Der „singende Baum“

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Foto: Initiative Nippeser Edelweißpiraten

In Köln-Nippes gibt es ein neues Edelweißpiraten-Denkmal

Von Roland Kaufhold

350 Menschen fanden sich Ende April am Leipziger Platz ein, um das neue, institutionell unabhängige Edelweißpiraten-Denkmal einzuweihen. Und da das Wetter mitspielte war die Stimmung optimistisch und aufmerksam.

Das von dem Künstler Grigory Berstein – dieser war 1991 als Jude von Russland nach Deutschland übergesiedelt, weil er in Freiheit leben und als Künstler arbeiten wollte –  und dem Architekten Friedhelm Gauchel erstellte großformatige Denkmal „Singender Baum“ fand viel Anklang. Zahlreiche Besucher ließen sich davor ablichten.

Es steht auf einem großzügigen, baumreichen, stets gut besuchten Kinderspielplatz. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite der Blücher Straße, liegt das Leonardo Da Vinci Gymnasium. Die Schule hat sich die Erinnerung an die widerständigen Nippeser Jugendlichen in der Nazizeit, die sich Edelweißpiraten nannten, zu ihrem geschichtspolitischen Herzensangelegenheit gemacht. Dementsprechend gehörte sowohl eine Geschichtslehrerin als auch eine SchülerInnengruppe der Jury an – und entschied sich für das großformatige Denkmal Der singende Baum.

Die Initiative Nippeser Edelweißpiraten aus Marc Urmetzer, Heinrich Bleicher und Diana Siebert – letztere in ihrer Doppelfunktion als Vereinsgründerin und ehrenamtliche Bezirksbürgermeisterin – hatte es innerhalb von drei Jahren geschafft, die Denkmalidee an die widerständigen Nippeser Edelweißpiraten zu realisieren – einschließlich der Einwerbung zahlreicher Spendengelder. „In Köln kann also doch noch etwas fertig werden“ freute sich Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert. Und sie versprach: „Wir werden nicht nachlassen, an diese dunklen Kapitel unserer Geschichte zu erinnern. Denn nicht nur Mannheim oder Görlitz brauchen antifaschistisches Engagement, in Köln ist das ebenfalls nötig“. Die Jugendlichen Edelweißpiraten waren wegen ihres demokratischen Mutes von der Gestapo in großer Härte verfolgt wurden, was für ganz Köln nachweisbar ist. Peter Finkelgruen hatte dies in seinem Buch „Soweit er Jude war…“ (Finkelgruen 2020) im Detail nachgewiesen.

Die Geschichte der etwa 100 Jugendlichen aus Köln-Nippes, die sich dem Zwang zur Gleichförmigkeit und zum gesellschaftlichen Hass gegen Juden entzogen und sich 1943 zum Club der Edelweißpiraten zusammengeschlossen hatten, ist von der Initiative in einem eigenen Heft zusammengetragen worden. Die Broschüre kann auch online gelesen werden.  

So überrascht es nicht, dass unter den eingeladenen Ehrengästen auch Renate Liesmann-Baum – die Ehefrau des kürzlich verstorbenen Urliberalen Gerhart Baum – und dessen Freund Peter Finkelgruen weilten. Der in Dresden geborene Gerhart Baum hatte 1953 an eben diesem Nippeser Leonardo Da Vinci Gymnasium ein Abitur gemacht. Ohne Baum, Finkelgruen und Ulrich Klug hätte es in Köln wohl keine Rehabilitation der widerständigen Jugendlichen gegeben.

In der Broschüre wird über die Nippeser Edelweißpiraten ausgeführt:

„Wenn sich Jugendliche frei und „unorganisiert“ auf der Straße und in Parks trafen, wenn sie Ausflüge machten, musizierten und Lieder sangen, die den Naziwahn mehr oder weniger ausdrücklich angriffen (…) dann war das aus Sicht der Nazis bereits Widerstand. Auch ohne ausdrücklich politisches Programm, auch ohne hierarchische Strukturen mussten die unangepassten Jugendlichen lernen, ihre Treffen und Fahrten konspirativ abzusprechen und durchzuführen. Sie nannten sich Edelweißpiraten, Navajos und anderswie oder gaben sich keinen Namen. (…) Bis zu hundert Jungen und Mädchen trafen sich in Köln-Nippes am Leipziger Platz. Ihr Drang nach kultureller Freiheit und sozialer Gerechtigkeit war so groß, dass sie aus Privatheit und halber Illegalität heraus diesen und andere Plätze/Orte aufsuchten. Das war sehr gefährlich.“ 

Die Initiative und die Schule haben angekündigt, nun an diesem historischen Ort regelmäßig an den Mut zum widerständigen Handeln zu erinnern. Der Mut der Edelweißpiraten ist für sie ein Vorbild.

Das Nippeser Mahnmal ergänzt die kürzliche Benennung einer nahegelegenen neuen Straße nach der Nippeser Edelweißpiratin Gertrud „Mucki“ Koch. Das Denkmal und die 2016 verstorbene Mucki Koch, beides gehört zusammen.