Wer, zum Teufel, ist Michael Klonovsky?

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Eine Information des „regierungspolitisch finanzierten Bundesabwahlleiters“ zu den Bundestagswahlen am 26. September für den Raum Karl-Marx-Stadt

„Wer, zum Teufel, ist Michael Klonovsky?“ Eine recht deftige Antwort auf hier schon öfter erprobte Fragen dieser Art[1] könnte lauten: „Fragen Sie den Teufel, der kennt sich mit derlei Typen aus!“ Etwas höflicher wäre es, einzuleiten mit: Wer sich auf das Thema AfD einlässt, muss einigen Irrsinn besichtigen. Auch einige Irrsinnigen, wie etwa Björn Höcke[2] oder Klonovskys Idol Donald Trump. An sich sein, Klonovskys, Bier – wäre da nicht der Umstand, dass er neuerdings etwas werden will, nämlich Bundestagsabgeordneter. Denn da greift meine Verantwortung als „regierungspolitisch finanzierter Bundesabwahlleiter“! Wie, nie gehört, diesen Titel? Da sehen Sie mal, wie professionell wir arbeiten: Wir greifen, mit in „Karl-Marx-Stadt“ (Deckname!) erbeuteten Ideen, erst ein, wenn es ernst wird, und zwar mittels Enthüllungen

Von Christian Niemeyer

„Schalom, Herr Schuster!“ – unter dieser Headline witzelte Michael Klonovsky am 9. September 2021 auf seiner Homepage[3] über den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland (ZdJ), er stünde im Blick auf Josef Schusters „Worthülsen, Phrasen und Floskeln“ als „bescheidener, aber gestrenger Sprachlehrer für vier-, fünfhundert Schekel die Stunde zur Verfügung.“ Darüber ein AfD-Wahlplakat mit der herzigen Losung: „Gegen regierungspolitisch finanzierte ‚Berufsjuden‘ in Deutschland!“ Sie, lieber Leser*innen, werden sich denken können, wie sehr mich als regierungspolitisch finanzierten ‚Bundesabwahlleiter‘ speziell diese Wortwendung auf dem Wahlplakat erschütterte. War man uns also auf der Spur? Und: Wo war das Datenleck? Sowie, natürlich, s. oben: Wer, zum Teufel, ist Michael Klonovsky?

Auf der Suche nach einer Antwort stieg ich sicherheitshalber ganz oben ein: beim Spiegel. Indes: Selbst dieser Ikone des deutschen Qualitätsjournalismus – zumindest bis hin zum Fall Claas Relotius, – war noch vor wenigen Monaten dieser Name nicht wichtig genug. Die ansonsten wohlinformierten und sehr gut informierenden Spiegel-Rechtspopulismus-Expert*innen Ann-Kathrin Müller & Severin Weiland berichteten beispielsweise Mitte Februar 2021 über den „Aufstellungsparteitag“ der AfD in Sachsen nur:

„Der erste [Kandidat aus Jörg Meuthens Lager; der Verf.] scheiterte kläglich bei Platz zwei und danach auch bei Platz drei, dann trat er nicht mehr an.“ (SP Nr. 7/13.2.2021: 25)

Nicht sehr ergiebig, zumal man nicht erfährt, wer „er“ ist – nämlich Klonovsky, dessen Namen wiederzugeben, so Weiland am 13. Februar 2021 auf meine Rückfrage hin, der Platz fehlte. Und erneut Fehler machen (s. Relotius) wollte man offenbar auch nicht.

Wenngleich: Ob es kein Fehler ist, den Platz nicht zur Verfügung zu stellen für den Namen dieses langjährigen Kollegen vom Focus, scheint mir doch durchaus fraglich. Zumal angesichts des Ortes, zu dem uns dieser Name führt: Chemnitz. Und zu dem sich Klonovsky nur einen Tag vor Erscheinen des erwähnten Spiegel-Artikels auf seinem Blog Acta diurna[4] wie folgt geäußert hatte: Er, nicht über die Liste abgesichert, aber immerhin AfD-Wahlkreiskandidat in Chemnitz für die Bundestagswahl am 26. September, werde Überweisungsträger zur Finanzierung seines Wahlkampfs nicht unter der bei dieser Stadt ja naheliegenden Betreffzeile „Hase, Du bleibst hier!“ erwarten, ein einfaches „Wahlkampf Klonovsky“ genüge. Ich fand dies auf den ersten Blick, witzig, gemessen an der neu-rechten Empörung, mit der ansonsten auf den ‚Hase‘-Spruch und dessen Thematisierung in der „Lügenpresse“ reagiert wird, übrigens, wie wir gleich sehen werden, unter kräftigem Mittun Klonovskys. Witzig fand ich, gleichfalls nur auf den ersten Blick, auch Klonovskys Abfuhr für die uns aus einer Glosse[5] bekannte Kubitschek-Perle Ellen Kositza vom Januar 2021.[6] Kositza hatte auf Twitter gewitzelt, Klonovsky, der unter 50 Euro keinen Wein anrühre, passe nicht zu Chemnitz. „Bitte kein Chemnitz-Bashing!“ – so ähnlich Klonovskys schlagfertige Replik, jedenfalls wenn man sie aus seiner Idee, ihn einfach wahlkampfmäßig unter der Headline

