Spott-Light: Jenseits von Fretterode, unserem „Gut“, liegt, bei den sieben Zwergen, Böse, also Audi

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Ein Geheimbericht des Aussteigers Mr. Y

Zu Protokoll genommen von Christian Niemeyer

Mr. Y, gleich zu Beginn: Jede Lüge, Herr Niemeyer, liegt mir fern, beware of my dogs, Trump & Putin geheißen: Ihnen sitzt, wie Pitt Bulls allgemein, das Böse im Geblüt, keine Chance für Hundeflüsterer oder gar, nur bei Menschen dieses Namens im Prinzip machbar, für Sozialpädagogen. Deswegen, Mädels: Wenn ich ein schwerer Junge wäre – gendern ist an dieser Stelle nicht möglich, denn ich bin ein schwerer Junge, nicht gemacht, wie Simone de Beauvoir wohl annehmen würde, sondern immer schon gewesen, also self made, – würde ich meinem Chef angesichts des verdammt ausgeschlafenen Thüringer Verfassungsschutzes Reispläne nur in derart verschlüsselter Form, wie im Haupttitel beschrieben und im Untertitel übersetzt, mitteilen. Okay, der Untertitel macht es deutlich: Inzwischen bin ich Aussteiger, vorgestellt als Mr. Y. Und, um die Abbildung zu erklären, die ich einem Ami namens Tom Minnes in Würzburg abgetrotzt habe: Liefe bei mir im Kopfkino ein Film mit dem in der Überschrift genannten Haupttitel ab, ob nun mit oder ohne Roland Emmerich, so zeigte das dazugehörende Filmplakat ganz sicher einen King Kong vor Alpenkulisse, wütend Audi-Fahrzeuge um sich werfend.

Nicht wirklich verständlich, diese Vision, zumal eine Art Metaphernkunde fehlt? Dann empfehle ich, der Protokollant dieser Geschichte, der im Folgenden hin und wieder eine Girlande werfen wird, eine genaue Lektüre des Folgenden. Nur auf diese Weise fällt, wie schon Novalis (d.i. Friedrich von Hardenberg [1772-1801]) ahnte, „vor Einem geheimen Wort / Das ganze verkehrte Wesen fort.“ Okay, dann kann es ja losgehen, nicht, wie Novalis wohl bevorzugt hätte, mit „singen oder küssen“, sondern, weit weniger romantisch: mit Weinen und Verzweiflung

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Ach wissen Sie, Herr Niemeyer, als Aussteiger mag ich nicht mehr gerne darüber reden, dass es von Bornhagen nach Fretterode ein Katzensprung ist, damit also auch: von Björn Höcke (AfD) hin zu Thorsten Heise (NPD), mehrfach vorbestraft wg. schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch, Nötigung, und Volksverhetzung und zentrale Figur des sich in Fetterode konzentrierenden rechtsextremen Firmengeflechts (vgl. Budler 2020: 27 ff.). Auch nur noch Abscheu erregt in meiner jetzigen Wahrnehmung, dass Höcke wegen Heise spätestens seit Andreas Kemper unter Druck steht und Heise wegen seines von Henry Bernhard auf Deutschlandfunk im O-Ton präsentierten Hate Speech gegen Journalisten vom Typ: „Der Revolver ist schon geladen Herr…“ (Budler 2020: 4) unter massivem Druck steht (besser: stehen sollte). Dies wegen fast gelungenen Totschlags an zwei Journalisten durch zwei sich mittels Logo auf die Waffen-SS beziehender einheimischer Täter im Jahre 2018. Nur am Rande, ihr Wessies, die ihr es diesen Fetterode-Touristen gleichtun wollt: Konkret spielt dieses Logo an  auf die grausame SS-Sturmbrigade Dirlewanger, mit einem Hohen Anteil Krimineller oder auf Bewährung Freigelassener aus Wehrmachtsgefängnissen. Also so etwas wie die Gruppe Wagner, die aktuell in der Ukraine wütet.

