Autonome Nationalisten fordern: Sterilisierung der Romafrauen in Rumänien

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In einer gemeinsamen Presseerklärung haben das Landesinstitut für das Studium des Holocaust in Rumänien „Elie Wiesel“, die Roma-Menschenrechtsorganisation „Romani Criss“ und das Zentrum für die Bekämpfung des Antisemitismus (MCA) einen Aufruf der Autonomen Nationalisten zur Sterilisierung von Romafrauen vehement verurteilt…

William Totok

In dem Dokument der drei Organisationen wird auf die Gefahr des aufflammenden Rechtsextremismus aufmerksam gemacht und dessen Unvereinbarkeit mit den fundamentalen Prinzipien einer demokratischen Rechtsordnung, der sich auch das EU-Land Rumänien verschrieben hat. „Die Sterilisierung von Frauen, die einer bestimmten ethnischen Gruppe angehören ist ein schwerwiegender Angriff auf die Mitglieder dieser Gruppe und auf die Gesellschaft als Ganzes, unabhängig von der Art wie dies propagiert wird“, heißt es in der Erklärung, die von der rumänischen Presse weitgehend ignoriert wurde.

Auf der Nachrichtenseite des Fernsehsenders România TV (RTV), wo de Vorfall in einer knappen Zusammenfassung wiedergegeben wurde, reagierten einige Leser mit Sprüchen, die zum Standardrepertoire rumänischer Rechtsextremisten gehören: „Nicht sterilisieren, sondern vergasen soll man sie,“ schrieb ein sich hinter einem Pseudonym versteckter Leser. Ein anderer fügte hinzu: „Wenn sie sich widersetzen, soll man sie durch Kopfschüsse erledigen“. „Ich bin bereit eine Einsatzgruppe zu gründen, um die Hinrichtungen durchzuführen“, ergänzte unwidersprochen ein weiterer Leser.

Die Stellungnahme der drei Organisationen ist eine erste Reaktion auf die Agitation einer seit rund fünf Jahren in Erscheinung getretenen Gruppierung, die sich selber als NAT88, d.h. „Autonome Nationalisten aus Temeswar, Heil Hitler“, bezeichnet. Der Aufruf, in dem jeder Roma-Frau eine Belohnung von 300 Lei (rund 70 Euro) versprochen wird, wenn sie einen von einem Arzt beglaubigten Sterilisierungsnachweis vorzeigt, ist eine indirekte Reaktion auf den publizistischen Vorstoß des ungarischen Politikers Zsolt Bayer. Der Freund des ungarischen Premiers Viktor Orbán, Bayer hatte am Anfang dieser Woche in einem in der Budapester Zeitung „Magyar Hírlap“ veröffentlichten rassistischen Leitartikel die „Endlösung“ der „Zigeunerfrage“ gefordert. Dies stieß innerhalb der europäischen rechtsextremen Szene auf Beifall und hatte auch die in der westrumänischen Stadt Timisoara, deutsch Temeswar, konspirativ agierenden Autonomen Nationalisten zu ihrem provozierenden Sterilisierungsvorschlag inspiriert. Ganz wie die militanten Gegner in anderen osteuropäischen Ländern begründen auch die Autonomen Nationalisten aus Rumänien ihre romafeindliche Haltung mit „gewalttätigen Angriffen der Zigeuner“ auf die Mehrheitsbevölkerung.

In der westrumänischen Stadt Temeswar wurde die Anti-Roma-Stimmung in den letzten Jahren zusätzlich durch undurchsichtige Immobilienspekulationen angeheizt. Rechtsextremisten beschuldigen wohlhabende Roma, sich historisch wertvolle Immobilien angeeignet und die rumänischen Mieter vertrieben zu haben. Die für ihre antiziganistische Politik bekannte radikale Organisation „Neue Rechte“ (Noua Dreapta) organisiert regelmäßig Protestdemonstrationen gegen die „Immobilienmafia“, wie es verbal verschleiert in ihren Aufrufen heißt.