„Ein Snob für Chemnitz“

anzukündigen, herauspult. Mit welcher ihm, wie mir, wiederum auf den ersten Blick, schien, auf elegante Weise der Ausweg gelungen war aus der von Kositza gebauten Löw*innengrube AfD.

Dann aber stieg in mir, auch dank älterer Spiegel-Hefte, eine düstere Ahnung auf. Denn Chemnitz – dies meinte ja nicht nur jenes im Übrigen keineswegs so lustige „Hase, Du bleibst hier!“ vom „Hetzjagden-Sommer“ 2018, dies meinte vielmehr auch die Vorgeschichte dessen. Und an dieser hat Klonovsky seine Anteile – so sehr, wie mir scheinen will und im Folgenden begründet werden soll, dass der Spruch „Ein Snob für Chemnitz“, anspielend auf den elitären Weingeschmack Klonovskys, möglicherweise kaum mehr ist als eine Nebelkerze. Die verdecken soll, welcher Werbespruch der, zumal im Rückblick auf sein eingangs geschildertes Schuster-Bashing vom 9. September 2021, eigentlich auf Klonovsky passende ist, unter Berücksichtigung der allerneusten Variation als Ergebnis der Abstimmung unter Klonovsky-Fans:

„Courage für Chemnitz“,

eine Version, die mir an sich ganz gut gefällt, zumal sie mich vor dem Konter

„Ein Hetzer für Chemnitz“[7]

bewahrt, zugunsten eines nun gleichfalls weit weniger personalisierenden Slogans wie

„Etwas Verhetzendes für Chemnitz!“,

besser vielleicht:

„Etwas Verhetzendes, besser noch als jenes von Maximilian Krah, für Chemnitz!“

Der Name kommt jetzt vielleicht etwas überraschend, weswegen sich genaueste Begründung anempfiehlt. Also gut:

Wir schreiben den 4. September 2018, einen Tag nach dem unter dem Motto Wir sind mehr stehenden, von rund 65.000 Zuschauern besuchten kostenlosen Konzert gegen Rechtsextremismus (u.a. mit Die Toten Hosen), das ein wenig Vernunft zurückbringen sollte nach der Aufregung rund um das Chemnitzer Stadtfest (24. bis 26. August), bei dem der Deutsch-Kubaner Daniel Hillig durch Messerstiche tödlich verletzt wurde, mit der Folge von gewalttätigen Ausschreitungen am 26. und 27. August unter Einschluss eines mit Steinen ausgeführten Angriffs auf das jüdische Restaurant „Schalom“ und dessen Betreiber[8] sowie einen Schweigemarsch am 1. September unter Beteiligung u.a. von Martin Sellner, Andreas Kalbitz, Götz Kubitschek, Björn Höcke sowie Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz. Damit geriet die Veranstaltung zu einem demonstrativen Schulterschluss zwischen PEGIDA und AfD. (vgl. Weiland 2018)  Hinzugerechnet die Neonazi-Szene in Gestalt etwa von Stephan Ernst und Markus Hartmann, die sich 2020, aufgehetzt vom im März 2021 wg. Geldwäscheverdacht festgenommenen Szene-Anwalt Dirk Waldschmidt, darüber zerstritt, wer denn nun Walter Lübcke ermordet habe. Kaum weniger erinnernswert: Das sog. Hasi-Video vom Nachmittag des 26. August, welches den kurzzeitig von Klonovsky für seinen 2021er Wahlkampf in Betracht gezogenen Spruch „Hase, Du bleibst hier!“ dokumentiert und zum Streit darüber führte, ob auf dem 19 Sekunden langen Video Szenen zu sehen seien, die an Hetzjagden auf Andersfarbige, sog. POC’s, denken lasse. Was wiederum zu Debatten über die Echtheit dieser Videos führte, in deren Verlauf Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsident wg. vehementen Bestreitens eben dieser Echtheit seinen Hut nehmen musste. Insgesamt also hinreichende Gründe von verantwortungsvoller Seite, die Gemüter ein wenig zu beruhigen.