Apropos Ukraine (das kommt jetzt von mir, nicht von Mr. Y): War auch schon, neben Warschau, ein beliebter Einsatzort für Oskar Dirlewanger (1895-1945). Einer der wohl schlimmsten aller nur denkbaren Kriegsverbrecher, alkohol- und drogenabhängig und versehen mit einer Haftstrafe wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen. Gleichwohl wurde Dirlewanger noch 1955 von der HIAG (= Hilfsgemeinschaft der ehem. Waffen-SS) rehabilitiert. Und 2018 gleichsam von den zwei Fretterode-Schlägern, der Arischen Bruderschaft (vgl. Budler 2020: 43) sich zurechnend, also einer Art SS-Nachgeburt. Wurde aber offenbar vom Landgericht Mühlhausen im September 2022, wie in Thüringen gängig, gerichtlich, von den lächerlichen Strafen[1] ausgehend betrachtet, nicht angemessen sanktioniert. Besonders pikant dabei: Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen mit nachträglicher Deckung durch das Thüringer Amt für Verfassungsschutz ein Ermittlungsverfahren gegen Thorsten Heise, der in seinem Online-Shop ausgerechnet dieses Logo in seinem Online-Shop vertrieb, eingestellt. Wie mir Mr. Y bestätigte. Obgleich er laut Mobit (= Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen) diese noch nicht einmal in den Jahresberichten der jeweiligen Verfassungsschutzbehörden auftauchende Arischen Bruderschaft um 2000 begründet hatte.

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Mr. Y: Darf ich hier ausnahmsweise einmal meinem ‚gesunden Rechtsempfinden‘ Auslauf gewähren? Sowie meiner nachholenden Lektüre in Sachen Linksterrorismus? Prima, danke: Für mich hätte der Fall in Fretterode 2018 nach Regeln aus RAF-Zeiten als Fall der Bildung einer Terroristischen Vereinigung beurteilt und damit als von Landesbehörden nicht aufklärbar gewertet werden müssen, in der Umkehrung gesprochen: Rechtfertigt, lieber Herr Niemeyer, dieser als auch der nachfolgende Dilettantismus des Landgerichts Mühlhausen nicht Dienstaufsichtsbeschwerden aller Art? Bis hin zu Bemühungen, den in den Justizbehörden sich einnistenden „Sympathisantensumpf“ trockenzulegen? Inklusive von Ermittlungen wegen Komplizenschaft, und sei es nur solche vom Typ jener seinerzeit gegen den Göttinger Mescalero eingeleiteten, der seine „kammheimlichen Freude“ ob der RAF-Morde nicht für sich zu behalten vermochte?

Um die Sache etwas spannender für die Leser*innen zu machen, schalte ich jetzt um auf O-Ton aus dem Protokoll:

„Sorry, Mr. Y, ich bin kein Jurist. Aber eines scheint mir wichtig: Dass von Gudrun Ensslin über Bertram Vesper eine gerade Linie zurückführt auf Will Vesper, einen von Armin Mohler bis hin zu Karlheinz Weißmann gefeierten NS-Dichterbarden, der für Hans Grimm und Herman Nohl einige Bedeutung hatte für…“

„Für? Für nichts, Herr Niemeyer! Nicht eine einzige Kaufhausbrandstiftung kann gerechtfertigt werden über diese Art ‚Rattenlinie‘, die Sie hier konstruieren wollen!“

„Einverstanden! Aber aller ‚klammheimlichen Freude‘ jenes Göttinger Mescalero zum Trotz: Große Teile meiner Generation haben über Baader/Meinhof und den nachfolgenden RAF-Terror sich genauso entrüstet wie über die Mittäterschaft und Gleichgültigkeit unserer Eltern in der NS-Zeit.“

„Geschenkt! Mein eigentlicher Punkt ist ein anderer.“

„Nämlich?“

„Welche Jahrgänge rechnet Jill Becker zur ‚Generation Hitlers Kinder‘, bei ihr mehr oder weniger identisch mit den 68ern.“

„Ohne Quelle vermute ich mal: die Jahrgänge der vom Nachdenken über die Verstrickungen und die Schuld ihrer Eltern besonders Betroffenen, also etwa von 1940 bis 1955.“

„Nächste Frage: Auf welchen Namen taufte der eben erwähnte Bernward Vesper, Jg. 1938, also knapp noch dieser Alterskohorte zurechenbar, die Generation, die, wie sein Vater, Jg. 1882, Hitler trug und ermöglichte?“

„Keine Ahnung?“

„Auf welchen Namen könnte man die nächste Generation, also die nach 1955 kommende, taufen?“

„Keine Ahnung!“

„Streng Dich an! Nenne mir einige Namen derer, über die Du Dich in diesem Buch am meisten entrüstet hast! Bitte in aufsteigender Linie vom Geburtsjahrgang aus!“

