„Was den jüdischen Staat betrifft, so ist seine Existenz bereits ein Faktum, das gefalle oder nicht… Die Delegation der UdSSR kann sich nicht enthalten, ihr Erstaunen über die Einstellung der arabischen Staaten in der palästinensischen Frage auszudrücken. Ganz besonders sind wir überrascht zu sehen, dass diese Staaten oder zumindest einige von ihnen sich entschlossen haben, militärische Maßnahmen zu ergreifen mit dem Ziel, die nationale Befreiungsbewegung der Juden zu vernichten.“
Der damalige Vertreter der UdSSR im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Andrei Gromyko, 1948, zitiert in: Jean Amery: Widersprüche. Frankfurt Berlin Wien 1980, S. 247
Von Martin Klein
Ilan Pappe hat Anfang 2024, also nach dem faschistoiden Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023, ein ca. 130 Seiten umfassendes Buch über die Geschichte des Nahostkonflikts veröffentlicht (1). Es handelt sich bei dem Verfasser bekanntlich um einen der „linken“ Szene zuzuordnenden antizionistischen Historiker und Aktivisten, der in diesem Umfeld große Anerkennung erfährt, während Kritiker manche seiner Äußerungen als antisemitisch bezeichnen.
„Al Aqsa Flut“ und „erstickende Besatzung“
Im ersten Satz des Buches spricht Pappe einführend von einem „Sturm“ der Hamas während der Operation „Al-Aqsa Flut“, wobei 1200 Israelis ihr Leben verloren hätten und 240 als Geiseln genommen wurden, wovon viele schon wieder zurückgekehrt seien. Die Israelis hätten bisher [Anfang 2024] 30.000 Palästinenser, davon ein Drittel Kinder, getötet. Der Konflikt habe allerdings nicht am 7. Oktober 2023, sondern im späten 19. Jahrhundert begonnen, als die ersten zionistischen Siedler in das damalige osmanische Palästina gekommen seien. Pappe meint weiterhin (S.120), dass es keine guten Gründe gebe, den anti-kolonialistischen Kampf der Palästinenser als Terror zu bezeichnen. „Wer es fassen kann, der fasse es (2)!
Vielleicht sollte er noch einmal in der Charta der Organisation nachlesen! Dort erführe er, dass Juden den ersten und den zweiten Weltkrieg verursacht hätten und der Zionismus nach Expansion vom Nil bis zum Euphrat strebe, und dabei keineswegs Halt mache, was die Protokolle der Weisen von Zion belegten!
Eine solche Darstellung verniedlicht nicht nur wegen der Wortwahl (Israelis „verlieren“ ihr Leben, ohne dass von Kindern die Rede ist, Palästinenser, davon ein Drittel Kinder, werden getötet) die kaltblütige Brutalität des Geschehens.
Sie verschweigt auch das seit dem siebten Jahrhundert schon im Koran (3) verfestigte Urteil der angeblichen Feindschaft der Juden gegen die Muslime. Diese wiederum galten nach dem Sieg Mohammeds als Menschen zweiter Klasse (Dhimmis), die man, da sie wehrlos waren, demütigen, entrechten und sogar in Pogromen ungestraft abschlachten konnte.
Pappe erwähnt Zahlen getöteter Palästinenser, die letztlich von der Hamas stammen und starken Zweifeln unterliegen. Dabei ist für ihn offenbar die (unabsichtliche) Tötung von palästinensischen, nicht aber die (absichtliche) von israelischen Kindern gleichwertig! Er verschweigt in seiner Beschreibung unfassbare Details wie die Verschleppung eines neun Monate altes Kindes, des Jungen Kfir Bibas, als Geisel nach Gaza. Immerhin zitiert er indirekt den „Horror“ der Hamas, den der UN-Generalsekretär Guterres relativierend zusammen mit der nach seiner Meinung erstickenden 56-jähriger Besatzung der Israelis kritisiert hat. Die Botschaft beider ist klar: Man müsse den Terror verstehen, den letztlich Israel verursacht habe.
