Yizkor – Ein Fotoessay von Polina Schneider

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In meinem Fotoessay „Yizkor“ zeige ich das Jerusalemer Gedenkzentrum Yad Vashem als einen sicheren Raum persönlicher, intimer Erinnerung und Trauer. Das Fotographieren in Yad Vashem folgt meinem Wunsch, den Tod meiner Ururgroßeltern, Ethel und Moishe Lemlech, während der Shoah zu verarbeiten. Zusammen mit anderen Familienmitgliedern wurden sie von Nazis und ihren Kollaborateuren im ehemaligen polnischen und heutigen ukrainischen Wald Sosenki (polnisch: Kleine Kiefern) in der Nähe der Stadt Rowno erschossen respektive lebendig begraben.

Polina Schneider
Jerusalem, Mai 2023

Anhand der mir wenigen überlieferten Objekte und Erzählungen visualisiere ich das Trauma meiner Familie und verknüpfe dabei meine Familiengeschichte mit der modernen Architektur Yad Vashems und der Umgebung des Herzlbergs. Um meine persönliche Katharsis von Raum und Zeit zu durchlaufen, greife ich auf eine Mischung aus folgenden Methoden und Materialien zurück: Doppel- und Langzeitbelichtungen, Cyanotypie, sowie analoge und digitale Projektion von Archivbildern.

Es ist mir ein Anliegen, die Geschichte von Moishe und Ethel mit meinen eigenen Mitteln als Teil der dritten Generation nach der Shoah zu erzählen und dabei an Menschlichkeit, Ethik und Gerechtigkeit zu erinnern — Werte, die angesichts des Krieges in der Ukraine gerade heutzutage in der Region von entscheidender Bedeutung sind.   

Alle Bilder: © Polina Schneider  

Polina Schneider ist 1989 während der Perestroika in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg geboren. Die frühen Berührungspunkte mit unterschiedlichen Sprachen und religiösen Überzeugungen (Katholizismus, Judentum und Russisch-Orthodox) haben ihr Gespür dafür geschärft, wie Menschen miteinander interagieren. 1997 migrierte Polina als Kontigentflüchtling nach Deutschland, wodurch sich ihr eine weitere kulturelle Perspektive und Lebensrealität erschlossen.

In ihren Photoarbeiten kontrastiert und verarbeitet Polina Leitmotive ihrer Identitätssuche, Umweltfragen sowie kulturelle und politische Aspekte. Polina studierte Chinesisch als Fremdsprache in Göttingen und Informatik in Hannover. Nach ihren Abschlüssen 2013 und 2018, kehrte sie parallel zu ihrer Vollzeitstelle als Qualitäts- und Projektmanagerin kürzlich in die Universitätswelt zurück: Seit 2021 studiert sie Photojournalismus und Dokumentarphotografie in Hannover.

Im gleichen Jahr schloss sich Polina dem sozialkritischen Kollektiv „Tuerspion“ an – einem Printmagazin, in dem sich marginalisierte Menschen kreativ ausdrücken. Darüberhinaus nahm sie am „International Environmental Photography Lab“ der „Native Agency“ teil und wurde von „Women Art Prize/X-Treme“ mit einer Ausstellung in Berlin als aufstrebende Künstlerin ausgewählt. Als neues Mitglied des Female Photoclubs ist es ihr ein Anliegen, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen, den öffentlichen Diskurs zu gestalten und dafür zu sorgen, dass die Perspektiven von Frauen in der Photographie wahrgenommen werden. Im Oktober 2022 wählte „L.A. Photocurator“ Polinas Dokumentararbeit über ein Seehund-Zentrum in den Niederlanden zur besten Serie. Die Galerie „Geste Paris“ und das amerikanische Fine Art Magazin „Dek Unu“ veröffentlichten Polinas aktuelles „I, Superhero“-Projekt, welches im Juni 2023 den Debütpreis der Phodar Biennale in Sofia gewann. Darüber hinaus ist Polina Teil des selbstgegründeten, internationalen Photokollektivs „Aura Visuals“, in dem sich sechs Photojournalistinnen den Thema der Umweltphotographie widmen. Das erste, subtile Auftreten in der Öffentlichkeit fand beim Zingst Festival 2023 statt.

Polinas Photoarbeiten wurden bisher in Berlin, Rom, Hannover, Paris, Sofia, Hamburg und Klagenfurt ausgestellt.

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