***

Nun, wie an dieser Frage schon erkennbar: die Sache zog sich etwas hin, so dass ich mir erlaube, das Ergebnis dieser merkwürdigen Beratung mit einem Zitat von Bernward Vespers aus dem Jahr 1964 wie folgt auf den Punkt zu bringen:

„Die Generation, die Hitler bejahte, wird vielleicht in die Geschichte eingehen als das erste Beispiel einer bis dahin für unmöglich gehaltenen Massenschizophrenie: hier die Familienszene, die außerordentliche Gemütseinfalt, dort das Henkersgeschäft, hier die Feierabendidylle, der eifersüchtig behütete Familienfrieden, dort Rassenhaß, Völkerhetze, Befürwortung von Austreibung und Ermordung.“ (zit. n. Niemeyer 2015: 211)

„Rassenhaß, Völkerhetze, Befürwortung von Austreibung“, kurz und um die hier dominierende Teminologie nicht zu vergessen: „Entrüstung“ – dies kommt mir irgendwie bekannt vor von der Reihung des Think Tank der AfD nach Geburtsjahr (aufsteigend):

Udo Ulfkotte (Jg. 1960), Karlheinz Weißmann (Jg. 1960), Michael Klonovsky (Jg. 1960), Gottfried Curio (Jg. 1960), Jörg Meuthen (Jg. 1961), Thorsten Hinz (Jg. 1962), Michael Grandt (Jg. 1963), Manfred Rouhs (Jg. 1965), Stephan Brandner (Jg. 1966), Alexander Wendt (*1966), Stefan Schubert (Jg. 1970), Götz Kubitschek (Jg. 1970), Beatrix von Storch (Jg. 1971), Björn Höcke (Jg. 1972), Marc Jongen (Jg. 1972), Stefan Keuter (Jg. 1972), Andreas Kalbitz (*1972), Ellen Kositza (Jg. 1973), Lutz Bachmann (*1973), André Poggenburg (Jg. 1975), Tino Chrupalla (Jg. 1975), Erik Lehnert (Jg. 1975), Caroline Sommerfeld (Jg. 1975), Martin Lichtmesz (Jg. 1976) sowie Maximilian Krah (Jg. 1977)

Aber wieso eigentlich nach diesem schrecklichen Beispiel, das die von Bernward Vesper 1964 beschriebene „Generation, die Hitler bejahte“ hinterlassen hatte, ebenso wie die von Jill Becker 1978 skandalisierte „Generation Hitlers Kinder“, erneut der Run auf rechts?

Da kam mir – oder war es Mr. Y? – eine Idee: Wie wäre es, wenn man als einheitsstiftendes Merkmal jener eben gelisteten Repräsentanten der Alterskohorte 1955 ff. vom Typ Ulfkotte & Co. versuchsweise fehlenden Immunschutz vom Typ 68er bezüglich alt-rechter Ideologien attribuierte plus unheilvoller Selbstüberhebung, belegbar mit der Vokabel Generation ‚Deutscher Herbst‘? Um dann ihr, dieser Generation, ein auf Entrüstung über eben diesen – gemeint ist der Herbst 1977 – zulaufendes Motiv zuzuschreiben, dass mit dem Mord am Ex-SS-Führer Hans-Martin Schleyer (1915-1977) am 18. Oktober 1977 sein trauriges Fanal fand? Eine Entrüstung, die mehr oder weniger ungefiltert das von den Eltern und deren Empörung über Baader-Meinhof und den RAF-Terror im häuslichen Alltag in den Jahren 1970 bis 1977 Abgelauschte wiedergab und was jedenfalls in die entscheidenden Jahren des Aufwachens der Vorgenannten fiel? Und die, auf die nächste Generation hin bedacht, in Elternhäusern dieses Zuschnitts Unterformen jener von Bernward Vesper angesprochenen „Massenschizophrenie“ erwarten lässt, wie sie in Teilen jetzt schon berichtet werden, etwa, wenn Caroline Sommerfeld in aller Unschuld über die Frage eines ihrer Kinder berichtet, ob Jesus nun eine Rechter sei oder ein Linker?