Leider fehlt jeder Hinweis darauf, dass Israel keine erstickende Besatzung der dort lebenden Palästinenser durchgeführt hat oder durchführen kann, wie sich jedem, der eine Karte des Nahen Ostens zu lesen versteht, leicht erschließt. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass der südliche Gaza-Streifen bei Rafah eine circa 14 km lange Grenze im Süden mit Ägypten hat, welches bekanntlich ebenfalls von Arabern bewohnt wird, die wie die Palästinenser zur Umma, also zur islamischen Gemeinschaft aller Muslime gehören. Diese hätte leicht ihren palästinensischen Schwestern und Brüdern die nötige Hilfe gewähren können, wie viele andere Völker dies mit ihren Vertriebenen gehandhabt haben. Pappe hat auch (S. 77) Gaza und das Westjordanland als größte Gefängnisse der Erde bezeichnet.
Ich empfehle zu diesem Thema jedem, der Informationen nicht nur von antizionistischen „Aufklärern“ zur Kenntnis nehmen möchte, ein knapp zehnminütiges Video, welches von einem Palästinenser kurz vor dem 7. Oktober 2023 angefertigt wurde: Gaza that you never saw before. Filmed just before Oct 7th. Siehe auch: MEMRI).
Im Übrigen hat schon 1948 niemand Ägypten daran gehindert, geflohene palästinensische Brüder in ihren Ländern zu integrieren, statt sie im Gaza-Streifen im Stich zu lassen. Auch hätte zwischen 1948 und 1967 im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ostjerusalem ein palästinensischer Staat gegründet werden können. Aber Jordanien nahm zwar Flüchtlinge auf, annektierte aber das Westjordanland, während Ägypten fortan den Gazastreifen „verwaltete“! In Ostjerusalem wiederum – ebenfalls unter jordanischer Kontrolle – konnte zwischen 1948-1967 kein Jude mehr an seinem wichtigsten Heiligtum, der Klagemauer, beten, — entgegen UN-Resolution 194,7, die den freien Zugang zu den heiligen Stätten verlangte. Viel großzügiger agierten die Israelis nach dem gewonnenen Juni—Krieg 1967: Sie gestatteten den Muslimen nicht nur den Besuch, sondern sogar die Kontrolle über den Tempelberg (von ihnen al-Haram ash-Scharif genannt), ihr drittwichtigstes Heiligtum. Es war sogar den Juden—den Siegern— von ihrer eigenen Regierung verboten worden, dort —an ihrem heiligsten Ort!—zu beten.
Die im Buch mehrmals selbstverständlich gebrauchten Begriffe ethnische Säuberung oder Genozid stellen nichts anderes als eine moderne Ritualmordlegende dar. Zwar war die Vertreibung der Palästinenser nicht nur als Reaktion auf ihre Feindschaft gegenüber den Juden, aber sicher auch nicht aus rassistischen oder ethnischen Motiven erfolgt. Wieso hätte der Staat Israel sonst den zunächst nach dem Krieg unter Militärherrschaft lebenden Palästinensern in Israel selbst immer mehr Rechte einräumen sollen? Selbstverständlich war die Vertreibung für die palästinensische Bevölkerung schrecklich. Und wirkliche Apartheid gegenüber den Palästinensern gibt es höchstens in den meisten arabischen Ländern, die selbst in Jordanien nicht völlig gleichgestellt sind.
Aber: Es gab traurigerweise Abermillionen Vertriebene auf der ganzen Welt im 20. Jahrhundert. 1947 zum Beispiel wurden nach der Teilung Indiens ca. 14-17 Millionen Inder und Pakistani wechselseitig vertrieben (4)! Soll man ihnen ein Rückkehrrecht einräumen und dadurch ein totales Chaos kreieren? Ähnliches gilt für Bulgaren, Griechen, Türken, Polen, Ukrainer, Finnen und Deutsche (bei Letzteren handelte es sich um 12-15 Millionen oft mit großer Brutalität vertriebener Menschen) und viele andere. Was aber wäre mit den Deutschen im Osten nach dem von ihnen angerichteten Wahnsinn passiert, hätte man sie nicht vertrieben? Sollte man es befürworten, wenn pakistanische Terroristen in gleicher Weise wie die Hamas am 7. Oktober in Indien eindringen und dort 170.000 Menschen – also im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gleichviel wie in Israel -auf grausamste Art und Weise umbringen? Und wie würde Indien darauf wohl reagieren?
