Rote Flora – Feindliche Übernahme gescheitert

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Foto: Katharina Schipkowski

An der Hamburger Roten Flora veranstalteten etwa 50 Palästina-Aktivist*innen am 14. Mai eine symbolische Besetzung des autonomen Zentrums, um es zu übernehmen.

Von Gaston Kirsche
Der Beitrag erschien zuerst in: Jungle World 24/2024

Vom großen Balkon im ersten Stock des ehemaligen Theatergebäudes hing für fünf Minuten eine überdimensionale Fahne Palästinas herab, am Geländer ein Transparent, auf dem „Good night, white Flora“ stand, daneben eine Handvoll Personen mit kämpferisch erhobener rechter Faust. Gleichzeitig bauten sich auf der breiten Eingangstreppe etwa 50 Palästina-Aktivist*innen auf, die ein Banner mit der Aufschrift „Häuser ohne Linke für Linke ohne Häuser“ hochhielten und „Free Palestine!“ skandierten.

Diese kurze Operette spielte sich an einem Dienstagnachmittag ab, kaum jemand hätte es wohl mitbekommen, wenn die Palästina-Aktivist*innen nicht selbst für Aufnahmen gesorgt hätten, die auf diversen Kanälen, auf Youtube, Instagram und X, hochgeladen wurden. „Ich war tatsächlich zufällig vor Ort“, so Katharina Schipkowski im Gespräch mit dem Autor. Die Journalistin der taz machte schnell ein Foto: „Die Aktion dauerte keine fünf Minuten“.

In einer Pressemitteilung unter dem Label „RoteFlora4Palestine“ wurde deutlich, was die „symbolische Besetzungsaktion“ eigentlich bezweckte: Unter der Überschrift „Linke Palästina-Aktivisten besetzen Dach der „Roten Flora“ in Hamburg – Aufruf zur Wiederaneignung linker Zentren“ wurde versucht, Ansagen zu machen gegen „das verantwortliche Hausplenum der Roten Flora, in dem sogenannte ‚Antideutsche‘ tonangebend sind“. Zum „ersten Video“ und Statement zur Aktion wurden die Links verschickt.

„Dies ist der erste Schritt von mehreren, die dazu führen werden, dass antiimperialistische, migrantische und palästinensische Linke den Ton in diesem Haus angeben werden“, verkündet eine mit Kufija vermummte und verpixelte Person in dem vor der Flora aufgenommenen Video: „Wir brauchen Infrastruktur, und die werden wir uns jetzt nehmen!“ Mehr noch als in dem Statement zeigt sich in dem Video ein Spannungsbogen zwischen einerseits dem Versuch, wortgewaltig und supermilitant dabei zu wirken, die Rote Flora übernehmen zu wollen; und andererseits der Tatsache, dass einfach nur jemand draußen auf der Straße steht und sich darüber beklagt, was alles in der Roten Flora schieflaufen würde. Dass man für „Hunderttausende, die wissen, dass der Faschismus kommt“, Häuser brauche, „in denen wir nicht um Veranstaltungsorte betteln müssen“, klingt absurd und ist es auch. Auch die einzelne Person, die im Video lamentierend vor dem Gebäude steht, wirkt nicht so, als ob Hunderttausende auf diese Erklärung gewartet hätten.

In dem Video werden Fotos von einer Demonstration eingeblendet, die von der Roten Flora zum Zentrum der antiimperialistischen Szene Hamburgs führte, der „B5“ in der Brigittenstraße – laut Video aus dem Jahr 2010, real: 2009. Ein Transparent gegen Antisemitismus ist zu sehen, sowie Fahnen Israels und eine der USA – von Teilnehmenden mitgeführt. Offensichtlich soll so eine antideutsche Ausrichtung der Roten Flora skandalisiert werden. Was bezeichnenderweise in dem Video der Aufregung nicht erwähnt wird: Die Manifestation richtete sich gegen die Verhinderung einer Aufführung des Filmes „Warum Israel“ von Claude Lanzmann im kleinen Kino „B-Movie“ im Hinterhof des antiimperialistisch ausgerichteten Zentrums „B5“ – und sorgte dafür, dass der Film im zweiten Anlauf gezeigt werden konnte. In einer konfrontativen Atmosphäre: Entlang der Demonstrationsroute waren Parolen gesprüht worden: Etwa „Smash Zionism“ oder „Antideutsche klatschen“. An den Eingang des Kinos wurde geschrieben „Intifada bis zum Sieg“.

