Der Bahrain-Workshop bildet den Auftakt zu einer ganzen Reihe von diplomatischen Initiativen, mit denen die Regierung der Vereinigten Staaten ihren neuen Friedensplan für den Nahen Osten vorstellen möchte…
Von Ralf Balke
Die eigentlichen Protagonisten sind nicht mit von der Partie. Denn zum sogenannten Bahrain-Workshop am 25. und 26. Juni in Manama, der Hauptstadt des gerade einmal 750 Quadratkilometer großen Königreichs am Persischen Golf, waren die offiziellen Vertreter Israels gar nicht erst eingeladen. Und die Palästinenser hatten beschlossen, aus Protest gegen die aktuelle Nahost-Politik der Vereinigten Staaten die Veranstaltung zu boykottieren und lieber zuhause zu bleiben. Statt sich an den Konferenztischen blicken zu lassen, verbrannte man – wenig originell – in Ramallah oder in Gaza amerikanische und israelische Flaggen oder Poster mit dem Konterfei von US-Präsident Donald Trump. Denn in ihrer Ablehnung gegen den amerikanischen Friedensplan für den Nahen Osten, dessen Details aber nur Eingeweihten in Washington wirklich bekannt sein dürften, waren sich Palästinensische Autonomiebehörde und die im Gazastreifen regierenden Islamisten ausnahmsweise mal einig.
Über 30 Delegationen aus der allen Teilen der arabischen Welt waren der Einladung von Trumps Schwiegersohn und Sonderbeauftragten für den Nahen Osten, Jared Kushner, nach Bahrain gefolgt, um sich seine Vorstellungen von einem Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern näher erklären zu lassen. Schon unmittelbar nach seinem Wahlsieg 2016 hatte der US-Präsident versprochen, einen „ultimativen Deal“ einzufädeln. Doch so richtig an Fahrt wollte sein Projekt bis dato nicht richtig gewinnen – obwohl es immer wieder hieß, dass man den detailliertesten und durchdachtesten Plan aller Zeiten in der Schublade hätte. Mal wurde der Termin einer Veröffentlichung von Details verschoben, weil in Israel Neuwahlen anstanden, mal gab es Probleme mit Saudi Arabien, das in den Vorstellungen der amerikanischen Administration eine Schlüsselrolle in der Umsetzung des geplanten Friedensabkommens spielen soll. Deshalb kursierten auch mehr Gerüchte als konkrete Fakten darüber, woraufhin das Ganze hinauslaufen soll.
Doch nun scheint sich das zu konkretisieren, was all die Monate mehrfach angedeutet wurde. Washington verfolgt in allererster Linie einen ökonomischen Ansatz in der Belegung des Nahostkonfliktes. Vor allem Wachstum und die Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Palästinenser sollen die Schlüssel für eine Lösung sein, woraufhin bereits der Arbeitstitel der Zusammenkunft in Bahrain hinweist, nämlich „Peace to Prosperity“, was auf Deutsch so viel wie „Vom Frieden zu Wohlstand“ heißt. „Sich auf einen gemeinsamen wirtschaftlichen Weg zu verständigen, ist die Grundvoraussetzung, um alle politische Fragen zu klären, die bis dato unlösbar schienen“, erklärte Kushner in seiner Begrüßungsansprache. Genau deshalb wäre der Plan der US-Administration auch „die Chance des Jahrhunderts“.
Themen wie palästinensische Eigenstaatlichkeit, israelische Siedlungen im Westjordanland oder der Status von Jerusalem und die Frage der Flüchtlinge sollen einfach erst einmal außen vor bleiben. „Selbstverständlich sind Wirtschaftswachstum und Prosperität für die Palästinenser ohne eine dauerhafte und faire politische Lösung, und zwar eine, die sowohl die Sicherheit Israels garantiert als auch die Würde des palästinensischen Volks respektiert, letztendlich nicht möglich“, schob Kushner hinterher. Aber das könnten alle Beteiligten gerne ein anderes Mal zur Sprache bringen und klären. Jetzt muss sich alles um die Erschließung des wirtschaftlichen Potenzials drehen, so seine These. „Man stelle sich nur die florierenden Handels- und Touristenzentren in Gaza und der West Bank vor, wo sich Vertreter der internationalen Geschäftswelt treffen und lukrative Deals einfädeln“, geriet er ins Schwärmen. Zudem erklärte Kushner, dass bei allen vorherigen Bemühungen, den Konflikt ad acta zu bringen, die Palästinenser wohl einfach nicht gut beraten waren. „Daher lautet meine direkte Botschaft an das palästinensische Volk, dass man nicht länger auf diejenigen hören sollte, die es in der Vergangenheit immer wieder im Stich gelassen hatten. Präsident Trump und die Vereinigten Staaten haben euch nicht aufgegeben.“
Die Reaktionen und Erwartungen im Zusammenhang mit dem Bahrain-Workshop fielen ziemlich gemischt aus. Die Europäer waren in Manama so gut wie gar nicht Erscheinung getreten, weil sie von Trumps Ideen überhaupt nichts halten, sondern weiterhin ausschließlich das alte Konzept der Zwei-Staaten-Lösung befürworten. Nur Ex-Premier Tony Blair, ehemals Sondergesandter des Nahost-Quartetts, und Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) ließen sich blicken. Vertreten waren vor allem die Golf-Araber und Saudi Arabien, die ein gepflegtes Interesse daran haben, die Beziehungen mit Israel auf eine andere Ebene zu bringen, was aber erst nach einem Ausgleich mit den Palästinensern politisch für sie durchsetzbar ist. Sie fragen sich, was die „Chance des Jahrhunderts“ sie wohl kosten könnte. Denn die Investitionen mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar, von denen in Bahrain immer wieder die Rede ist, wird Washington – wenn überhaupt – nur zu einem Bruchteil übernehmen. Vielmehr sollen Riad, Dubai und die anderen Golf-Araber tief dafür in die Taschen greifen. Mit 28 Milliarden Dollar ist der Löwenanteil davon für die palästinensischen Gebiete vorgesehen, sechs Milliarden Dollar werden in den Libanon fließen, 7,5 Milliarden Dollar nach Jordanien und neun Milliarden Dollar nach Ägypten, so die Vorstellungen der Amerikaner. Das Konzept: Alle Beteiligten zahlen in einen eigens noch zu gründenden Fonds ihre Gelder ein. Private Investoren können ebenfalls mit von der Partie sein. 179 Infrastrukturprojekte stehen auf der To-Do-Liste. Allein fünf Milliarden Dollar sollen in einen Korridor fließen, der das Westjordanland mit dem Gazastreifen verbindet, eine Milliarde Dollar in den Ausbau des palästinensischen Tourismussektor.
