Sexy Nazis?

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2009 werden wir von Filmen über Nazis, Zweiter Weltkrieg und den Holocaust überschwemmt…

Von Benjamin Rosendahl

„There is no business like Shoa-Business“ (Abba Eban)

Wir schreiben das Jahr 2009. Der Anfang des Zweiten Weltkrieges („ab 3 Uhr wird zurückgeschossen“) jährt sich zum 70. Mal. Die Generation der Täter und der Opfer ist in ihren letzten Atemzügen. Bald wird es keine Zeitzeugen mehr geben: Dann wird man nur noch im Geschichtsunterricht, in der dritten Person, von dieser Periode erfahren. Das erklärt vielleicht, warum wir gerade dieses Jahr mit Filmen über den Zweiten Weltkrieg und Nazis überschwemmt werden.

Zwar gibt es schon seit einiger Zeit Filme über diese Periode, bisher handelten diese aber fast ausschließlich von der Judenverfolgung – und endeten meist in Auschwitz. Nicht so die Filme, die dieses Jahr herauskommen, wo Juden fast nie vorkommen: So geht es bei „Walküre“ um das geplante Hilter-Attentat durch General Stauffenberg, beim „Vorleser“ um eine Liebesaffäre zwischen einem deutschen Nachkriegskind und einer SS-Wärterin, bei „Good“ um einen Professor, der mehr oder weniger ins Nazimilieu abrutscht, ohne es zu bemerken und bei Quentin Tarantinos „Inglorious Bastards“ um eine Gruppe amerikanischer Soldaten, die Nazis abschlachtet (eine erfundene Geschichte). Einzige Ausnahme hier ist „Defiance“, wo es um die wahre Geschichte der Bielski-Brüder geht, jüdische Partisanen aus Belarus, die 1.200 jüdischen Flüchtlingen im Wald Unterschupf boten und ihnen so das Leben retteten. Auch dieser Film unterscheidet sich von den Holocaustfilmen, die man bis dato kannte, denn es geht nicht um verfolgte und ermordete Juden, sondern um Juden, die die Nazis bekämpften.

Mit Ausnahme von „Defiance“ haben alle diese Filme Folgendes gemeinsam: Nazis werden im besten Fall in ambivalenten, oft aber in positivem Licht dargestellt. So scheint sich Tom Cruise in der Wehrmachtuniform sehr wohl zu fühlen. Die Tatsache, dass Stauffenberg (den er spielt) und die „Gruppe des 20. Juli“ alle Soldaten waren, die ihren Eid auf Hitler schworen, setzt sich „Walküre“ jedoch nicht auseinander, genausowenig wie mit der Tatsache, dass sich diese Gruppe erst dann gegen Hitler wandte, als der Krieg schon verloren war. Während Stauffenberg zwar spät, aber immerhin doch den Wahnsinn Hitlers Krieg erkannte, findet sich Professor John Halder (gespielt von Viggo Mortenson) in „Good“ von einer Szene zur nächsten in GeStaPo-Uniform, was für ihn so unerwartet wie eine unbestellte Werbesendung kommt. „Auch gute Menschen wurden Nazis“, ist dann wohl die Aussage des Filmes, eine Verteidigung, die nicht einmal ein Kaufhausdieb machen würde. Und beim „Vorleser“ handelt es sich schon fast um Nazipornographie: Habt doch Mitleid mit dieser Naziverbrecherin (gespielt von Kate Winslet), schließlich ist sie doch SOOO gut im Bett!

Anhand dieser Filme wäre es wohl besser, die Regiseure hätten auf Claude Lanzmann gehört, der den Dokumentarfilm „Schoah“ ohne Archivaufnahmen oder nachgestellten Szenen der Zeit drehte: „Den Holocaust kann man nicht im Film darstellen“, meinte er.

Was übrigens auch auffällt, ist die Tatsache, dass britische Schauspieler unglaublich gerne Nazis spielen: Von Tom Wilkinson (Walküre) über „Mr. Shakespeare“ Kenneth Branagh (auch in Walküre) bis zu Ralph Fiennes (Schindlers Liste, der Vorleser) und Kate Winslet (der Vorleser) ist alles dabei, was im Königreich Rang und Namen hat. Amerikanische Schulkinder, die sich in 20 Jahren diese Filme im Geschichtsunterricht anschauen, werden dann überzeugt sein, dass die Nazis alle mit Oxford-englischem Akzent sprachen…

Erschienen bei: ZEITJUNG, 11.01.2009

3 Kommentare

  1. Dem oben geschriebenen Kommentar ist nur wenig hinzu zu fügen. Wer alles über einen Kamm schert, macht sich unglaubwürdig und damit auch die eigene Sache. Es hat einen deutschen konservativen und militärischen Widerstand gegeben und den gab es schon vor dem Krieg, auch wenn die Bombe erst 1944 explodierte. Ja, er war ambivalent zusammengesetzt und ja, es gab Widerständler die antisemitische Äußerungen gemacht haben. Aber, es gab viele, denen die Shoah auch und sogar entscheidend zum Motiv wurde. Und sie haben es verdient, dass man sie kennt und Filme über sie macht. Und es billig, aus 6 Jahrzehnten zurückblickend sich über jene zu erheben, die aus welchem Motiv auch immer und mit welchen Irrtümern und Fehlern auch immer aus freien Stücken gegen die Nazis gekämpft haben, dabei noch in Kauf nahmen, von den eigenen Leuten als Verräter gesehen zu werden und dafür den bitteren Tod am Galgen starben.

    Wirklich wütend aber macht mich die Bemerkung, Kenneth Branagh hätte einen Nazi gespielt. Er spielte Henning von Treskow, einen der grimmigsten Nazigegner der vorstellbar ist, dessen Motivation nachhaltig aus der Kenntnis des Mordtreibens der Einsatzgruppen gespeist wurde, der sooft, wie kein anderer, versucht hat, schon Anfang 1943 Hitler zu töten und der das Attentat vom 20. Juli antrieb im sicheren Wissen, dass es scheitern wird und auch er sein Leben dafür verlieren wird, damit der Welt gezeigt wird, dass es nicht nur Nazis in Deutschland gab.

    „Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Ãœberzeugung sein Leben zu geben.“  ist sein Vermächtnis. Kenneth Branagh darf stolz sein, einen solchen Mann gespielt zu haben.

  2. Meine Damen und Herren,

    ich bitte Sie, richtig zu stellen, dass der Graf von Stauffenberg (!) kein General sondern Oberst war.
    Des Weiteren ist es eine dreiste Lüge, zu behaupten, die Soldaten, die sich am Widerstand gegen Hitler beteiligten, hätten dies erst getan, nachdem die Niederlage unausweichlich geworden war.  Sie implizieren hier, die Personen des militärischen Widerstandes hätten aus reinem Opportunismus in der Hoffnung auf  persönlichenMachtgewinn gehandelt. Ich erinnere daran, dass Generaloberst Ludwig Beck bereits 1938 alle Generäle der Wehrmacht zur Aktion gegen Hitler zu bewegen versuchte, zudem an die zwei gescheiterten Attentate im März 1943.
    Die Filme seien gut oder schlecht; tun Sie nicht so, als könnte ein Deutscher gar nicht aus aufrichtiger Liebe zu Deutschland handeln.

    /Springer

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