Krieg und Terror
Dass Israel sich gegen einen Feind wehrt, der sich selbst in Festungstunneln unter seiner schutzlosen Bevölkerung verschanzt und vor brutalem Terror und Mord an Kleinkindern und Frauen nicht zurückschreckt, sollte nur Menschen überraschen, die nicht denken können oder wollen. In Pappes Buch wird der Begriff Terror nach meiner Zählung siebenmal direkt erwähnt, allerdings scheint er fast nur etwas mit Juden zu tun zu haben. Beispiele: Flucht der Palästinenser aufgrund jüdischen Terrors (S. 55); Ermordung des schwedischen Diplomaten Folke Bernadotte (S. 60); Erwägung Arafats, auf bewaffneten Kampf zu verzichten (S. 91); Ermordung Rabins durch einen irrgeleiteten orthodoxen Juden (S. 98). Terror gibt es also fast nur bei Juden, die Palästinenser sind antikolonialistische Freiheitskämpfer, auch wenn sie Säuglinge und Kinder abschlachten.
Schon eine Woche nach der Teilungserklärung der Vereinten Nationen im November 1947 hatten Terroristen bereits hunderte von Juden getötet. Am Tag nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel (15. Mai 1948) wurde dieser von fünf arabischen Staaten unter vorheriger Androhung des Völkermordes überfallen. Pappe schreibt in seinem Buch (S.57), die Araber hätten bis zum Ende des britischen Mandats gewartet, um dann Truppen zur Beendigung der „ethnischen Säuberung“ zu senden. Das ist tatsächlich geeignet, die Herzen der Leser zu rühren, wenn man die Tatsache verschweigt, dass die arabischen Führer 1948 sich – wie die Zukunft beweisen sollte – in Wirklichkeit nicht um die Sache der Palästinenser scherten, sondern vielmehr um die Vernichtung des Staates Israel —verbunden mit der Ankündigung, dessen Einwohner ins Meer zu treiben.
Allerdings wurden die Vereinten Nationen am 24. Oktober 1945 von 51 Staaten gegründet, deren vorrangiges Ziel es angeblich war, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“ (5). Zu den Gründungsmitgliedern der UN gehörten 1945 unter anderem Ägypten, Syrien, Irak und der Libanon, vier Staaten, die zusammen mit Jordanien den völkerrechtlich anerkannten Staat Israel einen Tag nach seiner Gründung überfielen. Die rechtliche Grundlage der Mitgliedstaaten ist die Charta der Vereinten Nationen vom 24.10.1945. In Artikel 2,3 verpflichten sich die Mitglieder, ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so beizulegen, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden. Der Artikel 4 bestimmt, dass alle Mitglieder in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Drohung oder Anwendung von Gewalt unterlassen. Mit großer Selbstverständlichkeit und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verstießen somit die Araber gegen die Prinzipien, die sie selbst durch ihre Mitgliedschaft garantiert hatten. Sie bewiesen damit ihr taktisches Verhältnis zu UN—Beschlüssen, die sie nur in den Teilen akzeptierten, die ihnen genehm waren.
Konsequenzen – zum Beispiel Ausschluss aus den Vereinten Nationen- hatte dies nicht. Nach dem verlorenen Krieg weigerten sich die Araber bekanntlich, zu verhandeln und versuchten weiterhin, Israel durch Terror zu zermürben. Und sie versteiften sich darauf, nur Teile von UN- Resolutionen anzuerkennen, die sie begünstigten. Pappe tut Vergleichbares: Ein Beispiel hierfür ist die Seite 59, wo er schreibt, dass die Vereinten Nationen nach dem Unabhängigkeitskrieg die UN-Resolution 194 verabschiedet und damit ein Recht auf Rückkehr der geflüchteten Palästinenser bestimmt hätte. Er verschweigt erstens, dass es sich um einen Beschluss der UN- Generalversammlung gehandelt hat, die bekanntlich lediglich beratende Funktionen hat und keine rechtsverbindlichen Beschlüsse fassen kann. Er erwähnt auch nicht, dass diese Option für diejenigen Flüchtlinge galt, die mit ihren Nachbarn in Frieden leben wollten, was man damals, aber leider auch heute sicher nicht als von vornherein gegeben annehmen kann. Auch die Resolution 242 (S.83) wird von ihm irreführend wiedergegeben: Schon seine Formulierung, dass „in einer Version“ der Resolution der Rückzug Israels aus allen besetzten Gebieten verlangt würde ist verräterisch. Denn die offizielle englische Version verlangt den Rückzug „aus“ Territorien“, und nicht etwa aus aus allen Territorien, was auch gar nicht die Absicht der Verfasser war. Außerdem hätte Pappe mitteilen können, dass die Resolution forderte, dass jeder Staat in der Region innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhung und Gewalt leben kann. Er möge sich fragen, ob es eine solche Garantie seitens der arabischen Staaten gab. Wir alle wissen, war das Gegenteil der Fall.
