Waffenstillstand im Norden

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Truppen der Shaldag-Einheit drangen gestern bis zum Litani-Fluss im östlichen Teil des Südlibanons vor, Foto: IDF Sprecher

Um 4 Uhr morgens ist das Abkommen über eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Libanon in Kraft getreten. Es gilt zunächst für 60 Tage, in denen sich Hisbollah aus dem Gebiet südlich des Litani-Fluss zurückziehen soll, wie es die ursprüngliche UN-Resolution 1701 vorsieht. Gleichzeitig werden die israelischen Truppen aus dem Libanon abziehen.

Die Einhaltung des Abkommens sollen neben den UNIFIL-Blauhelmen, die ein Vordringen der Hisbollah in der Vergangenheit in keiner Weise verhinderten, libanesische Soldaten, sowie ein internationales Gremium unter amerikanischem Vorsitz überwachen. Israel wird in Abstimmung mit den USA auf jede Verletzung dieses Abkommens sofort reagieren und behält sich die „volle militärische Handlungsfreiheit“ vor.

Noch bis kurz vor dem Inkrafttreten des Abkommens flog die israelische Luftwaffe schwere Angriffe, die vor allem die Finanzstruktur der Hisbollah zum Ziel hatte.

Im Libanon kehrten bereits Tausende Bewohner nach Nabatäa und Tyros zurück und feierten. Auch in Beirut, vor allem im Hisbollah-Vorort Dahieh, wurde gefeiert. Hisbollah Flaggen waren überall zu sehen. In den Dörfern an der Grenze zu Israel bleiben vorerst israelische Truppen, die Bewohner können nicht zurückkehren.

Wie es auf der israelischen Seite weitergeht, ist noch ungewiss. Premier Netanyahu gab zwar gestern das Abkommen über eine Waffenruhe bekannt, rief die Bewohner der evakuierten Ortschaften und Städte im Norden aber nicht dazu auf, nach Hause zurückzukehren. Ca. 60.000 Menschen leben seit fast 14 Monaten nicht in ihren Häusern. Viele Ortschaften sind stark zerstört. Vor dem Armeehauptquartier in Tel Aviv gab es am Abend wütende Demonstrationen von Bewohnern des Nordens gegen das Abkommen. Sie fürchten, dass auch dieses Abkommen Hisbollah nicht davon abhalten wird, erneut im Süden des Libanon zu operieren und damit die unmittelbare Bedrohung bestehen bleibt.

Ein Aufatmen ist dennoch zu spüren. Insgesamt wurden seit Beginn des Krieges 19.500 Raketen aus dem Libanon nach Israel geschossen, 9000 davon seit Ende September, also seit dem israelischen Einmarsch im Libanon. Betroffen waren seitdem nicht nur die Orte in Grenznähe und die Stadt Kirjat Schmona, sondern fast der gesamte Norden des Landes, vom Golan und Galiläa über Haifa bis hin ins Zentrum des Landes. Vor allem in Naharija, Akko und Haifa gab es täglich mehrmals Raketenalarm. 

Die Sorgen der evakuierten Bewohner sind aber mehr als verständlich und die Zweifel, ob das Vorgehen von Hisbollah überwacht und entsprechend begrenzt werden kann, sind berechtigt.

Die Familien der Entführten forderten erst gestern noch, dass jeder Waffenstillstand oder jede Vereinbarung mit Hisbollah auch eine ausdrückliche Forderung nach der Freilassung der Geiseln enthalten müsse. Das ist nicht passiert. Am Morgen berichtete aber die Nachrichtenagentur AFP, dass ein hochrangiger Vertreter von Hamas erklärt habe, Hamas sei bereit, einen Waffenstillstand im Gazastreifen auszuhandeln. Man habe Vermittler in Ägypten, Katar und der Türkei darüber informiert, dass Hamas zu einem Waffenstillstandsabkommen und einem Abkommen zum Gefangenenaustausch bereit sei. Für die verbliebenen israelischen Geiseln, etwa die Hälfte der 101 Geiseln ist noch am Leben, ist jeder Tag zu viel. Es gibt keine Ausreden mehr für die israelische Regierung. Es muss ein Abkommen geben, ein Abkommen, das alle Geiseln beinhaltet!