Auch dies, wie das Fragezeichen anzeigen soll, nur eine Hypothese, gewiss. Aber eine, aus der folgen würde, dass die im Vorhergehenden hinreichend dokumentierte Entrüstung der vorgenannten Damen und Herren von der Neuen Rechten über die 68er Generation als ‚Generation Hitlers Kinder‘ (à la Jill Becker) vorwiegend eine von den eigenen Eltern übernommene ist, deutlicher, auch psychologischer: Sie, diese Entrüstung, mit deren Hilfe alles Unheil inklusive Neue Linke bis hin zur Willkommenskultur des Jahres 2015 sowie dem angeblich neu-linken, wenn nicht gar jüdischen Streben nach Aufbau einer Corona-Diktatur des Jahres 2020 schlägt alles über diesen einen Leisten. Der sich vielleicht, dieses einen deutschen Herbstes wegen, definieren lässt als „Herbst über allen Dingen und Menschen‘, den der Neu-Rechte, einem Naturgeschehen analog, verbreiten muss, abgesehen von einem einzigen hellen Traum, den er hat und pflegt als handele es sich um seine ‚blaue Mauritius‘: den von Deutschland und seiner künftigen Größe, gleichsam als Entschädigung einer geschundenen Seele, die sich, Eltern-konform des ‚Deutschen Herbstes‘ gedenkend, derart viel versagen musste – lange Haare oder Hippie-Fantasien à la Jerry Rubin, – dass es schmerzt resp., im schlimmsten Fall: dass es anderen mit all dem und einer Aura des Bunten, in Kreuzberg oder Leipzig-Connewitz oder Dresden-Neustadt, schmerzen gemacht wird.

Mit dem – um dies noch zu ergänzen – inzwischen zu den Neuen Rechten übergelaufenen ehemaligen LKA-Chef und NSU-Ermittlungsversager Uwe G. Kranz als Vorzeigefall. Dem, so Axel Hemmerling in Paraphrasierung eines Interviews des Gemeinten mit Ken Jebsen auf KenFM am 21.6.2016, als er 1991 im Nachwende-Thüringen ankommt, „noch die Erfahrungen des (linken) Terrors der ‚Roten Armee Fraktion in den Knochen [stecken]“, so sehr, „dass er sich noch heute als Kripo-Mann sieht, dem durch den RAF-Terror – die Neue Linke, wie er sagt – sozialisiert worden sei.“ (Hemmerling 2018: 278 f.) In Übersetzung geredet: Die (überschießende) Neue Linke ist schuld an der (überschießenden?) Neuen Rechten. Bis hin zu einem der Gegenspieler (?) des eben genannten Kripo-Mannes, den NSU-Mörder Uwe Mundlos, für den beides in eins als prägend angenommen werden darf: die RAF, aber auch der die NS-Zeit glorifizierende Großvater und über diese Linie Bücher über Rudolf Heß und die von Erik Lehnert bagatellisierte Wafffen-SS. (vgl. Quent 2016: 300 f.; Schultz 2018: 39, 59) Deswegen nochmals, abschließend: Nur Hypothesen, mehr nicht. Kein Grund also, sich zufrieden zurückzulehnen im Gefühl, alles sei nun erklärt. Aber vielleicht ein Motiv, dem Satz further research is needed eine gewisse Orientierung beizugeben.

***

Mr. Y war über all das „Gerede“ beinahe eingeschlafen. Er wolle jetzt über seine Dienstreise nach Graz berichten, zur Filiale. Sie in Schnellroda, so klärte er mich auf, liefen als Firma Götz Kubitschek & Ellen Kositza mit Björn Höcke als Kompagnon, der seinerseits Prokura hatte, still und leise mit Fetterode zu kooperieren, so wie VW während Dieselgate mit Bosch. Zuständig für die besonders schmutzigen Sachen. Und mit dem Ableger in Graz, intern „Audi“ geheißen. Den es im Fall der Fälle Heim ins Reich zu holen gelte. Ob erneut mit einem Österreicher, sei egal.