Es kann keinen Zweifel geben, dass es auch jüdischen Terror schon vor dem Unabhängigkeitskrieg gab (z.B. zusätzlich zu den oben angegebenen der Anschlag auf das King David Hotel am 22. Juli 1946, bei dem die Verursacher allerdings den Schaden begrenzen wollten, indem sie vorher telefonisch warnten, aber nicht gehört wurden). Es ist aber äußerst einseitig, wenn Pappe zwar das von der Irgun verübte Massaker von Deir Yassin vom 8. April 1948 mit ca. hundert Toten (S. 56) erwähnt, nicht aber die Ermordung von 77 jüdischen Patienten, Krankenschwestern und Ärzten 7 Tage später, die sich in Bussen auf dem Weg zum Hadassah-Krankenhaus auf dem Skopusberg befanden—unter ihnen Chaim Yassky, der Ophtalmologe und Direktor der medizinischen Organisation des Krankenhauses, dessen Pionierwerk über das Trachom, eine oft zur Erblindung führende Augenkrankheit, zehntausenden Arabern das Augenlicht gerettet hatte (6).
Der Mufti und die Nazis
Wirklich lehrreich, was Desinformation angeht, ist Pappes Beschreibung des „großen Mufti“ von Jerusalem, Hadsch Amin al-Husseini, der die wichtigste Persönlichkeit der Palästinenser in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gewesen sei. Pappe verschweigt nicht, dass dieser eine Beziehung zu den deutschen Nationalsozialisten hatte; aber das sei ein „kurzer und bedeutungsloser Flirt“ (er schreibt tatsächlich „flirtation“) gewesen, der immer noch benutzt werde, um die Befreiungsbewegung der Palästinenser zu diskreditieren (S.39). Der Mufti, der fast den gesamten Zweiten Weltkrieg in Berlin, aber nur ein kurzes „Liebesspiel“ mit Adolf Hitler verbracht hat?
Hier ist doch eine Ergänzung notwendig: Schon 1920 wirkte der Mufti in Palästina als Brandbeschleuniger, als der Mob während des Nabi Musa Festes (Moses wird bei den Muslimen ebenfalls als Prophet verehrt) durch die Altstadt von Jerusalem zog unter dem Schlachtruf „Palästina ist unser Land; die Juden sind unsere Hunde“. Der Aufruf des Judenhassers, die Al-Aqsa Moschee zu verteidigen, da die Juden sie angeblich zerstören wollten, führte zusammen mit der Verbreitung von gefälschten Fotos eines Brandanschlags auf die Moschee zu Ausschreitungen gegen Juden und letztlich 1929 zum extrem grausamen Massaker von Hebron, bei dem 133 Juden getötet und weitere 339 verwundet wurden (7). Später „bewies“ der Mufti mit Hinweis auf die „Protokolle der Weisen von Zion“, dem zählebigsten Dokument des modernen Antisemitismus, vor der Untersuchungskommission ein jüdisches Komplott in Palästina (8). Verschwörungstheorien, wonach die Juden beabsichtigten, die Heiligtümer der Palästinenser zu zerstören, geistern als Folge permanenter Gehirnwäsche in palästinensischen Verlautbarungen bis heute immer noch in vielen Köpfen herum und werden agigatorisch eingesetzt, um die Massen aufzuwiegeln.