Doch was tat an jenem 4. September besagter Krah, der 2016 wg. Merkels Flüchtlingspolitik die CDU (Sachsen) verlassen hatte und der AfD beigetreten war, in seiner Funktion als stellvertretender AfD-Vorsitzender Sachsens? Ganz einfach – er löschte im rechtspopulistischen, AfD-nahen Deutschland-Kurier mit Benzin, indem er die denkwürdigen Sätze niederlegte:

„Seit dem 1.1.2018 wurden in Chemnitz 60 Frauen vergewaltigt. Die Polizei sagt, 56 von Migranten, 4 von unbekannt.“ (zit. n. Gensing 2019: 66)

Die Polizei sagte zu dieser Zeit – und darum hätte Krah als verantwortungsvoller Politiker wissen müssen, womit diese Notiz etwas Hetzendes gewinnt – nichts dergleichen, im Gegenteil, und dies im Nachgang zu ihrem Dementi einer Fake News von Vera Lengsfeld. Die hatte Ende August 2018, gleichsam als Krahs Vorrednerin, die Zahlen 60/56 erstmals ins Spiel gebracht. Das dahinter verborgene Kalkül, man könne die mit ihrer Hilfe aufgestachelte Empörung der Wutbürger in Wahlstimmen pro AfD ummünzen, war offenbar auch für Klonovsky Ex-Focus– Buddy Aleander Wendt das bestimmende: In seinem neu-rechten Blog Publico zeigte dieser hochbegabte Demagoge am 3. September 2018 unter „Betr. Chemnitz“ das Plakat zum Wir-sind-Mehr-Konzert mit dem von ihm eingefügten, wie offiziell wirkenden Aufkleber:

„Das Konzert ist nicht kostenlos. Daniel Hillig hat bezahlt.“

Die Wirkung war, wie erwünscht. Ein gewisser Grand Nix beispielsweise schleuderte am nämlichen Tag per Kommentarfunktion auf Publico den auf dem Plakat angekündigten Künstlern ein deftiges „Verpisst euch aus Chemnitz, wenn ihr nicht trauern wollt für Daniel und seine Hinterbliebenen“ entgegen. Und Burkhard Minack fragte einen Tag darauf mit diabolischem Grinsen:

„Bekommt jetzt jeder Ort, an dem ein Migrant einen Menschen ersticht, ein Gratiskonzert mit Campino und den Toten Hosen? / War das also gestern der Auftakt zu einer langen Tour?“

Auch Klonovsky ließ seinen Buddy nicht im Regen stehen, lobte vielmehr Wendts „verlässlich sachliche Weise“ – und kritisierte ersatzweise Merkels „an Volksverhetzung grenzende, frei erfundene Story, die rassistischen Eingeborenen hätten Ausländer durch die Straßen gejagt.“ (Klonovsky 2019: 430 f.) Ansonsten marschierte er im Gleichschritt mit seinem anderen Buddy – Maximilian Krah – zurück auf Los, also bis ins Frühjahr 2018, als in Chemnitz, so der ARD-Journalist Patrick Gensing, „zwei vermeintliche Vergewaltigungen für Empörung“ sorgten:

„Ein junger Syrer saß 15 Tage in Untersuchungshaft, in den sozialen Netzwerken tobte der Hass. Die Ermittlungen zeigen später, dass es die Taten nicht gab.“ (Gensing 2019: 66)

Aber Krah, Klonovsky im Schlepptau, trieb es noch weiter zurück, bis zum 16. Januar 2018. Damals, so Klonovsky in seinen Acta diurna, habe Krah bei einer Rede in Chemnitz das Publikum aufgefordert, „nicht immer nur über die Motive zu rätseln, die hinter dem willkommenskulturellen Amoklauf der Kanzlerin stehen mögen, sondern einmal diejenigen in den Blick zu nehmen, die beim Götzendienst um den bon sauvage ihre eigenen Kinder zum Opfer bringen.“ (Klonovsky 2019: 47) Lassen wir einmal dahingestellt sein, ob der Journalist den Rechtsanwalt hier wörtlich zitiert oder dessen Gedanken nur in seine Sprachwelt herüberholt, zumal uns im Folgenden Krah ohnehin weit weniger interessieren wird denn Klonovsky. Der übrigens gleich nachfolgend insgesamt drei[9] Beispiele nannte zwecks Illustration der von ihm angeregten Inblicknahme, nämlich „die Eltern der in Kandel erdolchten Mia“ als auch die Eltern „der in Freiburg ermordeten Maria L.“ (ebd.) Da anzunehmen ist, dass nun, drei Jahre später, nicht jeder um diese beiden Fälle weiß, hier ausnahmsweise ein Lexikon-naher Eintrag unter Verwendung des in der Presse vielfach verwendeten Klarnamens des Opfers:

Kandel (Pfalz). Am 27. Dezember 2017 erstach Abdul D., ein im April 2016 als unbegleitet gekommener Flüchtling aus Afghanistan aus Eifersucht seine 15-jährige Freundin. Der Täter wurde wg. Mordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und erhängte sich im Oktober 2019 in seiner Gefängniszelle. Der Fall wurde insbesondere 2018 von AfD-Politikern und -Sympathisanten, darunter Maximilian Krah sowie Michael Klonovsky, zwecks Skandalisierung der Flüchtlingspolitik Merkels aufgegriffen.

