Bleistiftkämpfe und Brüche

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Während es vielen gleich am 7. Oktober die Sprache verschlagen hat, konnte ich mich damals noch äußern. Stolpernd zwar, haspelnd und tastend – aber ich habe Worte gefunden, um das Unrecht und alles, was in der Zeit danach damit einherging, zu benennen. Ich konnte es in Worte kleiden und präsentieren. Ich hab es sogar geschafft, zwischendrin Zuversicht zu verbreiten oder zumindest Humor – und sowas wie ein trotziges DROPSDEM zu verteidigen.

Von Ramona Ambs

Das fällt mir inzwischen, von Woche zu Woche, schwerer.

Weil das Gefühl von Hoffnungslosigkeit den Bleistift festhält, wenn ich versuche zu schreiben. Weil es eh nichts ändert – und weil ich merke, dass es mir grade nicht mehr richtig gelingt, tröstend oder wenigstens trotzig zu schreiben… – aber das will ich eigentlich,- denn das ist es, wofür meine Buchstaben geschaffen wurden.

Ich habe hier zig angefangene Artikel liegen… einen zu Erdogans böswilligem Agieren gegen Israel( man hat dort offenbar „vergessen“, dass nach dem großen Erdbeben Israel innerhalb weniger Stunden Bergungsgeräte, Hilfsgüter und Spürhunde zusammen stellte und als erstes vor Ort war, um zu helfen)… 

Ein anderer Artikel zu den unangenehmen Annäherungsversuchen einiger Evangelikaler Gruppen, die nun endgültig meinen, alle Muslime in den Terrortopf werfen zu dürfen und das als Judenfreundschaft zu labeln, und für diesen rassistischen Unfug dann auch noch Dankbarkeit erwarten, weil uns Juden ja sonst eh keiner mehr mag, liegt hier halbfertig auf dem Schreibtisch.

Daneben noch eine begonnene Revision, des Artikels vom letzten Oktober: Was wurde aus Dr. Heike Breitenbach, der Mitarbeiterin des Martin Buber Instituts in Frankfurt, die seinerzeit durch derbes, teils antisemitisches Israel-bashing aufgefallen war? Well,- surprise surprise: sie macht im großen Ganzen genauso weiter wie vorher, nur mit Glitschüberzug: so wird auf ihrem Profil u.a. behauptet, Israel ermorde gezielt Journalisten, was natürlich keinen Widerpruch durch sie findet und die Bilder von ihrer letzten Pro-Palästina-Demo in Frankfurt mit Textschildern samt den berühmten roten Händen: „Dear Zionists, there is some Land in Hell you can occupy“ oder auch „Free Palestine from german guilt“ sind im Grunde die Fortsetzung ihrer vorherigen Aktivitäten… aber hej, klar: an deutschen akademischen Instituten wird kein Judenhass geduldet, nicht wahr?

Passenderweise direkt nebendran liegt der angefangene Artikel über die Gründung des „Netzwerks jüdischer Hochschullehrender“, bei dem sich 70 Hochschullehrer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengeschlossen haben, – nicht etwa, um sich einfach mal zu vernetzen zum innerjüdischen Austausch, sondern weil der Judenhass an Universitäten und Hochschulen so zugenommen hat, dass es notwendig wurde…

Das letzte Textstück, was hier unfertig liegt, ist zu Lahav Shapira, und die langfristigen Folgen, die so ein gewalttätiger Überfall auf einen Menschen hat, – und ich wollte hier nicht (nur) von der gebrochenen Nase, der gebrochenen Augenhöhle und dem gebrochenen Wangenknochen,- sprich: dem kaputt geschlagenen Gesicht schreiben, obwohl man auch die körperlichen Folgeschäden solcher Brüche nicht unterschätzen sollte, sondern ich wollte schreiben vom Bruch in der neschume, von den Brüchen an anderen Stellen im deutsch-jüdischen Gefüge und von den kaschierten Sollbruchstellen einiger politischer Statements und den zurückbleibenden Rissen und Narben… aber auch diesen Artikel werd ich nicht schreiben.

Alles, was Ihr bekommt ist dieses zusammen getextete Stück. Weil die Hoffnungslosigkeit den Bleistift einfach nicht loslässt….