Heute leben in Israel etwa 400.000 jemenitische Juden und ihre Nachkommen. Zwischen Juni 1949 und September 1950 wurden die meisten Juden aus dem Jemen nach Israel gebracht. Die Gemeinschaft bewahrte sich in Israel religiöse und kulturelle Traditionen. Während sich beispielsweise die jemenitische Küche großer Beliebtheit erfreut, gibt es andere Traditionen, die weniger bekannt sind.
So auch die Tatsache, dass Juden führende Silberschmiede im Jemen waren, berühmt für die besondere Herstellung von Filigran- und Granulationsschmuck, und der Großteil der Schmuckherstellung bis zur Mitte des 20. Jh. in ihren Händen lag. Die Traditionen haben sich erhalten, mitunter auf verschlungenen Wegen.
Wir haben mit Raz Akta gesprochen, der vor zwei Jahren zur Silberschmiedekunst fand. Im Interview erzählt er über die Tradition der Schmuckherstellung, seinen eigenen Weg und die Bedeutung, die er in dem jahrhundertealten Kunsthandwerk findet.
haGalil: Kannst du mir von dem Moment erzählen, in dem du das erste Mal traditionellen jemenitischen Schmuck gesehen hast? Was hat dich daran so fasziniert?
Raz Akta: Ich bin mit Kunst aufgewachsen, meine Mutter, Orit Akta, ist Malerin. Kreativität war also schon immer Teil meiner Welt. Aber von unseren jemenitischen Wurzeln wusste ich nur Oberflächliches: das Essen, die Feiertage, ein paar Familientraditionen. Im Jahr 2023 stieß ich zum ersten Mal auf ein Stück traditionellen Schmuck. Kurz darauf begann ich, bei einem Lehrer zu lernen, der mir die alten Techniken beibrachte.
Was ich dabei entdeckte, war viel tiefgreifender, als ich erwartet hatte. Traditioneller jemenitischer Schmuck fühlte sich heilig an, als wäre ich über etwas gestolpert, das auf mich gewartet hatte. Von diesem Moment an war ich völlig gefesselt. Seitdem lerne ich die Muster, übe die Techniken und finde durch meine Hände und mein Herz eine Verbindung zu meinen Wurzeln. Jedes Stück, das ich kreiere, ist Teil dieser Reise und eine Einladung an andere, darin ebenfalls etwas Bedeutungsvolles zu finden.
In dem Beitrag auf Deiner Webseite beschreibst du die Geschichte der jemenitischen Silberschmiedekunst und ihre Bedeutung in jüdischen Gemeinden. Könntest du zusammenfassen, was diese Tradition so einzigartig macht?
Im Jemen war Schmuck nie nur Dekoration, er hatte eine spirituelle Bedeutung. Jedes Stück wurde gemacht, um zu schützen, zu segnen und zu symbolisieren. Was die Tradition besonders einzigartig macht, ist, dass die jüdischen Silberschmiede des Jemen die Meisterhandwerker der Region wurden. Sie entwickelten eine außergewöhnliche Fertigkeit im Bearbeiten von Silber zu feinen Mustern und verwandelten Elemente aus der Natur in filigrane Designs, die sowohl Schönheit als auch Bedeutung in sich trugen. Die Arbeit ist zugleich technisch, künstlerisch und zutiefst spirituell.
Wie hast du dieses Handwerk gelernt und welche Fähigkeiten waren am wichtigsten?
Ich begann bei einem Lehrer, der mir die Grundlagen der Silberschmiedekunst vermittelte. Er selbst hatte in Israel gelernt und teilte alles, was er wusste. Von da an habe ich durch eigene Recherche, Experimente und das Erfinden von Techniken weitergemacht, blieb aber den traditionellen Methoden treu. Manche Muster lassen sich nur auf die alte Weise erreichen, was sehr komplex ist, wenn man nicht zuerst die Grundlagen der traditionellen Silberschmiedekunst versteht.
Die wichtigsten Fähigkeiten, die man beherrschen muss, sind der Umgang mit dem Feuer und dem Silber selbst. Ein Großteil meiner Arbeit geschieht mit Drähten, die nur 0,2 Millimeter dünn sind und Präzision und Geduld erfordern. Die Flamme wird fast wie eine Verlängerung meiner Hand. Ich muss wissen, wie sie sich verhält, wie sie mit dem Metall spricht. Das Handwerk läuft oft darauf hinaus, die Hitze für nur eine halbe Sekunde zu halten, bevor das Silber wegschmilzt, und sie so zu kontrollieren, dass zwei zerbrechliche Teile zusammengelötet werden. Dieses Gleichgewicht ist alles.