Sowie:

Freiburg i. Br. Am 16. Oktober 2016 vergewaltigte und ermordete Hussein Khavari, ein Ende 2015 als unbegleitet aus Afghanistan gekommener Flüchtling in Freiburg die Studentin Maria Ladenburger. Der Täter, der gar nicht minderjährig war, wurde wg. Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung nach Erwachsenenstrafrecht zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Eltern Marias sahen sich wg. ihrer Bitte, aus dem schrecklichen Tod ihrer Tochter kein politisches Kapital zu schlagen, heftiger Kritiker aus AfD-nahen Kreisen ausgesetzt. Der Fall wurde insbesondere 2018 von AfD-Politikern und -Sympathisanten, darunter Maximilian Krah sowie Michael Klonovsky, zwecks Skandalisierung der Flüchtlingspolitik Merkels aufgegriffen.

Beide Fälle klingen nach dem Disney-Sequential Die Schöne und das Biest, nur dass die Vokabel „Biest“ in rechtspopulistischer Einverwandlung eher in Richtung von Émile Zolas la bête humaine ausschlägt und damit den von Nietzsche kritisierten Typus des Empörten aufruft, versinnbildlicht in der andernorts (vgl. Niemeyer 2020: 40 ff.) näher skizzierten Figur des ‚allerersten‘ Wutbürgers, Hermann Türck. Hier nur die Feststellung, dass sowohl die Täterprofile als auch die Tatumstände (jeweils in Kandel und Freiburg i. Br.) aus kriminologischer und sozialpädagogischer Perspektive konventionell sind, also zumal ihren gemeinsamen Merkmale zufolge gängiges sozialwissenschaftliches Erklärungswissen nicht überfordern. Die Herkunft beider Täter aus Afghanistan erlaubt Rückschlüsse auf Kriegstraumata, ihr Status als „unbegleitet“ (ob nun zurecht „minderjährig“ oder nicht, macht sozialpädagogisch gesehen keinen Unterschied) verweist auf einen erheblichen Betreuungs- und Integrationsbedarf, der, so er nicht durch entsprechende Angebote abgedeckt wird resp., wie in beiden Fällen wahrscheinlich, wurde, fast zwangsläufig dazu führt, dass jene, die Probleme haben, am Ende auch welche machen. Dass dies nicht verantwortungs- und schuldentlastend geltend gemacht werden kann resp. konnte, zeigen die Prozesse bzw. die der Tatschwere jeweils angemessenen Strafen, im Fall Kandel mit dem tragischen Ende des Suizids des Angeklagten.

Indes, und diese Frage stellt sich nun zunehmend: Sind diese vergleichsweise schlichten Routineüberlegungen eigentlich relevant für Leute wie Krah, Klonovsky & Co.? Offenkundig nein, denn ihnen geht es grundsätzlich nicht um Ankommen & Bleiben in der Logik das Asylrechts, ihnen geht es allein um „Raus!“ unter der Setzung, Flüchtlinge seien in Wahrheit und durch die Bank nichts weiter als „Invasoren“, insonderheit einer Spezies zugehörend, die von Vergewaltigungen nicht lassen kann. Die von Klonovsky angeregte Blickumkehr in Richtung der Eltern der Opfer – nur im Fall Freiburg machbar – hat insoweit nichts anderes zum Inhalt als deren Aufhetzung gegen die Kanzlerin, der anzulasten sei, gefährliche Invasoren als Flüchtlinge zu deklarieren und damit Gutmenschen, wie etwa Maria Ladenburgers Eltern, zu täuschen. Warum aber, so Klonovskys Zusatzfrage, gelingt diese Täuschungshandlung bei Westdeutschen weit leichter als bei Ostdeutschen – eine Zusatzfrage, die Klonovsky (und vor ihm Krah) an den jeweils im Westen liegenden Tatorten fixiert. In O-Ton Krah, übersetzt von Klonovsky, übertragen:

„Was, fragt er [Krah], ist eigentlich […] im Leben der Eltern […] falsch gelaufen, dass sie ihre Töchter überhaupt einer solchen Situation aussetzten?“ (Klonovsky 2019: 47)

