Verbrannt, verbannt und fast vergessen

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Der Hamburger Journalist und Autor Heinz Liepman (1905 - 1966) schildert in packenden Episoden die Konfrontation mit den neuen Machtverhältnissen. „Das Vaterland“ erschien als einer der ersten deutschsprachigen Exilromane bereits im Jahr 1933. Im Pendragon Verlag erschien soeben eine Neuausgabe.

Von Wilfried Weinke

© Sammlung Weinke

Heinz Liepman, 1905 in Osnabrück geboren, wuchs in einem assimilierten jüdischen Elternhaus in Hamburg auf. Noch vor Ende des Ersten Weltkrieges wurde er Vollwaise. Von 1918 bis 1921 lebte er unter der Obhut seines Onkels in Bielefeld. Nach unterschiedlichsten Berufserfahrungen kehrte Liepman 1926 wieder nach Hamburg zurück, wo er als freier Schriftsteller arbeitete. Seine in kurzer Folge erschienenen autobiographisch gefärbten Romane „Nächte eines alten Kindes“, „Die Hilflosen“ und „Der Frieden brach aus“ machten ihn auch international bekannt. Entschiedene Stellungnahmen gegen Antisemitismus wie die erstarkenden Nationalsozialisten mündeten in eindeutiger Gegnerschaft.

Daß Liepman ein heute fast vergessener Schriftsteller ist, hängt wesentlich mit der politischen Zäsur des Januar 1933 zusammen. Nur drei Monate nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten, am 26. April 1933, erschien in der „Berliner Nachtausgabe“ ein Artikel mit der Überschrift „Schriftsteller auf der Schwarzen Liste“. Quasi am Vorabend der Bücherverbrennung vom Mai 1933 ließ der Artikel es nicht an Deutlichkeit vermissen. Im Untertitel stand: „Die Berliner städtischen Büchereien werden gesäubert. Der Schund wird öffentlich verbrannt.“ Zu den aufgelisteten Autoren gehörte neben Bertolt Brecht, Max Brod, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Egon Erwin Kisch, Heinrich und Klaus Mann, Thomas Plivier, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Arnold und Stefan Zweig auch Heinz Liepman.

Als Jude und Sozialist öffentlich gebrandmarkt, floh er noch im gleichen Jahr ins Exil. Zwei Jahre später, am 11.Juni 1935, wurde im „Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger“ die vom Reichsminister des Innern getroffene Aberkennung der Staatsbürgerschaft Heinz Liepmans bekanntgegeben. Wieder befand er sich in guter Gesellschaft. Am gleichen Tag wurden Bertolt Brecht, Nachum Goldmann, Rudolf Hilferding, Kurt Hiller, Max Hodann, Erika Mann, Walter Mehring, Kreszentia Mühsam, Erich Ollenhauer, Justin Steinfeld und Friedrich Wolf ausgebürgert. In der Begründung hieß es: „Heinz Liepmann, jüdischer Schriftsteller, treibt in aller Welt üble Greuelhetze durch seine Schriften und in öffentlichen Vorträgen.“

Liepman floh vermutlich im Frühsommer 1933 aus Deutschland nach Frankreich. Hier schrieb er seinen Roman „Das Vaterland. Ein Tatsachenroman aus dem heutigen Deutschland“. Liepman verbürgte sich für die Authentizität des Romans und widmete sein Buch „den in Hitler-Deutschland ermordeten Juden.“ „Die Juden waren keine Gegner. Daß man sie foltert und mordet, noch jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, während die Sonne scheint, Kinder spielen, Menschen atmen, Blumen wachsen, – jetzt in diesem und in jedem Augenblick, das ist das, was mich nicht schlafen lässt“, führt Liepman aus. „Zwar erließ die deutsche Regierung ein Gesetz, das den Juden verbot, Rinder und Kälber auf ihre Art zu schlachten. Aber kein Gesetz erschien, das verboten hätte, die Juden selbst zu schlachten, hundertmal grausamer, als je ein Tier geschlachtet wurde, und niemals – seit dem 30.Januar 1933 – ist ein Mensch betraft worden, der einen Juden ermordete. Trotzdem hätten Deutsche im Juden nie etwas anderes als einen Mitmenschen gesehen, hätten die Minister der Regierung Hitler nicht selber unterbrochen sozusagen: amtlich zu Pogromen gehetzt.“

Liepmans Roman erschien im November 1933 im Amsterdamer Verlag Van Kampen & Zoon. Da er in seinem Buch zwischen dem Osthilfe-Skandal und der Ernennung des greisen Hindenburg zum Reichspräsidenten eine Verbindung hergestellt hatte, wurde er am 13. Februar 1934 in Amsterdam wegen „Beleidigung eines befreundeten Staatsoberhauptes“ verhaftet. Am gleichen Tag stand im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“, dass die Verbreitung von Liepmans deutschsprachigem Buch im Inland verboten ist. Bereits eine Woche nach seiner Inhaftierung wurde er zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte gleichzeitig angekündigt, dass man ihn nach Haftverbüßung nach Deutschland abschieben würde. Ein breite Solidaritätsbewegung setzte ein, zahlreiche Presseartikel, insbesondere in der deutschsprachigen Exilliteratur, erschienen, den inhaftierten Schriftsteller erreichten Solidaritätsbekundungen von Albert Einstein und Lion Feuchtwanger.

Der großen Presseresonanz und den einhelligen Stellungnahmen war es vermutlich zu verdanken, dass Liepman im März 1934 nach Belgien abgeschoben wurde. Sein beschlagnahmtes Buch konnte wieder in Holland erscheinen, allerdings ohne die inkriminierte Passage.

Nach Kriegsende arbeitete Liepman in Hamburg als freier Journalist und Autor für diverse Zeitungen und illustrierte Magazine sowie als (Hörspiel-) Übersetzer. Gemeinsam mit seiner Ruth, die er 1949 heiratete, gründete er die noch heute erfolgreiche Literaturagentur Liepman. Er schrieb Feature für den Norddeutschen und Süddeutschen Rundfunk. Seit 1959 war regelmäßiger Beiträger für die Tageszeitung „Die Welt“. 1961 verlegten die Liepmans ihren Wohnsitz nach Zürich; Heinz Liepman nannte es seine „zweite Emigration“. Als aufmerksamer Beobachter der deutschen Politik und Literatur setzte er sich kritisch mit Antisemitismus und Philosemitismus auseinander, berichtete über den Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main und plädierte entschieden für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung.

Heinz Liepman starb 1966 in seinem Haus in Agarone. Nachrufe trugen Überschriften wie „Einer der letzten aus der Zeit der Symbiose“. Hans Lamm, der Kulturreferent des „Zentralrats der Juden in Deutschland“, würdigte ihn als „einen gefallenen Kämpfer“ oder als „einen großen Publizisten.“ 1979 und 1986 wurden Liepmans antifaschistischen Romane „Das Vaterland“ und „…wird mit dem Tode bestraft“ nochmals neu aufgelegt. Es war dies allerdings eine kurze Renaissance, die Liepman zudem auf seine Exilromane reduzierte. Die Entdeckung und Würdigung seines gesamten, höchst unterschiedlichen Oeuvres steht noch aus.

Heinz Liepman, Das Vaterland. Mit einem Nachwort von Wilfried Weinke. Pendragon Verlag 2025, 280 S., € 22,00, Bestellen?