Spätestens ab 1937 wurde Hadsch Amin al-Husseini massiv von Nazideutschland unterstützt. Ohne diese hätte der Mufti laut seiner eigenen Aussage den späteren arabischen Aufstand nicht zuwege bringen können. Auch boykottierte er weiter arabisch- jüdische Verhandlungslösungen und räumte mit Widersachern unter den Palästinensern auf, die es ablehnten, auf Juden zu schießen, wie Küntzel schreibt (9). Über Bagdad, wo er sich als ein Vorbereiter des Farhud-Pogroms (s.u.) betätigte, dann aber vor den Engländern fliehen musste, gelangte er nach Zwischenstationen letztendlich nach Berlin, wo er sich als Gefolgsmann Adolf Hitlers 1941- 1945 aufhielt. Während dieser Zeit traf er hochrangige NS-Funktionäre wie Hitler, Himmler und Ribbentrop und beteiligte sich aktiv an der Anwerbung muslimischer Freiwilliger für die Waffen-SS.
Im Mai 1943 verhinderte er durch scharfen Protest bei Himmler die Rettung von 5000 jüdischen Kindern, die Eichmann gegen 20.000 im Ausland gefangenen Deutschen auslösen wollte, denn diese Kinder würden erwachsen werden und so das „jüdische Element“ in Palästina stärken. Er hatte Erfolg: Die 5000 Kinder wurden letztlich im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. (10). Am 7. Juli 1942 nahm er im deutschen nationalsozialistischen Rundfunk an die Araber gewandt kein Blatt vor den Mund: „Ihr müsst die Juden töten, ehe sie das Feuer auf euch eröffnen. Tötet die Juden, die euer Vermögen an sich gerissen haben und einen Anschlag auf eure Sicherheit planen. Araber Syriens, des Irak und Palästinas, worauf wartet Ihr? Die Juden haben vor, eure Frauen zu schänden, eure Kinder umzubringen und euch zu vernichten. Nach der muslimischen Religion ist die Verteidigung eures Lebens eine Pflicht, die nur durch die Vernichtung der Juden erfüllt werden kann. Das ist eure beste Chance, diese dreckige Rasse loszuwerden, die euch eurer Rechte beraubt und euren Ländern Unheil und Zerstörung gebracht hat. Tötet die Juden, steckt ihren Besitz in Brand, zerstört ihre Geschäfte, vernichtet diese niederträchtigen Helfer des britischen Imperialismus. Eure einzige Hoffnung auf Rettung ist die Vernichtung der Juden, ehe sie Euch vernichten“.(11)
Durch die massive Einflussnahme der arabischen Führung auf die britische Mandatsverwaltung, untermauert durch den mit Unterstützung der Nazis durchgeführten arabischen Aufstand von 1936-1939 sahen sich letztlich die Briten genötigt, im Mai 1939 eine komplette Einreisesperre für Juden nach Palästina zu verhängen. Nachdem schon 1938 auf der Konferenz von Évian bekanntlich 31 von 32 teilnehmenden Staaten zwar Krokodilstränen wegen der verfolgten Juden vergossen, aber jegliche Aufnahme von Flüchtlingen ausschlossen, war die Falle zugeschnappt! Indirekt haben somit die arabischen Führer als Verbündete der Nazis mitgeholfen, die Konzentrationslager und Gaskammern zu füllen. Aber das ist für Pappe alles nicht „signifikant“.
Unterdrückung der Juden in arabischen Ländern- ein verschwiegenes Problem
Pappes Aussage, die Juden hätten jahrhundertelang mit den Arabern als Nachbarn gelebt, seien dabei wohlhabend geworden und Antisemitismus habe es nur wenig gegeben (S.68f) erinnert an die Rechtfertigung der Sklaverei durch Ideologen der amerikanischen Südstaaten im 19. Jahrhundert, dass es ihren Sklaven gut gehe, weil ihre Herren für sie sorgten, wozu sie selbst nicht imstande seien. Seine Version geht so: Die Juden aus arabischen Staaten – ca 650 000 —hätten durch geheimdienstliche Machenschaften nach Israel gelockt werden müssen. Hier lässt er unberücksichtigt, dass es zwischen dem 7. und dem 20. Jahrhundert sehr plausible Gründe gab, warum Juden nicht mehr unter arabischer Herrschaft leben wollten.