In dem Statement, das auf mehreren sich links verstehenden Internetportalen eingestellt ist, die gleiche aufschneiderische Sprache voller Drohungen: Hier geht es nicht um Auseinandersetzung und Debatte oder Kritik – hier geht es um das Recht des Stärkeren. Es wird noch nicht einmal versucht, gewaltfrei zu erscheinen: „An die ‚Rote‘ Flora: „Wir gehen in das Haus, machen unsere Sache, und wenn ihr wollt, könnt ihr mit uns reden. Aber euer Plenum gibt es für uns nicht“. Anstatt die Selbstorganisation zu respektieren, die Ansage: „Schmeißen wir die imperialen NATO-Linken und ‚antideutschen‘ Israel-Fetischisierer raus! Es ist längst an der Zeit“.

Am nächsten Abend traf sich, wie Mittwochs üblich, das Plenum der Roten Flora. Es war wohl sehr gut besucht, es soll lebhaft diskutiert worden sein. Und es wurde auf die Schnelle eine Erklärung beschlossen, die auf der Website des Zentrums steht. Das „gezeigte autoritäre Auftreten mitsamt der Drohgebärden lehnt die Rote Flora politisch ab“, heißt es dort: „Die Form und die Inhalte der Aktion offenbaren ein antisemitisches Weltbild. Menschen, die diese Haltung vertreten, fühlen sich in der Roten Flora zurecht nicht willkommen“. Die Rote Flora lasse sich nichts von außen aufzwingen: „Die inhaltliche Diskussion lassen wir uns nicht von außen bestimmen“.

Zwar hat es seit dem 14. Mai keine weiteren gegen das autonome Zentrum gerichteten Aktionen gegeben hat, aber die Empörung unter undogmatischen, radikalen Linken ist in Hamburg groß – bietet die Rote Flora doch vielen Aktivitäten dieses Spektrums seit Jahrzehnten einen Resonanzraum. Nicht konfliktfrei, aber ohne autoritäre Machtpolitik.

Aber wer sind die Leute, die die Balkonbesteigung im Namen Palästinas veranstaltet haben, fragen sich derzeit viele Linke in Hamburg. Erträgt da jemand keinen radikalen linken Pluralismus? Oder das Banner der Roten Flora nicht, auf dem steht: „Free the world from Hamas“?

„Keine Ahnung, meines Wissens gibt es kein Bekenntnis einer real existierenden Gruppe aus Hamburg dazu“, antwortet Felix Krebs, antifaschistischer Autor und langjähriger Aktivist im Gespräch mit dem Autor. Anfragen des Autors hierzu wurden von den in Palästina-Aktivitäten in Hamburg auftretenden Gruppen Thawra, Free Palästina Hamburg, Hamburg to Palestine oder der Palästina Allianz Hamburg innerhalb eines Monats nicht beantwortet. So haben sie sich von den Drohungen gegen die Rote Flora nicht distanziert.

„Die Rote Flora ist ein Ort, den man gegen die Hamas-Versteher-Freunde verteidigen muss“, erklärt Thomas Ebermann: „Ich hoffe, die Kraft der schmelzenden systemkritischen Linken, fernab vom Konsens der Demokraten, reicht dafür aus“. Viele radikale Linke, welche die Rote Flora 1989 mit besetzt haben, sind mittlerweile über Hamburg verstreut und nicht in den linken Szenetreffs präsent, sondern in einem geänderten sozialen Umfeld. „Klar finde ich es mit meinen Kolleg*innen oft begrenzt, die Revolution plant man nicht zusammen, aber der Austausch mit ihnen ist mir lieber, als mich mit Antisemit*innen und Israel-Hassern rumschlagen zu müssen wie jetzt die Rote Flora«“, so Paula im Gespräch mit dem Autor.