Ich schnappte nach Luft – und hörte Mr. Y, eine Art CEO aus dem neu-rechten Think Tank, gebannt zu. Was in Schnellroda Götz Kubitschek heiße, lautet in Graz auf den Namen Wolfgang Dvorak-Stocker, dessen Ares Verlag das Pendant abgebe zum Antaios Verlag in Schnellroda und dessen Zeitschrift Neue Ordnung dem nahekommt, was in Schnellroda unter dem Titel Sezession vom Band läuft, produziert von einem Autorenstamm, der deutliche Überschneidungen aufweist.[2] Unterschiede bewegten sich in Größenordnungen, wie ein Automobilbauer sie zwischen Konzerntöchtern ausmachen würde, um die Sache mal auszupreisen: Schnellroda geht, wie gesagt, in Richtung „VW“, Graz in Richtung „Audi“, im internen Schriftverkehr der Konzernspitze „VW do Brazil“ geheißen, in Rückerinnerung an den Umstand, dass  sehr viele NS-Kriegsverbrecher dort Unterschlupf fanden, via Rattenlinie, die im Vatikan ihren Ursprung hat, deutlicher: bei Bischof Alois Hudal (1885-1963). Dessen Spuren natürlich nach Graz weisen, wo er 1885 als Sohn eines Schuhmachermeisters geboren worden sei und dort zuletzt (1923), vor seinem Wechsel nach Rom, Professor für Altes Testament war, um im Juli 1958 letztmals in diese schöne Stadt zurückzukehren, um im Dom von Graz sein Goldenes Priesterjubiläum zu feiern. (vgl. Hudal 22018: 317) Übrigens ohne jedes schlechte Gewissen ob des von ihm nicht aufgehaltenen schrecklichen Endes katholischer Opfer des Holocaust wie Edith Stein oder NS-verfolgter Priester wie Johnannes Schulz und Josef Zilliken als Ergebnis einer Szene aus der Akte Nr. 462a (vgl. Eberle / Uhl 2005: 123), die uns Hitler und Göring im Juni 1940 als duo infernale vom Typ Psychopathen offenbart, das sich diabolisch weidet am ferneren Schicksal zweier von Göring aus nichtigem Anlass (verletzte Eitelkeit) ins KZ Dachau expedierter (und dort 1942 auf grausame Weise zu Tod gekommener) katholischer Geistlicher (eben Schulz und Zilliken).

Ich erhob Einspruch, es gehe mir etwas zu schnell und lasse die Pointe vermissen. Da wurde Mr. Y wütend und beschleunigte der Tempo: Das Entscheidende für die einleitend erwähnte Idee mit dem Filmplakat mit King Kong vor Alpenkulisse, wütend Audi-Fahrzeuge um sich werfend, sei der Umstand, dass Dvorak-Stocker (resp. sein Vater) eigentlich immer schon Alois Hudals Hausverlag war. Insoweit war es unvermeidlich, dass irgendwann auch ein Text pro Hudal in der Neuen Ordnung erscheinen musste, selbstredend ein stramm-rechter, wie schon der Titel dieses 2012 erschienen Aufsatzes belegt: Gerechigkeit für Bischof Hudal. Kein „braunes Schaf“, sondern ein wahrer Mann der Caritas. Dieser Text, so Mr. Y, der an (nicht nur körperlicher) Größe merklich zulegte und dem immer mehr Haare zu wachsen schienen, griff eine am 28. Mai 2000 per ARD/ORF in Umlauf gebrachte, im „braunen Schaf“ kulminierende Hudal-Attacke des Salzburger Weihbischofs Andreas Laun an. Friendly fire also, wenn man bedenkt, dass Laun (s. SNAR: 507 ff.) inzwischen seinen fast vollständigen Übertritt ins Lager der Rechtspopulisten vollzogen habe. Die Sache ein wenig gedreht ins Richtige, würde die Einschätzung etwas anders lauten und das Tragische am Fall Laun herausheben: Ein einziges Mal hat er in den letzten zwanzig Jahren etwas Richtiges gesagt – und wird prompt von den Neuen Rechten verhauen.

Ich lachte, etwas zu ernsthaft, so dass Mr. Y leichtes Spiel zu haben wähnte: Lesen Sie mal, Herr Niemeyer, was 2012 erschien in der Neuen Ordnung:

„Auch Schuldige haben Anspruch auf ein faires Verfahren. Die Schauprozesse unter der Regie der verfahrensrechtlich unzuständigen USA aber beruhten großteils auf falschen Zeugenaussagen und erfolterten Geständnissen. In Verfahren zur Erreichung von Zielsetzungen wurden folgende Foltermethoden nachgewiesen: Dunkelhaft, ständige Störung der Nachtruhe, Vorbereitung der Verhöre durch Schläge mit Fäusten und Metallstangen, Fußtritte gegen Schienbeine und Geschlechtsteile, Überstreifen von blutverkrusteten, übelriechenden Kapuzen…“ (Duswald 2012: 328)

