Ablehnung von Antisemitismus und Rassismus im Konflikt

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Der von Meron Mendel, Sabaa-Nur Cheema und Sina Arnold herausgegebene Sammelband „Frenemies. Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker*innen“ enthält über 40 inhaltlich ganz unterschiedliche Texte, welche sich mit den aktuellen Differenzen der Gegner von Antisemitismus und Rassismus beschäftigen. Meist handelt es sich um kurze Beiträge, wodurch ein einführendes Lesebuch zum Thema entstanden ist. Gleichwohl wirken manche Abhandlungen durch diese Kürze auch ein etwas oberflächlich und pauschal.

Von Armin Pfahl-Traughber

Antisemitismus gilt als eine Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rassismus ebenso. Betrachtet man die zu derartigen Einstellungen vorliegenden Forschungen, so lässt sich zwischen den jeweiligen Anhängern auch eine große Schnittmenge ausmachen. Umgekehrt gibt es bei der Ablehnung dieser beiden Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ebenso große Schnittmengen. Doch seit einigen Jahren kommt es in diesen Kontexten immer wieder zu Zerwürfnissen. Sie haben ihren Ausgangspunkt häufig in unterschiedlichen Einstellungen zu Israel: Während Antisemitismus-Gegner in der Feindschaft gegen den Staat judenfeindliche Wurzeln vermuten, wird ihm gegenüber ein Kolonialismus-Vorwurf von Rassismus-Gegnern erhoben. Bestärkung erfahren diese Differenzen noch durch die Feststellung, dass man antisemitische Einstellungen auch bei den Opfergruppen des Rassismus findet. Allein deren Benennung löst dann polarisierte Kontroversen zwischen den gemeinten Polen aus.

Ihnen gegenüber wollten die Herausgeber eines Sammelbandes einen Vermittlungsversuch starten. Gemeint sind Meron Mendel, Saba-Nur Cheema und Sina Arnold und ihr Projekt „Frenemies. Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker*innen“. Doch schon die darin abgedruckte Einleitung trägt den Titel: „Warum dieses Buch ein Fehler war. Über Freund- und Feindschaften im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus“. Die Herausgeber berichten darin über einen gescheiterten Pluralismus. Insgesamt 15 Autoren zogen ihre Beiträge zurück, was einige von ihnen in einer gemeinsamen Erklärung erläutert haben. Gleichwohl kam der Band als umfangreiche Sammlung zustande. Auf 350 Seiten finden sich 46 gesonderte Texte, jeweils häufig nicht länger als fünf Seiten.

Aufgegliedert wurden sie in vier Kapitel, wozu hier nur ein Überblick gegeben werden kann: Zunächst geht es um Antisemitismus und Kolonialrassismus bzw. „antimuslimischen Rassismus“, wozu sich jeweils Beiträge mit kurzen Grundsatztexten finden. Dem folgen Abhandlungen zu ganz unterschiedlichen Themen: Definitionsfragen zum Antisemitismus, Besonderheiten eines muslimischen Antisemitismus, die Einschätzung der BDS-Kampagne, den „antimuslimischen Rassismus“, Rassismus und Sprache sowie Rassismus und Kapitalismus im Kontext, Erinnerungskonkurrenzen um Holocaust und Kolonialismus, den jüdisch-muslimischen Dialog, einen möglichen Antisemitismus und Rassismus bei Linken sowie die Erinnerungsformen im Kulturbetrieb. Und schließlich blicken diverse Autoren auf die Entwicklung in anderen Ländern, gibt es doch Fallstudien zu Frankreich, Israel, Südafrika und den USA. Die letzten Artikel gehen dann noch auf die mögliche Bildungsarbeit gegen die erwähnten Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Man hat es demnach mit einem in Form und Inhalt umfangreichem Sammelband zu tun. Den Autoren konnte man schlecht einzelne Begriffsnutzungen „vorschreiben“, gleichwohl entstehen sicherlich so inhaltliche Fehlwahrnehmungen bei den konkreten Zuordnungen. Der Hinweis auf die IHRA-Definition von Antisemitismus mag als Beispiel genügen. Bedenklich ist auch, dass Autoren die Bezeichnung „antimuslimischer Rassismus“ nutzen, ohne sich mit der Kritik an diesem Terminus und seiner mangelnden Trennschärfe auseinander zu setzen. Viele Beiträge, die eben nur wenige Seiten umfassen, kommen nicht über eine thesenhafte Oberflächlichkeit hinaus. Immer wenn wie bei den Länderstudien mehr Platz ist, steigen auch die Aussagekraft und das Niveau der Texte. Wenn man den Band aber als Einführung in die Kontroverse und damit als ein Lesebuch nutzen will, steht er für einen informativen Überblick. Auffällig unterrepräsentiert sind kritische Beiträge zur BDS-Kampagne. 

Meron Mendel/Saba-Nur Cheema/Sina Arnold (Hrsg.), Frenemies. Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker*innen, Berlin 2022 (Verbrecher-Verlag), 351 S., Bestellen?

–> Beyond Frenemies
Gemeinsame Erklärung zur Rücknahme unserer Beiträge aus dem Sammelband „Frenemies“