Fast doppelt so viele antisemitische Vorfälle in Bayern

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Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern dokumentierte für 2024 im Freistaat 1515 antisemitische Vorfälle. Im Vergleich zu 2023 mit 761 Fällen ist das fast eine Verdoppelung. 80 Prozent aller Vorfälle zeichneten sich auch durch israelbezogenen Antisemitismus aus.

Wie aus dem jüngst veröffentlichten Jahresbericht von RIAS Bayern hervorgeht, dokumentierte die Einrichtung 557 Versammlungen, auf denen antisemitische Äußerungen verbal und/oder schriftlich getätigt wurden. Demnach ereignete sich mehr als ein Drittel aller Vorfälle im Kontext von Versammlungen, wobei 74 Prozent aller Versammlungen dem antiisraelischen Aktivismus zugerechnet wurden.

Mit den Schüssen auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München am 5. September wurde RIAS Bayern 2024 ein Fall extremer Gewalt bekannt. Die Zahl der bekannt gewordenen körperlichen Angriffe stieg von acht auf 15, die der gezielten Sachbeschädigungen von 32 auf 50. Die Zahl der Bedrohungen sank leicht von 32 auf 30, die der Massenzuschriften stieg von 24 auf 65. 1354 Vorfälle wurden als verletzendes Verhalten dokumentiert. Das sind zum Beispiel Direktnachrichten, E-Mails oder Versammlungen. In 343 Fällen waren als jüdisch und/oder israelisch bekannte Institutionen sowie Einzelpersonen durch eine direkte Adressierung betroffen.

„2024 war ein einschneidendes Jahr. Wir haben so viele antisemitische Vorfälle wie nie zuvor dokumentieren müssen. Neben dem Schock über die Massaker durch palästinensische Terrorgruppen und dem anhaltenden Schmerz über verschleppte und ermordete Geiseln, hat die massenhafte antisemitische Agitation auf den Straßen und im Netz seit dem 7. Oktober viele Jüdinnen und Juden auch in Bayern tief getroffen. Mangelnde Empathie hat viele weiter verunsichert“, sagte RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpacı.

36 Prozent aller Fälle waren dem antiisraelischen Aktivismus zuzurechnen, alle weiteren politischen Hintergründe bewegten sich im einstelligen Prozentbereich. In 52 Prozent der Fälle war für RIAS Bayern ein bestimmter politisch-weltanschaulicher Hintergrund nicht eindeutig zu erkennen. RIAS Bayern weist darauf hin, dass von einem großen Dunkelfeld auszugehen ist.

Zur Veröffentlichung des Jahresberichts 2024 von RIAS Bayern sagte Jessica Flaster, Vorsitzende des Verbands jüdischer Studenten in Bayern (VJSB): „Der drastische Anstieg antisemitischer Vorfälle bereitet uns im Verband jüdischer Studierender große Sorge. An bayerischen Universitäten herrscht seit dem 7. Oktober 2023 ein Klima der Angst, das ein unbeschwertes Studium unmöglich macht. Viele jüdische Studierende ziehen es vor, Online-Lernangebote zu nutzen oder ihre jüdische Identität auf dem Campus zu verbergen, da es einem Wagnis gleicht, als jüdisch erkennbar zu sein. Diese bedrückende Situation spiegelt sich in den Zahlen des Jahresberichts 2024 von RIAS Bayern wider.“

Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe und Schirmherr des Vereins für Aufklärung und Demokratie e.V. (VAD, Träger von RIAS Bayern) betonte: „Wir können dieser Entwicklung nicht tatenlos zuschauen, der wehrhafte Rechtsstaat ist zu handeln gefordert. Deshalb bin ich dankbar, dass die Polizei und die Justiz in Bayern ein waches Auge auf diese Straftaten haben und diese verfolgen. Und ich bin froh, dass die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern hier eine wichtige Anlaufstelle für betroffene Menschen ist. Ich kann Personen, die unter solchen Übergriffen – auch virtuellen Beleidigungen – leiden, nur bitten, sich an RIAS Bayern oder an die Polizei zu wenden. Zugleich sind wir als Gesellschaft gefordert, genau hinzuschauen und Solidarität mit Jüdinnen und Juden zu üben.“

Antisemitische Vorfälle, auch solche unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, können unter www.rias-bayern.de oder unter 089 1 22 23 40 60 gemeldet werden. RIAS Bayern existiert seit 2019, befindet sich in der Trägerschaft des Vereins für Aufklärung und Demokratie e.V. (VAD) und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.