Denn sie waren nach dem Sieg des Islam im siebten Jahrhundert in muslimischen Ländern Menschen zweiter Klasse. Das schließt nicht aus, dass je nach Grad des Wohlwollens ihrer Herrscher sie reich werden, oder wichtige politische Funktionen einnehmen konnten. Aber dieses Wohlwollen bot keine Sicherheit. Selbst der berühmte Maimonides, Leibarzt des Sekretärs von Sultan Saladin, musste im zwölften Jahrhundert nach der Invasion der Almohaden, die jüdische Gemeinden verfolgten, fliehen. 1172 fand er diesbezüglich deutliche Worte in seinem Brief an die Juden des Jemen (12).
Von ihrer Minderwertigkeit berichtet schon der Koran, in dem zu lesen ist, dass sie wegen ihres Unglaubens zu verabscheuten Affen (2,65) bzw. Affen und Schweinen (5,60) verflucht werden. In Medina haben die Araber unter Mohammed drei jüdische Stämme ihres Eigentums beraubt, sie vertrieben oder getötet, Frauen und Kinder versklavt. Danach durften die Besiegten als „Schutzbefohlene“ (Dhimmis) unter der Herrschaft der Muslime weiterleben, mussten aber eine Sondersteuer als erniedrigte Nichtmuslime zahlen (9,29). Sie durften keine Waffen tragen und keine neuen Kultstätten errichten; sie mussten besondere Abzeichen an ihren Kleidern tragen (die gelbe Kennzeichnung wurde nicht von den Nazis erfunden) beim Besuch öffentlicher Bäder mussten sie Schnüre mit Erkennungsmarken um den Hals hängen, damit man sie unbekleidet nicht etwa für Muslime hielt; nach den Vorschriften der Schiiten durften sie überhaupt nicht Badehäuser der Muslime benutzen. Sie hatten den Muslimen jederzeit Ehrerbietung zu zollen; Muslime durften keine Dhimmis beerben und umgekehrt, Dhimmis durften keine Musliminnen zur Frau nehmen. Das Zeugnis eines Schutzbefohlenen war vor einem muslimischen Gericht nicht zugelassen. Sie waren in Handel- und Finanzwesen vertreten wie auch in anderen verachteten Berufen und verrichteten in späteren Jahrhunderten in Ländern wie dem Jemen, im Irak, in Persien und in Zentralasien vorwiegend Drecksarbeit wie das Entleeren der Sickergruben (13).
Es blieb nicht bei beschwerlichen Restriktionen: In praktisch allen arabischen Ländern waren Juden zeitweise von Vergewaltigungen, Plünderungen, Folterung und Ermordung bedroht. Das erste bekannte Pogrom gegen sie ereignete sich 1033 in Fes/Marokko, also noch vor den Überfällen der Kreuzfahrer auf die Juden, als 5000-6000 Juden getötet wurden. (14). Es gab mindestens 30 Massaker an Juden in arabischen Ländern oder in Persien allein zwischen 1676 und 1947 (15). Drei Beispiele: Ende des 18. Jahrhunderts beschuldigten die muslimischen Einwohner von Täbris/Nordpersien einen jüdischen Händler des Ritualmordes an einem jungen muslimischen Mann, überfielen das jüdische Viertel der Stadt und töteten viele seiner Bewohner. Kleine Kinder wurden in die Luft geworfen, um sie aufzuspießen…Mündliche und schriftliche Berichte besagen, dass alle Juden in der Stadt ausgerottet wurden…Hinweise zeigten, dass mindestens einige 100 Juden getötet wurden. (16).
In Fès, Marokko begann 1912 ein Aufstand gegen die französische Besatzung und endete in einem Judenpogrom: Tausende plünderten das jüdische Viertel, Kinder wurden lebend von Dachterrassen geworfen, Frauen entführt und vergewaltigt. Hierbei starben mindestens 60 Menschen. Immerhin retteten Araber einige Familien, indem sie sie in ihre Häuser aufnahmen (17).
