Was vorgestern als Gerücht begann, scheint gerade in trockene Tücher zu kommen. Offensichtlich will Israels Premier Netanyahu seinen Verteidigungsminister austauschen, mitten im Krieg. Stattdessen soll Gideon Saar (Die neue Hoffnung – Vereinte Rechte) den Posten übernehmen. Ein politisches Kalkül Netanyahus, das seine Regierung stabilisieren soll.
Der Vorwand von Netanyahu für den Postenwechsel ist die Tatsache, dass Verteidigungsminister Gallant verhalten ist in Bezug auf eine große Offensive im Norden. Saar, der ursprünglich aus dem Likud stammte und diesen nach erfolglosen Versuchen, sich als Gegenkandidat zu Netanyahu zu präsentieren, verlassen hat, schlägt andere Töne an.
Auch wenn die Rückkehr der Bewohner im Norden in ihre Häuser seit gestern Nacht offiziell zu den Kriegszielen gehört, und der Druck auf die Regierung groß ist, eine Offensive zu starten, gibt es deutliche Warnungen davor. Denn eine Offensive könnte zu einer größeren regionalen Eskalation führen. Und am Ende wird es in jedem Fall eine diplomatische Lösung geben müssen, denn die Hisbollah kann Israel nicht ausschalten.
Tatsächlich ist Yoav Gallant Netanyahu schon seit längerem ein Dorn im Auge. Im vergangenen Jahr hatte Gallant vor den Folgen der Proteste gegen die sog. Justizreform gewarnt. Netanyahu hatte ihn daraufhin entlassen, was zu spontanen Massenprotesten führte, der „Gallant-Nacht“, wie sie in den israelischen Medien genannt wurde. Bereits gestern kam es erneut zu Protesten, diesmal vor dem Wohnhaus von Gideon Saar in Tel Aviv. Eine zweite Gallant-Nacht könnte es schon heute Abend geben. Im Übrigen steht Saar der Justizreform, wie sie von Justizminister Levin geplant ist, ablehnend gegenüber. Offensichtlich einigte man sich mündlich darauf, dass die weiteren Schritte nur mit Zustimmung aller Koalitionspartner vorangetrieben werden. Zumindest diese „Front“ wäre mit Saars Eintritt also ruhiger. Ein schwacher Trost.
Denn der Skandal an der Geschichte ist, dass Saar für den Posten als Verteidigungsminister nicht geeignet ist. Der Jurist war in der Vergangenheit Justiz-, Innen- und Bildungsminister. Mitten im Krieg jemanden auf den Posten zu setzen, der keine genaue Kenntnis der Armee, ihrer Strukturen und Vorgehensweisen hat, ist schlichtweg kompletter Wahnsinn.
Seit gestern zitieren die Medien Saar hoch und runter, der seit seinem letzten Rückzug aus der Regierung Netanyahus keine Gelegenheit ausließ, Netanyahu scharf zu kritisieren und sogar in einer Talkshow eine Erklärung unterzeichnete, nach der er nicht mehr mit ihm in einer Koalition sitzen würde. Offensichtlich ist das aber alles vergessen, was wohl mit der Tatsache zusammenhängt, dass seine Partei nach Umfragen nicht Teil der nächsten Knesset wäre. Für Netanyahu wäre Saar vor allem die Lösung in Bezug auf die Regelung der Wehrpflicht der Ultraorthodoxen. Denn hier droht seine Koalition auseinander zu brechen und Gallant ist zu keinem Kompromiss bereit.
Eine Lösung im Norden würde sich im Übrigen durch ein Abkommen mit Hamas abzeichnen. Doch auch ein solches Abkommen scheint mit Saars Eintritt in die Regierung in die Ferne zu rücken.