Zum Tode von Rabbiner Henry Brandt

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Universitaet Potsdam - Vortrag Landesrabbiner Henry G.Brandt - Erfahrungen und Perspektivenin der interreligioesen Begegnung

Der Rabbiner und Zeitzeuge Henry Brandt ist am gestrigen Montag im Alter von 94 Jahren verstorben.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, erklärte hierzu:

„Wir trauern um Rabbiner Henry Brandt sel. A., der am gestrigen Montag im Alter von 94 Jahren verstorben ist. Mit ihm verlieren Deutschland und die jüdisch-deutsche Gemeinschaft eines ihrer wichtigsten Gesichter und eine ihrer eindringlichsten Stimmen. Wie kaum ein Zweiter hat Rabbiner Brandt dazu beigetragen, nach der völligen Zerstörung das jüdische Leben in seinem Geburtsland Deutschland wieder aufzubauen. Wir alle werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.“

Knobloch erklärte weiter: „Brandt war einer der letzten Zeitzeugen der NS-Zeit in München, sein Tod ist daher ein besonderer Verlust. Er zählte zu den wenigen, die noch die alte Hauptsynagoge gekannt und den Horror des Jahres 1938 mit eigenen Augen erlebt haben; seiner Familie gelang noch die Auswanderung. Brandt diente im israelischen Unabhängigkeitskrieg und absolvierte später eine Rabbinerausbildung in England. Ab den Achtzigerjahren führte sein Weg ihn wieder nach Deutschland, wo er im Laufe der Jahre mehrere Gemeinden betreute und sich dabei große Verdienste erwarb. In seiner Heimatstadt München ist er uns vor allem als engagierter Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben in Erinnerung geblieben.“

Trauer um Rabbiner Henry G. Brandt

Der Zentralat der Juden in Deutschland hat mit tiefer Trauer auf die Nachricht des Todes von Rabbiner Henry G. Brandt reagiert. Rabbiner Brandt zählte zu den prägenden Persönlichkeiten im liberalen Judentum sowie im jüdisch-christlichen Dialog in Deutschland.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster erklärte: „Rabbiner Brandt hat über Jahrzehnte mit Klugheit und einem großen Wissen den jüdisch-christlichen Dialog geführt. Dabei ist es ihm gelungen, auch in schwierigen Phasen den Gesprächsfaden nie abreißen zu lassen. Beharrlich und ohne den eigenen Standpunkt zu verleugnen, hat er immer wieder Brücken zu den Kirchen geschlagen. Daneben ist aber auch seine Arbeit als Landes- und Gemeinderabbiner sowie als Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz zu würdigen. Rabbiner Brandt war im besten Sinne Lehrer und Ratgeber. Er hinterlässt eine große Lücke. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.“

Rabbiner Henry G. Brandt wurde 1927 als Heinz Georg Brandt in München geboren. 1939 gelang seiner Familie in letzter Minute die Flucht nach Großbritannien. Von dort gelangte Henry G. Brandt nach Palästina. Dort diente er ab 1947 in der jüdischen Untergrundorganisation Palmach, anschließend als Flottenoffizier in der entstehenden israelischen Marine. Nach Kriegsende studierte er Wirtschaftswissenschaften in Belfast. Nach kurzer Arbeit in der Automobilindustrie wandte sich Henry Brandt (nun als britischer Staatsbürger) dem Rabbinatsstudium am Leo Baeck College zu, das er 1966 abschloss. Es folgten Rabbinatsstellen in Leeds, Genf, Zürich und Göteborg (Stadtrabbiner). 1983 kehrte er als Landesrabbiner von Niedersachsen nach Deutschland zurück. 1995 bis 2005 war er Landesrabbiner von Westfalen-Lippe. Von 2004 bis 2019 war Rabbiner Brandt Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands. Zuletzt war er Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. Von 1985 bis 2016 war er Jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Rabbiner Brandt war verheiratet und hatte vier Kinder sowie sieben Enkel.

Foto: (c) Margrit Schmidt