Edwin Black beschrieb in seinem Buch über den „Farhud“ (gewaltsame Enteignung) in Bagdad am 1. und 2. Juni 1941, dass nach sorgfältiger Vorbereitung — jüdische Häuser waren mit roter Farbe markiert worden— wehrlose Menschen mit Messern und Äxten auf offener Straße ermordet, Frauen vor ihren terrorisierten Familienangehörigen vergewaltigt und ihre Kinder ebenfalls vor ihren Augen ermordet wurden, auch, indem man sie von Dächern warf. Aufgeschlitzte Torsos waren in den Straßen ebenso zu sehen wie abgeschnittene Glieder, die als Trophäen geschwenkt wurden. Häuser und Geschäfte wurden geplündert und verbrannt; uniformierte arabische Polizisten beteiligten sich an den Massakern. Mädchen- Schulen wurden von Arabern überfallen, vergewaltigt, manchmal den Opfern die Brüste aufgeschlitzt. Britische Truppen, nur Minuten entfernt, erhielten den Befehl in ihren Quartieren zu bleiben (die Sorge der Briten galt den Ölquellen; sie intervenierten erst nach Tagen, als alles zu spät war). Der Präsident der jüdischen Gemeinschaft berichtete später, dass 586 Geschäfte und 911 Häuser in denen 3395 Familien lebten, geplündert worden seien. Offizielle Statistiken sprachen von 110 Toten und hunderten Verletzten, aber ein irakischer Historiker schätzte die Zahl der Toten auf ungefähr 600. Während Kundgebungen danach sang der Mob „How lovely if only a Farhud occurred every day“ (18).
Der 7. Oktober 2023 hat bewiesen, dass sich nichts geändert hat: Wie die Welt am 23.10.2024 berichtete, sah man zwei junge Frauen während einer Demonstration in Bonn entspannt lächelnd unter einem Plakat mit der Aufschrift „MAY EVERY DAY BE OCTOBER 7“ (19).
Wer glaubt, dass es sich bei diesen Vorkommnissen um seltene Einzelfälle handelte, lasse sich zum Beispiel durch das Buch von Nathan Weinstock Der zerrissene Faden. Wie die arabische Welt ihre Juden verlor, 1947 bis 1967 eines Besseren belehren.
Wie schnell monokausales Denken die Barriere zur Fälschung überschreiten kann, hat Benny Morris schon vor etwa 14 Jahren eindrucksvoll unter Hinweis auf Pappes Buch über die angebliche ethnische Säuberung Palästinas nachgewiesen, ich zitiere ein Beispiel: Am 2. Februar 1948, also während des jüdischen Unabhängigkeitskrieges, hatte ein junger Wissenschaftler David Ben-Gurion aufgesucht, um ihn bezüglich eines wissenschaftlichen Experiments mit Tieren zu informieren.
Pappe beschrieb diese Episode wie folgt: „Katzir berichtete Ben-Gurion: Wir experimentieren mit Tieren. Unsere Forscher trugen Gasmasken und entsprechende Kleidung. Gute Resultate. Die Tiere starben nicht, sie erblindeten nur. Wir können 20 Kilo pro Tag produzieren. (20, Übersetzung MK)
Was kann es für aufrechte Antizionisten Schöneres geben: Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der industriellen Judenvernichtung in Gaskammern experimentieren die Nachkommen dieser Juden mit Giftgas, welches zur Erblindung führt?
Wäre da nicht ein kleines Problem mit der Geschichte, worauf Morris in seinem Artikel hinweist: Sie ist eine komplette Fälschung. Die Tiere erblindeten nicht, sondern wurden lediglich geblendet—und diese Wirkung hielt nur 24 Stunden an, was Pappe ebenfalls nicht erwähnt. Im Übrigen ist festzuhalten, dass Juden im Unabhängigkeitskrieg niemals Gas eingesetzt haben, – wohl aber Araber, nämlich zum Beispiel die Ägypter unter Nasser gegen den Jemen in den sechziger Jahren und der Irak unter Saddam Hussein gegen die Kurden 1988. Auch das erfährt man von Pappe nicht.