In Übersetzung geredet: Was hat diese westdeutschen Eltern veranlasst, Merkels Wahn (etwa vom Typ „Wir schaffen das!“) zu glauben? Und warum, so frage Krah zurecht weiter, „sind gerade die Menschen in Ostdeutschland anscheinend dagegen immunisiert?“ Klonovskys Antwort geht über jene Krahs hinaus, in Richtung der zeitgleich vom vormaligen Verfassungsschützer Helmut Roewer (2018) bedienten These dass „die Gehirnwäsche im Westen […] viel smarter und tiefgreifender [war]“ (Klonovsky 2019: 48) – eine Vokabel, die aufmerken lässt und klarstellt, wovon Klonovsky hier eigentlich in verhüllter Form redet: nämlich vom Beginn derselben, skizziert im gleichnamigen Buch (Gehirnwäsche [1965]) der Neu-Rechts-Ikone Caspar von Schrenck-Notzing, der sie der von der Siegermacht USA ins Schuldbuch geschriebenen Reeducation anlastete, die wiederum von den 68er fortgeschrieben wurde mit der Folge von so grünversifften Eltern wie jenen von Maria Ladenburger, die ihre Tochter in den ihnen andressierten Glauben „von der Einen Welt, wo zehn Milliarden Gleiche einander zum energiereduzierten Massenschunkeln unterhaken, sie glauben allen Ernstes, ein Teil der Menschheit denke schon jetzt wie sie, und der große Rest strebe es an.“ Kurz und mit letztem Blick des im Erzgebirge geborenen Klonovsky auf Westdeutsche vom Typ Ladenburger sen.[10]:

„Ihr Erwachen ist blutig und wird noch viel blutiger werden […]. Wie so oft müssen die Kinder für die Torheiten ihrer Eltern, die Völker für jene ihrer Regierungen büßen.“ (ebd.: 48)

Chapeau, möchte man hier konzedieren angesichts dies geradezu durchtriebenen Versuchs, das Wahlvolk ob der fürwahr schrecklichen Taten in Kandel und Freiburg in Angst und Schrecken zu versetzen ob der Bestien, die Merkel, in Fortführung der US-Reeducation sowie jener der 68er, hineingelassen habe in unser so schönes und friedliches Deutschland; sowie ob der Verantwortungslosigkeit der Kanzlerin, der man dringend in den Arm fallen müsse bei ihrem Tun, das für ihre Untergebenen, und vor allem für deren Töchter, noch tödlich enden müsse.

Zur Nebenfrage gerät von hier aus, was aus den Ostdeutschen wird, die sich gebauchpinselt fühlen dürften ob solcher Agitatoren, die ihnen versichern, das Verhärtete an ihnen sei ganz in der Ordnung, zumal es zu hellwachen Töchtern führe voller berechtigter Skepsis gegen die „Invasoren“ zumal männlichen Geschlechts, die immer nur das Eine wollten und es sich, geistig verwüstet durch ihren Glauben (Islam) und den seit Jahrzehnten währenden Terror in ihrer Herkunftsregion, zur Not mit Gewalt nähmen. Entscheidend ist die Hauptsache: die Einsicht nämlich, dass es gelte, der Kanzlerin endlich in den Arm zu fallen – wie dies Klonovsky schon seit vielen Jahren für geboten hält. Denn bedenken wir doch, zumal es ansonsten kaum einer tut, der Spiegel jedenfalls nicht: Klonovsky hat schon in seiner Zeit bei Focus (zwischen 1992 und 2016) durch die von ihm zu verantwortende Berichterstattung dafür gesorgt, dass dieses Nachrichtenmagazin sich den fragwürdigen Nimbus erwarb, exklusiv die rassistischen Motive hinter dem Fall Mügeln 2007 geleugnet zu haben. (vgl. Schellenberg 2013: 48 ff.) Im nämlichen Jahr orchestrierte Klonovsky eine gemeinsame Kampagne von Focus und Junge Freiheit pro Felix Krautkrämer, der aus Rache für ein kritisches Buch über die Junge Freiheit (Braun / Vogt 2007) deren Verfasser mit Linksextremismus in Verdacht gebracht hatte (vgl. Krautkrämer 2008; 2010) – jeweils mit dem vormaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl als Vorredner. Der so tat, als stünde eine neue RAF ins Haus, wenn man den „linksradikalen Kumpanen“ des „Westentaschen-McCarthy von links“ (= Stephan Braun (SPD) (Stahl 2008: 6) nicht das Handwerk lege. Darunter – um aus der von Stahl damit abgesegneten Krautkrämer-Liste ein, wie ich meine, besonders abstruses Beispiel zu nennen – Andrea Livnat und deren „linksradikales Onlinemagazin ‚haGalil‘.“ (Krautkrämer 22008: 35)