Flora Besetzung 1989, Foto: Archiv Kollektiv

Von denen, die in den Anfangsjahren in der Roten Flora mitgemischt haben, verstehen einige die Bedrohung des Zentrums als Angriff auf die eigene Geschichte: „Bei der Besetzung ging es darum, einen nichtkommerziellen Raum zu schaffen, in dem ein freier Austausch möglich ist, was ja auch seit vielen Jahren funktioniert so gut es eben geht“, betont Sabine im Gespräch mit dem Autor: „Ich bin wütend, dass dieser Raum jetzt von irgendeiner Palästina-Solidaritäts-Gruppe kontrolliert und den jetzigen Nutzer*innen weggenommen werden soll!“

Zumal für die beiden Videos von der Aktion der Kanal „redstreamnet“ genutzt wurde, der den Account des russischen Propagandaformats „redfish“ auf der Plattform X nach dessen Verbot übernahm und Recherchen des Tagesspiegels zufolge als dessen Nachfolger angesehen werden kann. Auch der islamistischen Huthi-Miliz und der islamistisch-schiitischen Hisbollah wird dort Raum geboten. Die Video wurden kurz darauf über den Instagram-Account „Salah_Said90“ verbreitet, auf dem auch Propaganda der Hamas geteilt wird. Der Instagram-Account der Zeitung Junge Welt repostete das Video und druckte das Statement der Balkonbesteiger*innen neben einem Artikel, in dem die Autorin Susann Witt-Stahl die Aktion sehr wohlwollend beschrieb, ergänzt um weitere Vorwürfe gegen die Rote Flora, etwa: „Die Tatsachenbehauptung, dass Israel ‚Brückenkopf des US-Imperialismus‘ im Nahen Osten ist, wurde als ‚antisemitische Stereotype‘ diskreditiert“.

Mit etwas zeitlichem Abstand wirkt zumindest die Bedrohung der Roten Flora nicht ganz stark: „Ich halte es für Maulheldentum“, so Felix Krebs Ende Mai: „Ich denke, dass die antiautoritäre, undogmatische Linke in Hamburg viel stärker ist, als diese Gruppierung. Und dass die fünfminütige Besetzung in erster Linie ein gelungener medialer Coup war“. Durch die lange Geschichte der Roten Flora, ihre legendäre Standhaftigkeit und kreatives Agieren gegen Räumungsversuche, Bespitzelung und antilinke Hetze von Schill über G20 bis hin jetzt zur Palästina-Szene einerseits und ihre Offenheit für unterschiedliche Strömungen der radikalen Linken hat das Zentrum eine große Bedeutung in Hamburg. „Die sooo lange zurückliegenden Kämpfe um die Rote Flora haben sich gelohnt“, bringt es Thomas Ebermann auf den Punkt und muss nicht lange nachdenken, um etwas positives über das Zentrum zu sagen: „Immer wieder, hatte ich dort Podiumsdiskussionen und einige mir besonders wichtige Vorträge hatten dort ihre erste Aufführung, auch theatralisches durfte ich dort inszenieren – sehr schlechte Technik, sehr gutes Publikum, also wie es sich für ein autonomes Zentrum ohne Förderung durch den Staat gehört“.

In den Auseinandersetzungen zwischen autoritären antiimperialistischen Linken und antiautoritären emanzipatorischen Linken war die Rote Flora oft mittendrin und hat interveniert, wenn autoritäre Angriffe stattfanden – und keine Konflikte mit anderen Ansichten über Stärke abgewürgt. So hat die Rote Flora zwar im April der „Hamburger Initiative gegen Antisemitismus“ kurzfristig den Raum für die Veranstaltung „Israel seit dem 7. Oktober — ein Blick von innen“ mit Oliver Vrankovic entzogen, aber auf ihrer Website auf den neuen Veranstaltungsort und den Kontakt zur Initiative hingewiesen. Ganz anders der dem antiimperialistischen und selbstverständlich palästinasolidarischen Roten Aufbau verbundene Halil Abi, der auf X schrieb: „Am 15.04. spricht der rechte und rassistische Blogger Oliver Vrankovic auf Einladung der ‚Hamburger Initiative gegen Antisemitismus‘ in der Roten Flora. Dieser Name soll eigentlich nur davon ablenken, dass es deutsche Rassisten für Israel sind“. Auf der „Revolutionären 1.-Mai-Demo“ des Bündnisses um den Roten Aufbau wurde ein Transparent getragen, auf dem stand: „‚Rote‘ Flora – Halt’s Maul !! / Gegen den antipalästinensischen Konsens“. Auf die Anfrage dem Autor, ob es ein Transparent ihrer Organisation war und sie die Aussage richtig finden, gab es – keine Antwort. Dabei wurde dieses Transparent bereits auf einer Gedenkdemo am 19. Februar zum Massaker von Hanau getragen, welche auch vom Roten Aufbau unterstützt wurde. Im Februar wurde die Demonstration mitorganisiert vom Offenen Antifa Treffen Hamburg, OAT, welches schon im Oktober dadurch aufgefallen war, sich nicht von einem antisemitischen Text ihres Bündnispartners Young Struggle distanzieren zu wollen, in dem das Pogrom vom 7. Oktober als „Befreiungsschlag“ begrüßt wurde. Auf dem Demo-Plakat standen neben vier weiteren Gruppierungen Young Struggle und das OAT. Vom OAT kam auch keine Antwort auf die Anfrage dem Autor, ob es ein Transparent ihrer Organisation war und sie die Aussage richtig finden. Die neue Gruppe Thawra, in Hamburgs Palästina-Szene sehr rührig, Eigenwerbung: „Hamburgs Revolutionäre Bewegung!“, die seit Anfang des Jahres auftritt und das studentische Palästina-Camp in der Nähe des Hauptgebäudes der Universität Hamburg unterstützt, stellte auf Instagram aber ein Foto des Transparentes ein und kommentierte es zustimmend – als ob es von ihnen kommt.