Ein ernstzunehmender Historiker darf aber wichtige Sachverhalte weder verzerrt wiedergeben noch komplett unterschlagen, um eine bestimmte Agenda zu fördern, da ansonsten für Außenstehende der Gesamtzusammenhang nicht erfasst werden und eine korrekte Wertung der Ereignisse nicht resultieren kann.
Allerdings hat Pappe diesen Anspruch auch gar nicht, wenn man folgende Äußerungen seinerseits aus dem Jahr 1999 zur Kenntnis nimmt: „Wir sind alle politisch, ..es gibt keinen Historiker auf der Welt, der objektiv ist. Mich interessiert nicht so sehr, was passiert ist, sondern wie die Leute das Geschehene sehen..Tatsächlich geht es bei diesem Kampf um Ideologie, nicht um Fakten. Wer weiß schon, was Fakten sind? Wir versuchen, so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen, dass unsere Interpretation der Fakten die richtige ist, und wir tun dies aus ideologischen Gründen, nicht, weil wir nach der Wahrheit suchen“. (21)
Ilan Pappe. A Very Short History of the Israel-Palestinian Conflict. One world publications, Kindle Ausgabe 2024.
1) Pappe, Ilan. A Very Short History of the Israel–Palestine Conflict, 2024, (Kindle –Ausgabe) Introduction
2) NT, Mathäus 19,12
3) Adel T Khoury Der Koran. Arabisch Deutsch Gütersloh 2004, Sure 5,82: „Du wirst sicher finden, dass unter den Menschen diejenigen, die den Gläubigen am stärksten Feindschaft zeigen, die Juden und die Polytheisten sind. Und du wirst sicher finden, dass unter denjenigen, die den Gläubigen in Liebe am nächsten stehen, die sind, welche sagen: Wir sind Christen“
4) Ben—Dror Yemini Industry of lies 2017, S. 76
5) Präambel der Charta der Vereinten Nationen,
6) Gilbert M. Israel. A History, New York, 2008, S. 170.
7) Küntzel M. Nazis und der Nahe Osten, Berlin, Leipzig 2019, S 41.
8) Mallmann KM, Cüppers M. Halbmond und Hakenkreuz: Das Dritte Reich, die Araber und Palästina. Kindle Pos 306
9) Küntzel M. Djihad und Judenhass. Freiburg 2002, 152f
10) Mallmann Cüppers s.o. Kindle Pos: 2153f
11) Herf J. Hitlers Dschihad. Nationalsozialistische Rundfunkpropaganda für Nordafrika und den Nahen Osten. Vierteljjahreshefte Zeitgeschichte, München 2010, 274.
12) „Ihr wisst, Brüder, dass Gott aufgrund unserer Sünden uns mitten unter dieses Volk geworfen hat, die Nation des Ismail, die uns schwer verfolgt und Wege sucht uns zu schaden und zu erniedrigen. So hatte uns der Erhabene gewarnt… sogar unsere Feinde sind selbst Richter. Keine Nation hat Israel mehr geschadet, keine ist so weit gegangen uns zu erniedrigen und zu demütigen; niemand hat uns so herabgesetzt wie sie“ in: Stillman N. The Jews of Arabs lands Philadelphia 1979, 241 (Übersetzung: MK)
13) Lewis B. Die Juden in der islamischen Welt München 2004, 32-25.
14) Weinstock N. Der zerrissene Faden. Wie die arabische Welt ihre Juden verlor 1947 bis 1967. Freiburg, Wien 2020 162
15) scilogs.spektrum.de/un-zugehoerig/die-juden-unterm-halbmond-ging-es-ihnen- wirklich-gut/ Zugriff 040221.
16) Trigano S. Le Monde sépharade Paris 2006 Kindle-Pos. 8902-8908
17) Weinstock s.o. 184
18) Black, Edwin The Farhud. Washington, 2010, 288-307
19) https://schmid.welt.de/2024/10/17/ein-mordaufruf-gegen-juden-mitten-in-bonn
20) Benny Morris The liar as hero https://militero.wordpress.com/wp-content/uploads/2011/06/the-liar-as-a-hero.pdf Zugriff 02.02.2021
21) Interview Baudouin Loos Brüssel, 29. November 1999 https://archive.ph/a9aH Archiv le soir