Mehr als dies, mehr an Unsinn: Klonovskys gleichfalls im Focus zum Vortrag gebrachtes, vom Griechenbild der Nazis[11] inspiriertes Griechen-Bashing hat fast im Alleingang dafür gesorgt, dass darob empörte Griechen mit Anti-Merkel-Plakaten durch Athen liefen, auf denen die deutsche Kanzlerin mit Hitlerbärtchen zu sehen waren. Diese im Verein mit dem eben rekonstruierten Merkel-Bild als Dämonin, die die Töchter grünversiffter Eltern den „Invasoren“ als Opfergabe feilbietet, hat ihn womöglich überhaupt erst auf die Idee gebracht, die Sache noch ernster zu nehmen und die Gleichung „AH=AM“ immer wieder neu zu beleuchten, kulminierend im folgenden Eintrag in seinen eben schon beigezogenen Acta diurna 2021:

„Die mittlerweile offen zutage tretende Lust [Angela Merkels] mit immer weiteren, verschärften Lockdowns [wegen Corona] verbrannte Erde zu hinterlassen, gleicht den Nerobefehlen ihres Vorgängers [Adolf Hitler].“[12]

„Verbrannte Erde?“ „Nerobefehl?“ Ja, liebe Leserin, lieber Leser, Sie raten richtig: Klonovsky, schwer traumatisiert durch die Abwahl seines Idols Donald Trump und mutmaßlich im Wein, sorry: im Wahn, den Ersatz-Wüterich geben zu müssen, zog im Januar 2021 tatsächlich eine Parallele zwischen Merkels Anti-Corona-Maßnahmen und dem ‚Führerbefehl‘ vom 19. März 1945 (auch ‚Nero-Befehl‘ genannt; vgl. Fest 1973: 996) mit dem Betreff „Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet“. Hitler damals, ein deutliches Zeichen gebend für seine „Verhaltensänderungen in der letzten Phase“ (Redlich 2016: 226), zumal er parallel am Exempel eines Modells der Stadt Linz den „dahingegangenen Traum vom ‚Schönheitsstaat‘ [beschwor]“ (Fest 1973: 997): Der Feind werde im Fall seines Rückzugs ohnehin „verbrannte Erde“ hinterlassen, so dass es keinen Sinn mache, ihm Deutschland unzerstört zu hinterlassen, weswegen er befehle:

„Alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebiets, die sich der Feind für Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.“ (Hubatsch 21983: 303; Ueberschär/Müller 2005: 165 f.)

Als Hitler diesen am 30. März durch „Durchführungsbestimmungen“ ergänzten und am 4. April vom „Chef OKW“ Wilhelm Keitel abgezeichneten Befehl ausgab, musste eigentlich jedem klar sein, dass Hitler, wie Kaiser Nero weiland in Rom, nicht mehr zurechnungsfähig war. Kein Argument für Keitel, berühmt-berüchtigt für seinen „blinden Gehorsam“ (Mitcham 1998: 117) bei niedriger Intelligenz. Und eben deswegen vielleicht ein Argument für Klonovsky, insofern er eben diese Diagnose benötigt, um neben AH auch AM für unzurechnungsfähig zu erklären, deutlicher: ihr, der „Volksverräterin“, wg. ihrer Corona-Diktatur und der dieser angeblich anzulastenden vielen Toten eine analoge, von den Folgen her vergleichbar toxische Verachtung des „deutschen Volkes“ zu attribuieren, wie es sich in Hitlers Testament ausspricht in Gestalt des legendären und von Klonovsky in seinem hier in Rede stehenden Acta-diurna-Eintrag vom 13. Januar 2021 beigezogenen Bestimmung, dass es sich ihm, AH, nicht als Wert erwiesen habe, also untergehen soll…

Irre, diese Analogsetzung von AH’s ‚Nerobefehl‘ mit AM’s Lockdown? Sicherlich, vor allem aber, von den Wirkungen her: gefährlich im Blick auf jene zahllosen Klonovsky-Follower, die durch derlei Ableitungen geradezu in einen (deutschen) Anti-Merkel-Widerstand à la „Jana-aus-Kassel“ hineingetrieben werden. Gleichwohl, bezogen auf diesen Fall: Ich teile zwar nicht Merkels auf Trumps „Sturm-aufs-Kapitol“-Rede vom 6. Januar 2021 bezügliche Verteidigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung unter allen nur denkbaren Umständen. Im Fall von Klonovskys, wie ich nun variieren möchte, „Sturm-auf-den-Führerinnenbunker“-Blog vom 13. Januar 2021 muss ich aber eine Ausnahme machen und, im Sinne der Kanzlerin, fordern: Lasst ihn schreiben! Denn wie sollen wir – und es ist mir, wie andernorts (s. Fn. 2 sowie Niemeyer 2021: 116 ff.) erläutert, leider nicht vergönnt, den Hallenser Psychiater Hans-Joachim Maaz in dieses „Wir“ inkludieren, – sonst zu einer Diagnose gelangen?