Thawra instrumentalisiert gerne das Engagement anderer für ihre Zwecke: So organisierten sie trotz des ausdrücklichen Wunsches, auch auf einer Anti-AfD-Demo im Februar keine Nationalfahnen zu zeigen, einen Block, in dem fast jede Person eine Palästinafahne trug. Fridays for Future Hamburg, welche die Demo organisiert hatten, distanzierten sich in einer Erklärung am 25. Februar von diesem ignoranten Verhalten. Bei der 1.-Mai-Demo des DGB Hamburg wiederholte Thawra dieses Kapern einer Demonstration – blieb allerdings am Ende der Demo weitgehend unbemerkt. Hängte sich dort allerdings an den Jugendblock, der mit Rufen wie „Kindermörder Israel“ oder „From the river to the sea – palestine will be free“ beschallt wurde. Unterstützt von ML-Gruppen, die zwar Hammer und Sichel auf ihre Transparente malen können, aber Israelhass mit Klassenkampf verwechseln.

„Bei den biodeutschen Palästina-Aktivist*innen kommt noch mal eine regressive Sehnsucht nach einer vermeintlich revolutionären Bewegung hinzu, in Zeiten wo sich die Linke weltweit in einer beispiellosen Schwäche befindet“, bemerkt Felix Krebs dazu: „Eine Sehnsucht nach einfachen Antworten und Stärke, eine Abwehr von offensichtlichen Widersprüchen und der Mythos einer großartigen Vergangenheit. Das zeigt sich auch in der ganzen ahistorischen Inszenierung dieser Neo-K-Gruppen, die mit dem Habitus der Weimarer KPD auftreten. Weil man sich die heutige eigene Schwäche nicht eingestehen kann, berauscht man sich an der vermeintlichen Stärke eines Hamburger Aufstandes, eines Klassenkampfes und eines Teddy Thälmanns. Man lässt die Sowjetunion wieder unkritisch hochleben und schweigt zum russischen Angriffskrieg, weil man halt noch immer Imperialismus nur im Zusammenhang mit den USA, vielleicht gerade noch der EU denken kann. Das macht das Ganze nicht besser, entspringt aber nicht originär einem antisemitischen Bedürfnis, sondern einer Geschichtslosigkeit, welche auch Antisemitismus nicht mehr mitdenkt“.

Bei Geschichtsklitterung und der Erfindung einer das eigene machtpolitische Vorgehen legitimierenden Tradition finden die heutigen ML-Gruppen in der Palästina-Soli-Szene ihre Meister*innen, wenn es um die Delegitimierung des Staates Israel und selbstbestimmten jüdischen Lebens überhaupt im Nahen Osten geht. Ähnlich dreist kommt auch die Balkonbesteigung der roten Flora daher: Gleich zu Beginn ihres Statements heißt es: „Wir sind gekommen, und wir bleiben. Dieses Haus wurde 1989 von Menschen mit Kufiya besetzt. 2024 kommt die Kufiya zurück – ob euch das passt oder nicht!“ Frank, der damals in der Anfangszeit der Roten Flora dabei war, erinnert sich „in Bezug auf 1989 hauptsächlich, dass damals komische Frisuren und Röhrenjeans und Lederjacken hip waren. Dass alle Beteiligten immer Palituch getragen hätten, kann ich nicht bestätigen“. Auch auf den Bilder, die diesen Artikel illustrieren, und die dankenswerterweise vom „Foto Archiv Kollektiv“ aus dem „Archiv der sozialen Bewegungen“ in der Roten Flora zur Verfügung gestellt wurden, sind Palitücher oder Kufiyas eher die Ausnahme. Paula erinnert daran, dass es neben dem Kampf gegen die Kommerzialisierung und Aufwertung des Schanzenviertels durch das im Flora-Gebäude geplante Musical auch viele transnationale Aktivitäten gab: „Die Unterstützung der sozialistischen Guerrilla in El Salvador war wichtig, die internationale Solidarität mit sozialen Kämpfen, gegen den Kontrakrieg in Nicaragua – aber im Zentrum standen der Kampf gegen Umstrukturierung im Stadtteil“.

