Festival von METAhub Frankfurt vom 13. bis 30. April 2023 im Museum Judengasse und in der Straße An der Staufenmauer
Die Frankfurter Judengasse war ein Zentrum jüdischen Lebens im Europa der Frühen Neuzeit. Nur noch wenige Spuren zeugen heute von dem abgeschlossenen Bezirk an der Staufenmauer, in dem Jüdinnen und Juden ab 1462 leben mussten. Das Festival „Mapping Memories – Judengasse Extended“ geht diesen Spuren nach und macht jüdische Geschichte im Stadtraum sichtbar. Vom 13. bis 30. April 2023 verwandelt es den abgegrenzten Bezirk der historischen Judengasse in einen offenen Erfahrungs- und Diskursraum, in dem archäologische Funde, Bilder, Geschichten und Klänge auf neue Art und Weise in Beziehung zueinander treten.
„Mapping Memories – Judengasse Extended“ ist das zweite Festival im Rahmen von METAhub Frankfurt, einem Kooperationsprojekt des Jüdischen Museums Frankfurt mit dem Archäologischen Museum Frankfurt und dem Künstlerhaus Mousonturm, das Fragmente des jüdischen Kulturerbes in digitaler und performativer Form in den Stadtraum trägt. Es umfasst eine Pop Up-Ausstellung im Museum Judengasse sowie eine architektonische Intervention in die Straße An der Staufenmauer, eine virtuelle Rekonstruktion der Judengasse und neue digitale Informationen, Performances und Lesungen, Führungen und Workshops, Lesungen und Podiumsdiskussionen. Das zweieinhalbwöchige Festival beleuchtet und reflektiert sowohl die Erinnerung an die Judengasse als auch den Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe im öffentlichen Raum.
Kellergewölbe aus der Judengasse erstmals öffentlich zugänglich
Ein besonderes Highlight stellt ein erhaltenes Kellergewölbe aus der Judengasse dar, das im Rahmen des Festivals zum ersten Mal öffentlich zugänglich gemacht wird. Das Kellergewölbe befindet sich unter dem Iimori Ichiba Supermarkt An der Staufenmauer 11, dem einstigen Grundstück von Joseph Moses Rindskopf, der hier 1809 anstelle von fünf niedergebrannten Häusern der Judengasse ein neues Stadtpalais errichtete. Die Bauinschrift „IMR 1809“ erinnert an den einstigen Bauherrn und deutet darauf hin, dass das Kellergewölbe zu Beginn des 19. Jahrhunderts gebaut wurde.
Architektonische Intervention in die Straße An der Staufenmauer
Während des Festivals wird in dem Kellergewölbe das Projekt „Neualtland“ der israelisch-niederländischen Architektin Meitar Tewel präsentiert. Dieses basiert auf einer einjährigen architektonischen und historiografischen Untersuchung des Stadtgefüges, das auf den Ruinen der Judengasse errichtet wurde. „Neualtland“ nimmt eine fiktive architektonische Intervention in das Areal der ehemaligen Hauptsynagoge vor und stellt eine Verbindung zwischen der gewaltsam verdrängten Kultur der Judengasse mit den Bürobauten her, die hier in den Jahrzehnten gebaut wurden. Der Titel des Projekts bezieht sich auf den Roman „Altneuland“ von Theodor Herzl und dreht dessen Narration um. Anstatt den Aufbau eines jüdischen Gemeinwesens auf außereuropäischem Boden zu beschreiben, nimmt „Neualtland“ historiografische Tiefenbohrungen an einem der Orte mit der längsten jüdischen Geschichte Europas vor.
Neue digitale Anwendungen
Um eine visuelle Vorstellung vom einstigen Leben in der Judengasse wie auch von deren Aussehen zu vermitteln, verändert sich zu Beginn des Festivals auch das Erscheinungsbild des Museum Judengasse im Außenraum. Zeitgleich wird eine Virtual-Reality-Anwendung veröffentlicht, die die Gasse anhand historischer Pläne und Zeichnungen rekonstruiert. Sie steht fortan auf der Online-Plattform www.metahubfrankfurt.de zur Verfügung, auf der auch eine Vielzahl an digitalisierten Objekten und Dokumenten sowie Informationen zu den Häusern der Judengasse und zu deren Geschichte zu finden sind.
Im Rahmen des Festivals finden mehrere Workshops statt, die eine zielgruppenspezifische Nachnutzung und Weiterentwicklung dieser digitalen Angebote ermöglichen sollen. Eine Podiumsdiskussion (mit Marc Grellert von Architectura Virtualis, Theresa Michel von Imagine the City, Marc Wicht von Scavengar und der Künstlerin Vanessa Opoku) befasst sich zudem mit ethischen und ästhetischen Fragen in der virtuellen (Re-)Konstruktion von Vergangenheit.