Welche Diagnose eigentlich genau? Nun, ich neige dazu – Sie dürfen an dieser Stelle durchaus ein wenig lachen, zur Entspannung –, im Fall Klonovsky auf „galoppierenden Fanatismus“ zu erkennen, differentialdiagnostisch abgrenzbar vom „trabenden Fanatismus“, wie er uns noch vor bald drei Jahren begegnete, konkret: in Gestalt von Klonovskys Kommentar vom 17. September 2018 zum Fall Hans-Georg Maaßen. Damals nämlich schien es mir noch vergleichsweise moderat – der Maßstab bildet hier der vormalige Ulfkotte-Co-Autor Stefan Schubert (von „perfide abserviert“ bis „aus dem Weg geräumt“ [Schubert 2020: 141, 215]) –, Klonovskys Urteil:

„Das Imperium schlägt zurück: Angela ‚Hetzjagden‘ Merkel will Verfassungsschutzpräsident Maaßen den Hyänen des linksgrünen Gesinnungskartells zum Fraß vorwerfen, also entlassen. Bestrafe einen, erziehe tausend!“ (Klonovsky 2019: 453)

Im gleichen Stil zurückgeholzt unter Einbezug der Weiterung Klonovskys, Maaßen sei entlassen worden, „weil er eine Lügengeschichte der Kanzlerin dementierte“ (Klonovsky 2020: 43), womit sie, so die Assistenz des eben erwähnten Psychiaters aus Halle in dieser Frage, „die Spaltung des Landes verschärfte“ (Maaz 2020: 132): Ist das noch Focus – oder schon Völkischer Beobachter? Auch auf die Gefahr hin, dereinst von Klonovsky, wie es am 7. Januar 2019 Hajo Funke widerfuhr, der „Fascholalie“ verdächtigt zu werden, derentwegen ich mich „in einer vor Publikum schreibenden Selbsthilfegruppe ähnlich Gehandicapter zu therapieren“ (Klonovsky 2020: 26) bemühte: Ich vermag nichts Normales zu erkennen in Klonovskys Spott vom 8. November 2019 über den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume – andeutungsweise auch „Antisemiten-Scheuche“ geheißen –, der den „Buchstabierwaschgang“ (ebd.: 475) anschmeiße ‚nur‘ wegen des Wörtchens „Nathan“, das man vor 1933 beim Buchstabieren zu sagen hatte und bitte doch nun auch wieder sagen möge statt „Nordpol“. Schließlich – nämlicher Tag, vergleichbarer Schwachsinn – werde ich auch in Zukunft nicht mit meiner Empörung zurückhalten über einen Bundestagskandidaten wie Klonovsky, der einen Rechtsextremisten, der einem Juden in einem Freiburger Fitnessstudio die Kipa herunterriss, Prügel androhte und mehrmals „dreckiger Jude“ oder „dreckige Juden“ schrie, dahingehend verbesserte, es heiße „korrekt ‚dreckige Jüdinnen und Juden.‘“ (ebd.) Ja, mein lieber M. K., Sie dürfen in Deutschland Witzchen dieser Art ohne Ende reißen und ohne Ende „Fascholalie“ auf Seiten Ihrer Kritiker diagnostizieren. Aber bitte erwarten Sie nicht, dass man Sie außerhalb der Kreise Ihrer schenkelklopfenden Sauf- und Sangesbrüder ernst nimmt und achtet.