Kein Wunder also, dass der saudische Finanzminister Mohammed al-Jadaan an der Spitze der Delegation seinen Landes stand, und nicht der Außenminister oder gar der umstritten Kronprinz. Und Jordanien beispielsweise nahm eher deswegen an dem Bahrain-Workshop teil, weil man in Amman befürchtete, dass ansonsten die lebenswichtigen finanziellen Zuwendungen aus den Vereinigten Staaten zusammengestrichen werden könnten. Sowohl das haschemitische Königreich als auch der Libanon sind in der Vergangenheit zur Heimat hunderttausender Palästinenser geworfen, die nach 1948 dorthin geflohen waren. Diese sollen nun besser in den beiden Ländern integriert werden. Und die Gelder für Ägypten werden als Anreiz verstanden, auf dem Sinai den Palästinensern Land in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gazastreifen zur Verfügung zu stellen. „Wir sollten der Initiative eine Chance geben“, sagte denn auch Obaid al-Tayar, Finanzminister der Vereinigten Arabischen Emirate.
Und Israel? Obwohl keine offiziellen Vertreter eingeladen waren, saßen israelische Geschäftsleute und Medienvertreter mit in dem Workshop. Zum ersten Mal seit über 70 Jahren wurde in der einzigen Synagoge in Manama das Schacharit, das traditionelle Morgengebet, abgehalten, da aufgrund des Bahrain-Workshops zahlreiche jüdische Teilnehmer aus den Vereinigte Staaten vor Ort waren, als auch israelische Journalisten wie Barak Ravid von Kanal 13 oder Raphael Ahren von der Times of Israel. Sie alle zeigten sich voll des Lobes für die Verantwortlichen in Bahrain, weil Visa-Angelegenheiten – Israel und das kleine Königreich am Golf pflegen keine diplomatischen Beziehungen – ganz unkompliziert geregelt werden konnten und offizielle Vertreter kaum Berührungsängste den Israelis gegenüber zeigten. „Zwar haben sie in Bahrain keinen Frieden machen können, dafür aber ein Minjan“, so das Fazit von David Makovsky, einem amerikanischen Nahostexperten nach dem Besuch in der Synagoge, die sogar zu den Hohen Feiertagen geschlossen bleibt, weil heute nur noch 34 Juden in Bahrain leben – in den 1930er Jahren waren es einmal rund 1.500.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der aufgrund der geplanten Neuwahlen im September gerade eher andere Probleme hat, beschrieb die Zusammenkunft in Bahrain als einen amerikanischen Versuch, „die Probleme der Region zu lösen und ihr eine Zukunftsperspektive zu geben“. Und der amtierende israelische Wirtschaftsminister Eli Cohen erklärte, wie vorteilhaft es sei, dass in Bahrain israelische und arabische Geschäftsleute zusammenkommen würden. Was die Palästinenser anging, da äußerte er sich weniger optimistisch. „Wir konnten sehen, dass die Palästinenser nicht einmal auf einer Wirtschaftskonferenz, wo viel Geld, wichtige Programme und Fördermittel für sie zur Diskussion stehen, erscheinen.“ Offensichtlich gibt es ihrerseits keinerlei Interesse an irgendeiner Übereinkunft. Zwar erklärte Jared Kushner noch am Donnerstag, dass der Bahrain-Workshop ein „enormer Erfolg“ gewesen war. Doch in Israel würde kaum jemand seine Euphorie teilen. Zum einen hat man schon aufgehört, die amerikanischen Initiativen zur Beilegung des jahrzehntealten Streits zwischen Israelis und Palästinenser zu zählen. Zum anderen ist keiner in Jerusalem so naiv zu glauben, dass man mit einem gigantischen Geldregen die palästinensischen Ambitionen auf einen eigenen Staat einfach so vom Tisch wischen könnte – auch wenn die Idee, durch Investitionen in der Region dem Konflikt an Schärfe zu nehmen. So hieß es vom Institute for National Security Studies (INSS) an der Universität dieser Tage dazu: „Die Bereitschaft, riesige Summen für Investitionen in die Wirtschaft, Infrastruktur sowie Bildung, Gesundheitswesen und soziale Absicherung zu stecken, ist auf jeden Fall eine gute Nachricht“, so Tomer Fadlon und Sason Hadad von INSS. „Aber um einen politischen Plan, der sowohl kreativ ist als auch vorteilhaft für die Palästinenser wird man wohl kaum herumkommen.“
Bild oben: Screenshot Haaretz