So, in diesem Tenor, geht dieser Bericht aus den frühen 1950er Jahren, Deutschland unter US-Siegerjustiz leidend, noch drei Absätze weiter, ohne jeden Quellenbeleg, ehe dann die Pointe folgt, gleichfalls knallhart:

„Die Verfahren unter der Ägide der Alliierten waren daher menschenrechtswidrig […]. Sie waren mit Fehlern behaftet, von denen jeder einzelne Nichtigkeit bewirkt. Nicht Urteile wurden verkündet, sondern Nichturteile. Die Vollstreckung von Nichturteilen ist ein Verbrechen.“

Ehe dann die Pointe folgt, um die es dem Verfasser geht und gehen muss, soll das Ganze den Zweck erfüllen, der in der Überschrift angesprochen ist: dem einer Verteidigungsrede pro Hudal gegen die Angriffe Launs:

„Für diejenigen Menschen, denen Hudal zur Flucht verhalf, galt die Unschuldsvermutung (Art. 11 der Allgemeinen Menschenrechte). Und dieser entspricht auch die Unschuldsgewißheit bezüglich des Bischofs.“ (ebd.: 329) 

Einiges spricht dafür, derjenige, den ich hier zitierte, „Duswald“, wäre in Wirklichkeit Lehnert, der 2012 unter eben diesem Pseudonym schon einmal ein wenig geübt habe für seinen Artikel von 2017 zum Thema Landsberg in der Schnellroda-Bibel Deutsche Daten. Und der also 2017 kaum gelefert habe als das Plagiat des 2012 erschienen Textes eines Vorredners aus der Grazer Filiale. Den man sich als über dieses Plagiat Empörten, also als seinen Feind besser nicht wünscht, heißt, um damit diese Katze aus dem Sack zu lassen: „Fred“ [Manfred Werner] Duswald (*1934) aus Hausruck/A. gibt es wirklich, er ist ein berüchtigter Neonazi, zu besichtigen beispielsweise auf dem NPD-nahen Youtube-Kanal Nordland TV, wo auch Rechtsradikale wie der Holocaustleugner und ‚Volkslehrer‘ Nikolai Nerling (*1980) sowie der Burschenschaftler Philipp Stein (*1991) zu Gast sind. Ansonsten sondert Duswald gerne Beschimpfungen von KZ-Häftlingen aus Mauthausen ab nebst anderem Unsäglichen, gerne im inzwischen, nicht zuletzt Duswalds wegen, eingestellten FPÖ-nahen Blatt Die Aula. Das Motiv dafür findet sich in jenem 2012er Artikel angedeutet. Denn wenn, wie Duswald hier ausführte, für alle von Hudal über die Rattenlinie Exportierte die „Unschuldsvermutung“ gilt und unser Bischof aus dem Schneider namens „braunes Schaf“ (Laun) ist – ja, so die perverse Logik dieses Neonazis, dann sind die Juden wahrscheinlich selbst schuld, dass sie im KZ landeten, müssen also irgendetwas verbrochen haben, können mithin, siehe Duswalds Beschimpfung der Überlebenden des KZ Mauthausen, auch weiterhin beschimpft werden.