Du hast jemenitischen Schmuck als eine Sprache beschrieben, in der jedes Muster eine Bedeutung hat. Könntest du ein Beispiel für so ein Muster und seine Bedeutung nennen?
Ein Beispiel ist die Verwendung von Silbergranulaten und -applikationen. Oberflächlich betrachtet verleihen sie dem Stück Schönheit und Fülle, aber ihre eigentliche Aufgabe ist strukturell. Sie stärken das Stück und befestigen den gedrehten Silberdraht, bekannt als patal, in seinem Rahmen. Diese Granulate erscheinen in Clustern, die symbolische Muster bilden. Eine einzelne Kugel wird shadra genannt. Fünf Kugeln zusammen bilden eine Blume namens makmusa. Sieben erzeugen masbu’a, eine weitere Blume, und neun bilden matsu’a, ein rautenförmiges Motiv. Jede Anordnung hat sowohl eine ästhetische als auch eine symbolische Bedeutung, die selbst die kleinsten Details in einen Teil der Schmuck-Sprache verwandelt.
Kannst du uns den Prozess von einer neuen Idee bis zum fertigen Schmuckstück beschreiben?
Ich hetze nicht und produziere nicht in Massen. Jedes Stück wird mit Geduld und voller Aufmerksamkeit hergestellt, genau wie es Generationen vor mir taten. Jedes Design beginnt mit Recherche. Ich studiere alte Muster, Symbole und Techniken, damit sich auch meine eigenen Originalstücke in der Tradition verwurzelt anfühlen. Ich skizziere, plane und messe sorgfältig und denke dabei immer genauso viel darüber nach, wie sich ein Stück anfühlen wird, wie darüber, wie es aussehen wird.
Die Anfertigung selbst erfolgt mit traditionellen Werkzeugen und Methoden, Schneiden, Biegen, Löten und Formen von Hand. Ich heiße die Spuren des Prozesses, die Hammerschläge, die Flammenschatten, die kleinen Unregelmäßigkeiten, willkommen. Sie sind der Beweis dafür, dass ein Stück von menschlichen Händen mit Sorgfalt und Konzentration gemacht wurde. Für mich ist diese Arbeit heilig. Sie trägt Energie und Erinnerung. Es ist nicht nur Schmuck; es ist eine Art, etwas viel Älteres als mich selbst zu ehren und sicherzustellen, dass es weiterlebt.
Wer sind deine Kunden und wie ist ihre Verbindung zur jemenitischen Tradition?
Meine Kunden kommen aus der ganzen Welt und aus vielen verschiedenen Hintergründen. Einige sind jüdisch und suchen einen Weg, sich mit ihrem Erbe zu verbinden. Einige sind Jemeniten, die Nostalgie für ihre Vorfahren empfinden. Andere sind Muslime, die das Handwerk wertschätzen und respektieren und das Gefühl haben, dass es sie anspricht. Diese Tradition ist nicht auf eine Gemeinschaft beschränkt; sie soll geteilt werden. Sie gehört jedem, der sich mit ihr verbunden fühlt und sie feiern möchte.
Hat deine Arbeit mit jemenitischem Schmuck deine Perspektive und dein Verständnis deiner eigenen Identität verändert? Und was denkt deine Familie darüber?
Ich glaube, ich bin immer noch dabei, meine Identität zu finden, besonders in einer Welt, die sich oft überwältigend anfühlt. Was mich erdet, ist die alte Kultur, die Traditionen, die Tiefe und Bedeutung in sich tragen. Durch meine Arbeit habe ich das Gefühl, etwas zu schaffen, das nicht nur ein Objekt ist; es ist eine Verbindung, etwas, das mich an meine Herkunft bindet.
Meine Familie hat mich sehr unterstützt. Wir sind alle auf unsere Art Künstler. Meine Mutter, Orit Akta, ist Malerin. Meine Schwester ist ebenfalls Silberschmiedin. Mein Bruder ist Musiker. Ich wohne gerade bei meinen jemenitischen Großeltern und arbeite aus meinem Schlafzimmer, und ich würde diese Erfahrung gegen nichts auf der Welt eintauschen.