Das Ziel: Eine Blamage für die PA

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Das Schussattentat gestern Abend östlich von Hebron kann nicht als Überraschung angesehen werden. Die Hamas hatte eine große Motivation, die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) am Vorabend der Wiederaufnahme direkter Gespräche in Washington in Verlegenheit zu bringen…

Von Avi Issacharoff und Amos Harel, Haaretz v. 01.09.10

Ein kurzes Gespräch mit Mitgliedern der palästinensischen Delegation in Washington am selben Abend zeigte, dass diese Mission erfüllt wurde: Sie klangen gestresst, erbost und der schweren Konsequenzen gewärtig, die der Vorfall auf die Friedensgespräche und ihre Manövrierfähigkeit gegenüber Israel haben könnte.

Darüber hinaus trachtete die Hamas danach, den Gipfel in den USA zu torpedieren und der US-Administration und der israelischen Regierung die schmerzliche Erinnerung zu übermitteln, dass man sie – die Hamas – bei jeder Übereinkunft miteinbeziehen müsse, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen.

Die Sprecher von Hamas und Islamischem Jihad zögerten gestern Abend nicht, die Täter des Anschlags und vor allem sein Ergebnis zu preisen. Diese Gruppierungen haben eine lange Tradition von Drive-by Shootings dieser Art, am Vorabend von wichtigen Friedensgipfeln. So geschah es auch zur Zeit der Madrider Konferenz, der Osler Verträge und sogar im Umfeld des Annapolis-Gipfels von 2007. Erst Anfang der Woche bereiste der Generalstabschef, Generalleutnant Gabi Ashkenazi, das Zentralkommando und ermahnte seine Brigadekommandanten, die Wachsamkeit ihrer Truppen zu erhöhen, aus der Sorge heraus, jemand könnte versuchen, die Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu stören.

Der militärische Flügel der Hamas übernahm am Abend die Verantwortung für den Anschlag. Der Sprecher der Hamas in Gaza, Sami Abu-Zuhri, sagte, die Organisation lobe die Attacke und betrachte sie als natürliche Reaktion auf die „Verbrechen der Besatzung“. Die Hamas-Führung in Gaza und Damaskus hatte in den vergangenen Monaten Druck auf die Banden im Westjordanland ausgeübt, wieder mit Anschlägen zu beginnen, um es der Palästinensischen Autonomiebehörde schwerer zu machen und neue Spannungen zwischen ihr und Israel zu erzeugen. Erst vor zwei Monaten wurde eine großes Netzwerk der Hamas südlich von Har Hebron offengelegt, eine wiederbelebte „Schläferzelle“, deren Mitglieder des Mordes an einem israelischen Polizisten verdächtigt werden, bei einem Anschlag auf derselben Straße, nur wenige Kilometer von dem Schauplatz des gestrigen Anschlags entfernt. Parallel dazu wurde ein Versuch der Hamas verzeichnet, die Stimmung im Westjordanland gegen die PA aufzubringen, in erster Linie wegen der Frage der Kontrolle über die Moscheen und der Entscheidung der PA-Regierung, hochrangige Hamas-Leute an Freitagspredigten in Moscheen zu hindern.

Der gestrige Mord zeugt ganz offensichtlich davon, dass die Hamas weiterhin die Fähigkeit besitzt, relativ komplizierte Operationen durchzuführen, und dies trotz des beinahe brutalen Vorgehens der PA-Behörden gegen die Organisation. Die Sicherheitsdienste in Israel und der PA führen derzeit ein Wettrennen gegen die Zeit, um die Mörder noch vor Beginn des Gipfels heute Abend in Washington zu fassen.

Man kann annehmen, dass das gewöhnlich relativ hohe Niveau der Zusammenarbeit bei Geheimdienstaktivitäten gestern Abend gesenkt wurde, da jede Seite die erste sein will, die zu den Verdächtigen gelangt.

Der Anschlag deutet nicht auf eine Wiederkehr der mörderischen Epoche im Westjordanland hin, wenngleich es sich um den schwersten Vorfall seit einigen Jahren handelt. Auch die PA wird sich nun bemühen, die Lage vor Ort zu beruhigen und weitere Zwischenfälle zu verhindern, die sie gegenüber Israel blamieren könnten. Die größte Gefahr in den kommenden Tagen liegt in der Spannung zwischen den Bevölkerungsgruppen – der jüdischen und der arabischen – in Hebron, wo die Atmosphäre angesichts der Wiederaufnahmen der direkten Gespräche ohnehin aufgeheizt ist.

Zu erwarten ist ein Versuch der Siedler, eine „angemessene zionistische Reaktion“ in Gestalt eines Außenpostens in der Nähe des Tatorts zu inszenieren, vor dem Hintergrund des Gipfels und der Ablauffrist des Siedlungsbaumoratoriums. Im schlimmsten Fall würden auch Racheakte gegen Palästinenser verübt werden. Die Führung der Siedler hat gestern bereits eine Beziehung zwischen der Ermordung von vier Bewohnern Beit Hagais und der weiteren außen- und sicherheitspolitischen Realität hergestellt. Neben der Forderung an Ministerpräsident Binyamin Netanyahu, auf die Teilnahme am Gipfel zu verzichten, hörte man sofort Forderungen nach einer Wiederaufnahme der Bautätigkeiten im Westjordanland und einer erneuten Sperrung von Straßen für den palästinensischen Verkehr; deren Öffnung hat nach Ansicht er Siedler den Anschlag ermöglicht.

Für den Oberkommandierenden der israelischen Armee im Westjordanland wird dies eine schwere Prüfung, in der am schwersten zu kontrollierenden Stadt des Westjordanlands. Der relativ neue Brigadekommandant in Hebron, Oberst Guy Hasot, wird sein gesamtes Können demonstrieren müssen, um die Gemüter in der Stadt zu beruhigen. Die ihm übergeordnete Kommandokette ist erfahrener als er im Umgang mit ähnlichen Situationen und wird sich aus der Nähe mit den Vorgängen vor Ort befassen müssen.

Den Entscheidungsträgern auf der palästinensischen und der israelischen Seite steht eine nicht weniger schwere Mission bevor: mit dem Programm des Gipfels fortzufahren, ohne die Gespräche noch vor Beginn zu sprengen. Möglicherweise verstehen beide Seiten, dass ein Abbruch der Verhandlungen bereits in den nächsten Tagen am Ende denen in die Hände spielen würde, die gestern Abend bei Hebron vier Israelis ermordet haben.

1 Kommentar

  1. „Darüber hinaus trachtete die Hamas danach, den Gipfel in den USA zu torpedieren und der US-Administration und der israelischen Regierung die schmerzliche Erinnerung zu übermitteln, dass man sie – die Hamas – bei jeder Ãœbereinkunft miteinbeziehen müsse, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen.“
     
    Ãœberraschung!

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