Pop Up-Ausstellung und Performances
Die eigens für „Mapping Memories“ entwickelte Pop Up-Ausstellung des Archäologischen Museums im Museum Judengasse präsentiert erstmals Fragmente aus dem Befund, der 1987 bei den Grabungen auf dem Gelände zu Tage trat. Zu den Funden gehören Spielwürfel, Knochen und die Reste eines Abwasserkanals, die derzeit wissenschaftlich erfasst werden.
Ihre Erschließung begleitet das performative Langzeit-Projekt „Unboxing Past“ der Regisseurin Helgard Haug (Rimini Protokoll), welches das Künstlerhaus Mousonturm im Rahmen von METAhub realisiert.
Im Zentrum dieses Projekts stehen umfangreiche Videoaufzeichnungen vom Inventarisierungs-prozess im Depot des Archäologischen Museums, die in Ausschnitten aufbereitet und auf einer eigens entwickelten Website www.unboxing-past.de zugänglich gemacht werden. Diese Aufzeichnungen sind Gegenstand digitaler Gespräche, die im Rahmen des Festivals in einer Performance im physischen Raum ihre Fortsetzung finden.
Darüber hinaus präsentiert der Mousonturm zur Vernissage die Klang- und Radioinstallation „Straße ohne Erinnerung“ des Künstlerkollektivs LIGNA, die sich mit der Verdrängung der Judengasse aus dem Gedächtnis der Stadt beschäftigt. Mit ihrem performativen Field Workshop „Outlining Memories“ setzen Meitar Tewel und der Choreograf Fabrice Mazliah im Rahmen des Festivals einen Kontrapunkt zu dieser Verdrängung, indem sie die Konturen von Häusern der Judengasse sichtbar in den Stadtraum eintragen.
Die Vorstellung des soeben erschienenen Buchs „Judengasse und frühneuzeitliche Stadt“ von Dr. Wolfgang Treue stellt den künstlerischen Erkundungen neueste geschichtswissenschaftliche Forschungen zu Politik und Gesellschaft im frühneuzeitlichen Frankfurt zur Seite.
Eröffnung und Finissage
„Mapping Memories“ wird am Donnerstag, den 13. April 2023 von den Direktorinnen und –Direktoren Prof. Dr. Mirjam Wenzel und Dr. Wolfgang David und dem Intendanten Marcus Droß im Museum Judengasse eröffnet. Während des Festivals finden beinahe täglich Führungen, Gespräche und Workshops an den beiden Ausstellungsorten wie auch zweimal eine archäologische Spurensuche im Stadtraumstatt. Die Finissage am Sonntag, 30. April, in der Straße an der Staufenmauer stellt einen Höhepunkt des Programms dar. Sie beginnt mit einer Diskussion (mit Karsten Krüger vom Stadtplanungsamt Frankfurt, dem Architekten Prof. Alfred Jacoby und Dr. Wolfgang David, Direktor des Archäologischen Museums Frankfurt) über die Frage, wie zukünftig an die Geschichte der Judengasse vor Ort erinnert werden soll. Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt, spricht anschließend mit Claudia Sautter (vormals hr2) darüber, wie jüdisches Kulturerbe geschützt, erhalten und zukünftig erinnert werden sollte.
Ein abschließendes Gespräch (von Prof. Mirjam Wenzel mit Lawrence de Donges-Amiss-Amiss vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Gießen, Dr. Maria Stürzebecher, Beauftragte für das UNESCO-Weltkulturerbe in Erfurt, Dr. Thomas Otten, Direktor MIQUA Köln und dem Kulturproduzenten Moritz von Rappard) richtet den Blick auf den Umgang mit archäologischen Zeugnissen jüdischer Geschichte in anderen Städten.
Am Abend findet ein Konzert des Performers und Komponisten Elischa Kaminer mit einer Soundcollage aus queeren, elektronischen und traditionellen Klängen statt.
Öffnungszeiten und weitere Informationen
Das Museum Judengasse, Battonnstraße 47, ist während „Mapping Memories – Judengasse Extended“ dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet; die Kellerräume An der Staufenmauer 11 an denselben Tagen (mit Ausnahme von Samstag, den 22.4.) von 15 bis 19 Uhr zugänglich.
Der Eintritt für die Veranstaltungen des Festivals ist kostenfrei; um Anmeldung zu den Veranstaltungen wird gebeten an: anmeldung@metahubfrankfurt.de .
Das detaillierte Programm des Festivals ist auf dem Flyer und auf der Website zu finden:
https://metahubfrankfurt.de/mapping-memories-judengasse
Bild oben: Kellergewölbe An der Staufenmauer, (c) Uwe Dettmar