Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht

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Stutthof Memorial © Copyright: Naked Eye Filmproduktion

Jahrzehnte nach Kriegsende finden derzeit die wahrscheinlich letzten Gerichtsverfahren wegen NS-Verbrechen statt. Wie kam es dazu, dass ehemalige SS-Wachleute nun als Greise vor dem Jugendgericht stehen, die bis dahin weitestgehend von Polizei und Justiz unbehelligt leben konnten? Ein Dokumentarfilm sucht nach Antworten.

Lange konnte die deutsche Justiz nicht der historischen Tatsache gerecht werden, dass der systematische Massenmord in Konzentrationslagern nicht durch einzelne, wenige Täter, sondern nur durch die Unterstützung von tausenden Mittätern begangen werden konnte. Es galt der sogenannte Einzeltatnachweis, der insbesondere durch Zeugenaussagen der KZ-Überlebenden erbracht werden musste. Dabei war der juristische Grundstein für einen Paradigmenwechsel längst durch den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gelegt, der im historischen Frankfurter Auschwitz Prozess 1963 zum ersten Mal Angeklagte für Beihilfe zum Mord vor ein deutsches Gericht brachte. Doch schon damals kam es, trotz umfassender Erkenntnisse zum industrialisierten Massenmord, nicht zu einer Prozessflut – im Gegenteil: die Strafverfolgung von NS-Verbrechern nahm sogar ab. Rund 60 Jahre später findet Fritz Bauers Erbe nun Anwendung.

Der Dokumentarfilm FRITZ BAUERS ERBE – GERECHTIGKEIT VERJÄHRT NICHT zeigt anhand der jüngsten NS-Prozesse zum „KZ Stutthof“ in Münster (2018/2019) und Hamburg (2020), wie sich Fritz Bauers Ansatz als neues Prinzip der Rechtsauffassung in Deutschland etablieren konnte. Dabei bekommen die Zuschauer einen Einblick in die Arbeit der Juristen und es sind die Begegnungen zwischen den Zeitzeugen und den deutschen Anwälten, die besonders bewegend sind.

Ein wichtiger Film, der die oft gestellte Frage, ob denn ein 97jähriger Greis tatsächlich noch vor Gericht gestellt werden sollte, aus historischer Perspektive und im Hinblick auf die ebenfalls betagten Zeitgenossen beantwortet. Dennoch, am Ende bleibt das große Unbehagen, dass jahrzehntelang der politische und gesellschaftliche Wille für eine angemessene Strafverfolgung fehlte. Denn wie Andrea Löw vom Institut für Zeitgeschichte betont: „Denn wenn sich die Richter schon 1965 der Auffassung Fritz Bauers angeschlossen hätten, hätte ja gegen Zehntausende in Deutschland ermittelt werden müssen. Und dazu waren offensichtlich weder die Juristen noch die deutsche Gesellschaft bereit.“

Bild oben: Stutthof Memorial, © Copyright: Naked Eye Filmproduktion