Muss man in diesem Zusammenhang wirklich noch erwähnen, dass diesen Überlebenden der Hudal-Antipode Simon Wiesenthal (1908-2005) zugehört, in einem Ort geboren, der heute zur Ukraine gehört? Vermutlich nicht, es reicht auch so, deutlicher: Es reicht, die krankhafte Logik unseres bald neunzigjährigen Neonazi zu umschreiben, der, vierzig Jahre älter als Lehnert, offenkundig nichts mehr werden will als dies: ein von Anderen, mit Vernunft, vor allem aber mit Herz Ausgestatteten verachteter alter weißer Mann. Dafür, vor diesem Schicksal, schreckt unser blühender Recke aus Schnellroda zurück – und vermeidet deswegen die Pointe, zu der jener, seines ob Hudal verblendeten Verlegers zuliebe[3], bereit ist. Dies – fehlende Konsequenz – ist aber beileibe nicht der einzige von Mr. Y erhobene Vorwurf an die Adresse Lehnerts. Der allerletzte, finale kann ihm nicht erspart werden: Duswald weist einen Vorredner auf, nämlich den Sönke-Neitzel-Schwiegervater und berüchtigten Geschichtsrevisionisten Dirk Bavendamm (*1938). 2019, anlässlich der Verleihung des dereinst auch an Erich Priebke[4] verliehenen Huttenpreises der 1960 von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären[5] begründeten Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) (vgl. Dudek / Jaschke 1984, Bd. I: 47 ff.) an Duswald trat, neben André Poggenburg, auch Bavendamm als Redner auf, wodurch in Erinnerung kam (vgl. Maegerle 2019), dass dieser 2010 in der Preußischen Allgemeinen Zeitung die Siegerjustiz-These erstmals verfochten hatte, für die Duswald, wie gesehen, 2012 in der Neuen Ordnung ad Alois Hudal warb sowie, verschlüsselt, auch Lehnert 2017 im Staatspolitischen Handbuch. Ein fürwahr feines Umfeld also, deutlicher: ein Sumpf, in dem sich nur Krokodile wohlfühlen dürften und aus dem es kein Entrinnen gibt, zumal angesichts des Klassikers unter den Kalauern: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.

Schon als die Rede auf Fred Duswald kam, der ihn offenbar an Thorsten Heise erinnerte und an die von ihm ermunterten  Neonazi-Schläger aus Fretterode 2018, setzte bei Mr. Y ein weiterer Wachstumsschub plus galoppierender Behaarung ein; und nun war es höchste Zeit für ihn, das Freie zu suchen. Wenig später waren durch die Scheiben des reizenden kleinen Grazer Restaurants nur noch eine Art King Kong zu erkennen, den Alpen zustrebend, mit dem Gedanken im Herzen, so viele Audis wie nur erreichbar in Tal zu schleudern.

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Zeit für ein Fazit: Hudals Buch Römische Tagebücher. Lebensbeichte eines alten Bischofs, enthaltend Hudals Abhandlung Die Grundlagen des Nationalsozialismus (1936), steht zumal nach Erscheinen von Lehnerts Artikel wie eine Art ‚Weißer Elefant‘ mitten im Porzellanladen der Neuen Rechten zumal der Filiale in Schnellroda, dies insbesondere wegen des Nachworts des Neonazis Fred Duswald, dem die unausgesprochene Frage an die Kollegen bei „Audi“ zu danken ist:

„Was ist denn nun eigentlich mit Bischof Alois Hudal? Wie bewerten Sie, Erik Lehnert, nun seine Rolle – im Vergleich etwa zum Agieren der ‚Stillen Hilfe‘ der Prinzessin, zu der sie sich eigentlich auch nie wirklich geäußert haben? Und würden auch Sie, wie Kollege Duswald, die Unschuldsvermutung auf sämtliche NS-Kriegsverbrecher ausdehnen, mindestens aber auf die von Hudal über die Rattenlinie expedierten?“

Um die Sprengkraft dieser Frage zu ermessen, müssen wir ein wenig genauer hineinschauen in das Buch, als dessen Verteidiger sich Duswald geriert und das in der Forschung unter dem – Launs Rubrizierung von 2000 rechtfertigenden – Titel Hitlers Mann im Vatikan (Sachslehner 2019) abgelegt wird. Nicht zu Unrecht, hatte doch Hudal die Grundlinien seiner Hilfspolitik pro Nazis nach 1945, speziell die „Rattenlinie“ mit Zielländern wie Argentinien, Brasilien, Spanien, Ägypten und Syrien betreffend, fixiert. Im Mai 1951, also im für Lehnert interessanten Zeitraum, erreichte Hudal beispielsweise, unter Einbindung auch Konrad Adenauers, die Freilassung Otto Wageners (1888-1971), des ‚König von Rhodos‘. Heißt: Unser Bischof aus Graz, für viele von Himmlers schuldbeladenen Kriegern der allerletzte Strohhalm und (deswegen?) in Sönke Neitzels Deutsche Krieger (2020) ohne jede Erwähnung, ebenso wie seine Gegenspieler Simon Wiesenthal sowie Fritz Bauer, hatte die Frechheit, in seiner Lebensbeichte voller Stolz auszurufen:

„Ich habe gegen tausend [Ausweiskarten für Österreicher, meist flüchtige Nazis; d. Verf.] unterschrieben.“ (Hudal 22018: 229)

