obwohl es schon lange zurückliegt und objektiv gesehen eine absolute Bagatelle darstellt, gut im Gedächtnis geblieben ist. Mit 15 fuhr ich mit meiner Großmutter aufs Land in die damals noch existierende DDR, um entfernte Verwandte zu besuchen. An einem schönen Sommernachmittag fuhr ich mit einem ein, zwei Jahre älteren Mädchen aus unserer Verwandtschaft mit dem Mofa ins örtliche Freibad.
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Während sie sich in die Sonne legte, schlenderte ich über die Wiese an einigen Büschen vorbei zum Schwimmbecken, um die Wassertemperatur zu testen. Als ich an den Beckenrand trat, hörte ich, wie jemand schräg hinter mir mit den Fingern pfiff. Da ich auf eine derartige Anmache nicht zu reagieren pflegte, fühlte ich mit der Hand die Wassertemperatur und machte mich wieder auf den Rückweg zu meiner Freundin.
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Ich wurde von einem Mann gestoppt, der sich als Bademeister zu erkennen gab und mich fragte, warum ich trotz des Verbots den um den Beckenrand laufenden Grünstreifen betreten hätte. Tatsächlich stand im halbhohen Gras ein halb umgekipptes, kleines Schild „Rasen betreten verboten“.
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Ich sagte, daß ich das Schild gar nicht gesehen hätte. Er erklärte, daß ich außerdem auf seinen Pfiff nicht gehört habe. Und noch bevor ich ausführen konnte, daß er ohne Uniform und Trillerpfeife für mich überhaupt nicht als Bademeister erkennbar war, ordnete er an, daß ich zur Strafe, da ich gleich zweimal über den Grünstreifen lief, die in der Gegend herumliegenden Abfälle aufsammeln und in den Mülleimer werfen sollte. Ich kann mich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern, aber auf meine Frage, wie lange ich das machen solle, meinen Versuch, dies zeitlich oder räumlich irgendwie einzugrenzen, antwortete er, solange, bis er mir sagen würde, daß ich damit aufhören könne – d.h. solange er Lust dazu hatte…
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Mir war klar, daß ich mich nicht in einem Rechtsstaat befand. Wäre ich ein paar Jahre älter gewesen und, viel entscheidender, hätte nicht die Gefahr bestanden, meine DDR-Verwandtschaft durch solch eine Aktion in erhebliche Schwierigkeiten zu bringen, hätte ich auf der Stelle verlangt, seinen Vorgesetzten zu sprechen, um mich über seine Vorgehensweise zu beschweren.
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So aber fing ich an, die Abfälle einzusammeln. Nach einigen Minuten, in denen ich mich immer weiter von ihm entfernt hatte bis ich glaubte, mich außerhalb seines Sichtfeldes zu befinden, lief ich, durch Gebüsch gedeckt, in einem Bogen zurück zu meiner Freundin. Kaum hatte ich sie erreicht, kam er bereits angerannt und verwies uns beide des Schwimmbads. Wortlos wurden wir zum Ausgang geführt.
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Auf der Rückfahrt auf dem Mofa heulte ich vor Wut über diese Ungerechtigkeit und meine Ohnmacht, mich nicht dagegen wehren zu können. Einige Tage später gönnte ich mir den Nervenkitzel und schmuggelte in der Hosentasche ein paar DDR-Münzen, deren Ausfuhr natürlich auch streng verboten war, über die Grenze… Ich war froh, wieder in der Bundesrepublik zu sein.
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Es ist erschütternd sich vorzustellen, wie sehr die täglichen Schikanen und Demütigungen in den besetzten Gebieten die Seelen der Menschen verletzen müssen… Wenn man bedenkt, daß die palästinensische Bevölkerung solchen Ãœbergriffen, wie „breaking the silence“ sie schildert, ausgeliefert ist, ohne irgendeine Chance zu haben, sich dagegen wehren zu können – denn welcher israelische Soldat würde so etwas gegen einen Kameraden bezeugen, welcher Vorgesetzte dies ahnden und wieviele Vorfälle dieser Art liegen wohl unter der Justiziabilitätsgrenze. Was kriegt man dafür, den Checkpoint putzen zu lassen – eine Streicheleinheit?
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Neben der üblichen Polemik und den gewohnt pseudopsychologischen Ergüssen, sind es entlarvende Sätze wie dieser …
Nach Jahrtausenden Opfer des Rassismus zu sein, sind Juden hier anscheinend glücklich, nun anderen das anzutun, was ihnen angetan wurde.
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… die Avnerys jounalistische Seriosität als zumindest bedenklich, seine Texte insgesamt als ausgesprochen tendenziös und ablehnungswürdig erscheinen lassen. Unwillkürlich stellt sich die Frage nach seiner Motivation, bzw. dem persönlichen Gewinn, den er aus solch üblen Pamphleten wohl zieht.
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Es geht auch ohne verleumderische Unterstellungen wie zB „man“, „scheinbar“ und „anscheinend“. Hier, nur ein Beispiel, der Text von Rabbi Rosen zum selben Thema:
http://test.hagalil.com/2010/12/28/ethik-5/
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Wie dem auch sei, eine zunehmende Anzahl gesellschaftlicher Initiativen, darunter vieler Rabbiner, demonstriert ihre Bereitschaft auch weiterhin an den hohen ethischen Werten jüdischer Lehre festzuhalten.
Vom Generalstaatsanwalt wurde gefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Immerhin hat er nun begonnen rechtliche Schritte in Erwägung zu ziehen.
Eine solche zivile Reaktion ist authentischer Ausdruck jüdischer Ethik. Sie steht im Einklang mit den erwähnten Positionen jüdischer Geistesgrößen aus der Anfangsgeschichte des heutigen Staates Israel.
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