Die rumänischen Autonomen Nationalisten unterstützen wohl diese Aktionen, plädieren jedoch auf ihren Internetseiten für radikalere Lösungen der „Zigeunerfrage“, nicht zuletzt für gewaltsame Überfälle und Angriffe auf Roma.
In Rumänien leben laut offiziellen Angaben über 600.000 Roma. Nach inoffiziellen Schätzungen sind es aber mehr als 2 Millionen. Diskriminierungen der Roma haben in den letzten Jahren immer wieder für internationale Schlagzeilen gesorgt. Im ersten Jahrzehnt nach der Wende kam es in etlichen Ortschaften wiederholt zu pogromartigen Überfällen.

Die „Autonomen Nationalisten Temeswar 88“ sind vorwiegend in Temeswar in Erscheinung getreten. Es handelt sich – ähnlich wie in Deutschland – um Jugendliche, im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, die sich vom traditionellen rechtsextremen Spektrum wie der erwähnten „Neuen Rechten“ (Noua Dreapta) abgrenzen. Einige ihrer Aktivisten haben inzwischen auch in weiteren rumänischen Städten Anhänger gefunden und lokale Filialen gegründet.
Zu den ideologischen Vorbildern der rumänischen National-Autonomen gehören nicht nur Nazis wie Goebbels, sondern auch der zum Volkshelden und Symbol des bewaffneten antikommunistischen Widerstands hochstilisierte Freischärler, Ion Gavrilă Ogoranu. Dieser war ein Anhänger der rumänischen faschistischen Jugendbewegung (Frăţia de Cruce – Kreuzbruderschaft), ging in den 1950-er Jahren in den Untergrund und schloss sich bewaffneten Partisanenverbänden an. Nach der Wende tauchte der 2006 verstorbene Ogoranu als Gründungsmitglied der rechtsextremen „Partei für das Vaterland“ (Partidul pentru Patrie – PPP) wieder in der Öffentlichkeit auf.

In einem Artikel in der „Schwarzen Fahne“, einem Organ deutscher Autonomer Nationalisten, präsentieren sich ihre rumänischen Gesinnungsfreunde als Fortsetzer der in der Zwischenkriegszeit gegründeten Faschistengruppierung „Legion des Erzengels Michael“, deren Ideale sie verkörpern und fortführen würden: Antisemitismus, Antikommunismus, Bekämpfung des demokratischen Parteiensystems mit dem Ziel, einen neuen Menschen zu schaffen.

  • Siehe auch die Kurzfassung: 70 Euro für eine Sterilisation, in: taz-online, 11.1. 2013 und in der Printausgabe, Belohnung für Sterilisation, in: taz, 12./13. 1. 2013, S. 8
  • Über die Gruppierung „Autonome Nationalisten“ (NAT88) und deren Unterstützung für die Temeswarer Kandidaten der rechtsextremen „Partei für das Vaterland“ (Partidul pentru Patrie – PPP – deren Umbennennung in „Partidul Totul pentru Ţară“ – PTŢ – Partei für das Vaterland von der Justitz abgewiesen wurde) bei den Lokalwahlen 2012 siehe auch: William Totok, „Radikal, militant, nationalistisch und christlich-orthodox“. Rechtsextremismus in Rumänien, in: Ost-West Europäische Perspektiven, 13. Jg., Heft 3, 2012, S. 218-224 [SchwerpunktRechtsextremismus in Mittel- und Osteuropa]

2 Kommentare


  1. Als Vertreter einer Minderheit,
    die keinen Staat und keine Regierung hat, zieht Romani Rose Parallelen zur Situation der Juden vor 1933:

    „Es gibt jüdische Menschen, die manchmal in Diskussionen die Bedeutung des Staates Israel für die jüdischen Menschen in der Welt manchmal gar nicht einschätzen können. Man muss nur die Situation vergleichen zwischen Juden und Sinti und Roma. Wir erleben heute einen gewaltbereiten Rassismus, der sich in Ländern Ost-Europas zeigt, mit all den Toten. Und ich habe nie gesehen, dass man davon von deutscher Politik dagegen mal die Stimme erhoben hätte.

    Wenn es den Staat Israel nicht mehr gibt, dann werden wir einen ganz anderen Antisemitismus haben, einen gewaltbereiten Antisemitismus, weil es die Stimme des Staates nicht mehr gibt, der die Situation der Juden verkörpert. Und wir können das am besten repräsentieren“.

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