Ein Staat für ein Narrativ

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In seiner früheren Amtszeit als israelischer Ministerpräsident prägte Binyamin Netanyahu das Motto „Wer gibt, wird bekommen, wer nichts gibt – wird nichts bekommen“. In seiner zweiten Amtszeit wird das, was die Palästinenser unter der Führung von Mahmoud Abbas geben sollen, so formuliert: „Sagt ja zu einem jüdischen Staat“…

Von Nir Boms und Ido Mizrachi, Haaretz v. 11.10.10

Dies wirft eine Anzahl von Fragen auf: Ist das, wie seine Gegner behaupten, ein weiterer Vorwand Netanyahus zum Gewinnen von Zeit, um ein Abkommen mit den Palästinensern zu torpedieren? Können die Palästinenser vor dem Ende der Verhandlungen die Anerkennung eines jüdischen Staates verdauen? Erhöht diese Forderung nicht den religiösen Pegel des Konflikts, und erschwert sie somit seine Lösung nicht noch mehr?

Den Schulbüchern der Palästinensischen Autonomiebehörde nach wird die Forderung nach der Anerkennung eines jüdischen Staates vor dem Hintergrund eines palästinensischen Narrativs, das ganz bewusst von einer jüdischen Komponente absieht, historisch oder national, als Provokation empfunden. In dem Buch „Nationale Erziehung“ für die sechste Klasse erscheint eine Einwohnertabelle für Palästina im Jahr 1999, in der das „Westjordanland“, „Gaza“, die „Palästinenser im Staat Israel“ und die „Palästinenser in der Diaspora“ aufgeführt sind. Die Juden werden nicht erwähnt und nicht gezählt.

Die palästinensischen Schulbücher befassen sich fast überhaupt nicht mit der israelischen oder jüdischen Geschichte, obwohl sie sich der Natur der Sache nach und nicht wenig mit verschiedenen Epochen beschäftigen müssten, die die Entwicklung Palästinas prägten.

Einer der wenigen Orte, an denen der jüdische Aspekt erwähnt wird, ist ein Schulbuch für die elfte klasse, das erstmals 2005 veröffentlicht wurde. Das Buch behandelt unter u.a. die biblischen Figuren Abraham, David und Salomon und hebt hervor, dass „zur Zeit der Herrschaft Salomos (Sulimans) der jüdische Staat seine größte Ausdehnung erreichte“. In der neuen Auflage, die in diesem Schuljahr – das die Verhandlungen begleitet – gedruckt wurde, hat man diesen Satz gestrichen.

Eine Karte der vier Viertel der Jerusalemer Altstadt (die das jüdische Viertel enthält) im Buch „Nationale Erziehung“ für die dritte Klasse aus dem Jahr 2002 wurde bereits nach einem Jahr gestrichen. Die Machpela-Höhle in Hebron wird als Heiligtum nur für Muslime erwähnt. Die Balfour-Erklärung wird in verschiedenen Schulbüchern als „verfluchte Erklärung“ bezeichnet, in der das Land von jemandem, dem es nicht gehörte (Großbritannien) jemandem zugesprochen wurde, der kein Recht darauf hatte (die Juden). Im Buch „Nationale Erziehung“ für die siebte Klasse werden die Juden vor 1948 als Personen mit „Begehrlichkeiten“ dargestellt, die in Einwanderungswellen aus Russland kamen: „Ihr Ziel war die Herrschaft über palästinensisches Land und die Übernahme des Landes von den palästinensischen Einheimischen nach deren Vertreibung und Vernichtung.“

Die Frage der Anerkennung ist mit der Frage der Flüchtlinge verbunden, nach Ansicht Netanyahus haben die palästinensischen Flüchtlinge „kein Recht darauf, in den jüdischen Staat zu kommen“. Im Wissen um die aus der Forderung Netanyahus folgenden Konsequenzen hat man im Literaturlehrbuch für die zehnte Klasse, das dieses Jahr neu gedruckt wurde, eine arabische Erzählung aus der Anfangsperiode des Islam durch das Gedicht „Brief aus dem Exil“ des verstorbenen Nationaldichters Mahmoud Darwisch ersetzt. Die Schüler werden darum gebeten, auf das Gedicht zu reagieren, indem sie das „Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge“ heranziehen.

Die Änderung des Narrativs wird nicht schnell vonstatten gehen, gewiss nicht ohne weit reichende Fortschritte bei den direkten Gesprächen. Andererseits würde ein Verhandlungsfortschritt ohne Anerkennung des Rechts der Juden auf einen Staat ein Abkommen zwischen Führern erbringen, von dem sich aber in Anbetracht des bestehenden Narrativs nur schwerlich der ersehnte Frieden zwischen den Völkern ableiten ließe.

Im palästinensischen Fall wird es schwer sein, einen kalten Frieden aufrechtzuerhalten wie den, der mit Ägypten und Jordanien besteht. Ein dauerhafter Frieden mit dem palästinensischen Volk hängt von schweren Entscheidungen ab. Netanyahu muss beweisen, dass seine Friedensvision sich nicht in der Bar-Ilan-Rede erschöpft, sondern auch die Bereitschaft enthält, dem Staat Israel feste Grenzen zu ziehen.

Abbas steht vor der Wahl zwischen dem palästinensischen Narrativ und dem palästinensischen Staat. Die Anerkennung Israels als jüdischer Staat kann zu einem souveränen palästinensischen Staat führen. Das Beharren auf dem palästinensischen Narrativ wird nur zu noch mehr Krieg führen.

Nir Boms und Ido Mizrachi sind Mitarbeiter am Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education.

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