Zum Glück gibt es in der Roten Flora das „Archiv der sozialen Bewegungen“, und dort sind die Bewegungszeitungen aus den Anfangsjahren der Roten Flora einsehbar: In den ersten beiden Ausgaben der „Zeck“, des Infos aus der Roten Flora, sind viele Kämpfe Thema. An erster Stelle die Ausgestaltung des Zentrums: Die Baugruppe, die neue Fahrradwerkstatt, Preiserhöhung für Konzerte, um eine neue, gemauerte Rückwand zu finanzieren, „Gierige Yuppies im Karoviertel“ oder der Prozess gegen die beiden damaligen Flora-Aktivisten Ralf und Knud. Die Ausgaben wecken Erinnerungen, aber nicht an Palästina. Dies bestätigt ein Blick in Ausgaben des „Neuen Schanzenleben“, der autonomen Stadtteilzeitung, von Ende der 80iger Jahre: Viel „Umstrukturierung“, wie Gentrifizierung damals noch hieß, „Kein Weg mit der STEG“, der Städtischen Sanierungsgesellschaft, aber auch zu Politischen Gefangenen in den USA, Kämpfen gegen wirkliche Apartheid in Südafrika, der Umstrukturierung Barcelonas im Vorfeld der Olympiade 1992. Es war im Schanzenviertel eine Zeit der linken Politisierung, das „Neue Schanzenleben“ wurde auf dem Schulterblatt im Handverkauf angeboten, die „Zeck“ lag in vielen Kneipen aus. „Die massive Belagerung des Schanzenviertels durch Polizeikräfte und die vielen Einsätze gegen die Rote Flora und die sie Unterstützenden – wie etwa die Räumung des Floraparks, die Schilder in einigen Bars ‚Kein Bier für die Besatzer!‘, all dies war Ausdruck realer, auch harter Kämpfe“, erinnert sich Paula. Sicher gab es auch ein paar Leute mit Palitüchern. Aber bei der Florabesetzung dominierten das sozialrevolutionäre und das autonome Spektrum. Auch aus dem Kommunistischen Bund, KB, oder der DKP-nahen Jugendorganisation SDAJ gab es Unterstützung.

Räumung des Floraparks 1992, Foto: Archiv Kollektiv

Antiimperialistische Gegner Israels hatten zu der Zeit einen anderen Anlaufpunkt: Während sich das autonome Spektrum um die Flora verdichtete, war das Spektrum der damaligen „Antiimps“ vorrangig auf die ehemals besetzten Häuser in der Hafenstraße fokussiert. Dort wurde im Sommer 1988 auch das bekannteste antisemitische Wandbild Deutschlands angebracht. Oben eine Kalaschnikow, darunter vor einer stilisierten palästinensischen Fahne gemalt: „Boykottiert ‚Israel‘! / Waren, Kibbuzim + Strände / Palästina – Das Volk wird dich befreien / Revolution bis zum Sieg“. Nicht nur, dass die Anführungszeichen um Israel unterstreichen sollen: Achtung, kein Staat – künstliches Gebilde! Nach dem Sieg Palästinas über Israel schien auch die Revolution am Ziel zu sein, die dann kein soziales, sozialistisches Projekt wäre – sondern nur eines zur Vernichtung Israels.

In der Roten Flora wurde kein solches Wandbild an die Fassade gemalt. Wenn die Palästina-Aktivist*innen an historische Palästina-Aktivitäten in Hamburg anknüpfen wollen, können sie sich auf die Balduintreppe neben die Hafenstraße stellen. Dann müssten die Bewohner*innen sich mit der Geschichte der früheren Besetzer*innen auseinandersetzen.