Nach, wie er wohl wähnte, rechter Christenart interessierte ihn jeder Nazi in Not – gesetzt, er sei, wie Hudal, ein fanatischer Gegner des jüdischen Bolschewismus und entnazifizierbar qua Christentum oder in dieser Frage reumütig. Dabei ging Hudal bis zum Letzten – insofern damit auch der Tod des Otto Freiherrn von Wächter (1901-1949) gemeint ist, der am 13. Juli 1949 in Rom in den Armen Hudals starb. (vgl. Sands 2020: 277) Dieser hatte ihn, „der den Angriff der SS auf den Ballhauslatz im Juli 1934 kommandierte, bei dem der Bundeskanzler Engelbert Dollfuß gefallen war“ und den Hudal beschönigend „Vizegouverneur von Polen“ (Hudal 22018: 298) nennt, zuvor unter falschem Namen in Rom versteckt. Kaum weniger schlimm als dies: Hudal tat in einem Schreiben an das Päpstliche Staatssekretariat vom 12. September 1949 Berichte über diesen Skandal als Verleumdung eines „Journalisten jüdischer Rasse und protestantischer Konfession“ (Klee 1991: 49) ab – und gab eben damit zu erkennen, dass ihm das biblische Lügeverbot nicht einen Pfifferling wert ist und Antisemitismus nach Art der Nazis inzwischen zu einer zweiten Haut geworden war, das Kreuz bei ihm also in eins ging mit dem Hakenkreuz.

Dies, ich gebe es gerne zu, rechtfertigt keinen Auftritt unseres Mr. Y als King Kong neben dem Bergkreuz. Aber auch mir bleibt schließlich ja nichts anderes übrig als die beharrliche Wahnung, dass der Weg unserer Gegner nie und unter keinen Umständen der unsere sein darf.

Illustration: © Tom Minnes

Autor: Prof. Dr. Christian Niemeyer, Berlin

Text: Entnommen, als Leseprobe, einem wichtigen Abschnitt meines neuen Buches „Die AfD und ihr Think Tank im Sog von Trumps wie Putins Untergang“ (i. V., Frühjahr 2023). Literaturnachweise dortselbst oder per Mail an den Verfasser.

[1] Ein Jahr auf Bewährung für einen jetzt 28-Jährigen, 200 Arbeitsstunden für dessen 23-jährigen Mittäter (nach Jugendstrafrecht), beide Urteile weit unterhalb der Forderungen der Staatsanwaltschaft (drei Jahre und vier Monate o. Bewährung, ein Jahr und neun Monate m. Bewährung)

[2] Dies zeigte die mir von Mr. Y überreichte Liste mit Namen wie Benedikt Kaiser, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Götz Kubitschek, Martin Lichtmesz und Andreas Vonderach. Eine Besonderheit: Per Interview schalte sich hin und wieder die AfD-Parteiprominenz ein, etwa in Gestalt von Alexander Gauland und Björn Höcke.

[3] Hudals Buch wird seit 2018 vom ARES Verlag nach dem print-on-demand-Verfahren in Vorrat gehalten, gleichsam aus Verpflichtung gegenüber einer auf das Jahr 1955 zurückgehenden Verabredung des Verlags mit dem Autor.  

[4] Weitere Preisträger (Auswahl): David Hoggan, Hans Grimm, Heinrich Härtle, Arno Breker, Erich Kern, Adolf von Thadden, Holle Grimm, Wilfred von Owen und Gerhard Frey. Referenten auf Kongressen der GfP (seit 1975, Auswahl): David Irving, Gerd Schulze-Rhonhof, Reinhard Uhle-Wettler, Annelies von Ribbentrop sowie Thor von Waldstein – Listen wie aus dem Gruselkabinett des ‚Doktor Haldenwang‘, in die aufgenommen zu werden Götz Kubitschek offenbar fürchtet nach Art des vielbeschworenen Teufels.

[5] Helmut Sündermann, Kurt Zisel, Erich Kern, Herbert Böhme und Peter Kleist. Unter den Mitgliedern ragen die Namen Hjalmar Schacht, Erwin Guido Kolbenheyer sowie Will Vesper (vgl. Dudek / Jaschke 1984, Bd. I: 47) sowie Annelies von Ribbentrop heraus, die in Sündermanns rechtsradikalem Druffel-Verlag ebenso publizierte wie Heinrich Härtle.