Zurückhaltender gefragt, nachdem hiermit wohl hinreichend klar ist, dass dieser „Romanautor, Essayist und Publizist“ auch seine dunklen Seiten hat, früher (1992 bis 2016), beispielsweise „beim Magazin Focus war“ (Klonovsky 2019: Rückumschlag): Wer?, was? sowie: Wie viele? ist Klonovsky ansonsten noch? Oder handelt es sich bei Fragen wie diesen um sein (Dienst-)Bier? Wohl kaum, und dies zumal seitdem er ein öffentliches Amt anstrebt. Und um mit dem Witz davor weiterzumachen: Mir scheint, der Top-1000-Amazon-Kundenrezensent Michael Dienstbier[13] könne glatt als Klonovskys Pressesprecher durchgehen, so gewieft, mehr als dies: so sehr für Insiderwissen zeugend äußert er sich in seinen zahlreichen Klonovsky-Rezensionen über die nächsten karrieremäßigen Schachzüge des von ihm Angehimmelten. Zu verdächtig also, nicht seriös genug, so dass ich mich sicherheitshalber auf meine eigene, vielfach als objektiv und zurückhaltend bewertete (ha! ha!) Schreibe verlasse: Allererst handelt es sich bei Klonovsky um einen gelernten Maurer mit polnischen Wurzeln und etwas ungewöhnlicher Berufseinmündung als Journalist, lange Zeit spin doctor, in deutscher Übersetzung, lt. Langenscheidt: „offiziell eingesetzte(r) schönrednerische(r) Pressesprecher(in)“, eine Übersetzung, die nahezu perfekt passt auf einige Jobs dieses langjährigen Focus-Redakteurs, etwa, 2016, unter Frauke Petry, aber, vor allem und dies seit 2018, bei Alexander Gauland als dessen persönlicher Referent. Um die in der Kapitelüberschrift untergebrachte Verhohnepiepelung „(Spinn-)Doktor“ verständlich zu machen und die Wende hinzubekommen hin auf Björn Höcke, sind weitere Erläuterungen zu diesem, ginge es nur nach ihm und nicht nach dem „Spinner“[14] Jens Maier, künftigen AfD-Bundestagsabgeordneten erforderlich. Darunter die Einschätzung meinerseits, dass es sich bei Klonovsky, überaus erfolgreich mit seinen inzwischen in sechs Bänden auch als Printversion vorliegenden, seit 2012 regelmäßig geführten Acta diurna nicht nur, wie eben behauptet, um den gefährlichsten, sondern zugleich um den wohl eloquentesten, witzigsten und intelligentesten aller deutschsprachigen Rechtspopulisten handelt. Wäre da nicht der Name Dienstbier, der für einen Intelligenzdefekt doppelten Charakters Zeugnis zu geben scheint: an sich, also als Name; aber auch für sich, also im Blick auf die nicht hinreichend durchdachte Komposition dieser Figur. Wie mir scheinen will.

Wobei – kaum überraschend, wir befinden uns ja noch immer auf Erkundung in der Welt der Irrsinnigen – durchaus auch manch anderer Schuss daneben gehen kann. So ist es von der einigermaßen witzigen Widmung der Acta diurna 2018 („Für Greta, die tapferste Schulschwänzerin sei Pippi Langstrumpf“) über jene des Folgejahres („Für alle Gefallenen im ‚Kampf gegen rechts‘“) inklusive der Charakterisierung des „verwirrten Schwedenmädels“ Greta Thunberg als „ein bisschen meschugge“ (Klonovsky 2020: 407) sicherlich ein weiter Weg, pardon: „Sonderweg“ (um auf den Namen der Edition anzuspielen, in welcher Klonovskys Tagebuchfolge seit 2012 erscheint), den als Holzweg zu erkennen es wohl schon eines „Stolpersteins“ bedurft hätte. Ganz abgesehen davon widerspricht die Grandezza, mit der Klonovsky in der erstgenannten Widmung der Fridays-for-future-Aktivistin gedenkt, so vollständig der Verachtung der Sache, für die sie eintritt, dass man nur von einer üblen Täuschung nach Art des bösen Wolfes sprechen kann – der dort, wo er Klartext spricht, genau weiß, welcher zu hassenden Spezies Thunberg zugehört: jener nämlich, die „die Bevölkerung zu hysterisieren [versuchen], indem sie den Klimawandel als menschengemacht und als größte Gefahr für das Menschengeschlecht darstellen“, nur um die „Bevölkerungsexplosion […] und die daraus resultierende Völkerwanderung kleiner ausschauen zu lassen.“ (Klonovsky 2018: 46) Es ist die Um-zu-Konstruktion in diesem Satz, die das Ansprechen zweier für sich wichtiger Problemkomplexe mit verschwörungstheoretischen Geschmäckle versieht, des Weiteren: die zur Folgerung verpflichtet, jedenfalls im inner circle der Klonovsky-Gläubigen, die Thunberg-Verachtung müsse der DNA der AfD eingeschrieben werden, weil ihre Klimawandel-Thematisierung die Aufmerksamkeit von jener Völkerwanderung abzieht, aus deren Skandalisierung „wir von der AfD“ unsere Wählerstimmen gewinnen.

Auf diese Weise also formt sich eine Sekte allmählich ihren Glauben, gleichsam bis zum bitteren Ende hin, insoweit sich alle zusammen langfristig im Gleichschritt mit dem voranschreitenden Klimawandel zur ferneren Realitätsverleugnung verpflichten, wie angedeutet: Sekten-analog und sich eine Parallelwelt schaffend, die, wie einleitend gezeigt, einer Welt der Irrsinnigen recht nahe kommt, aber – und dies ist jetzt neu – diese vor allem auf Seiten der Anderen sichtet, genauer: auf der Seite der Undeutschen. Dies ist zwar keine Vokabel Klonovskys, sondern, eher schon, eine Nietzsches aus der Zeit seiner Wagnerüberwindung[15], liegt aber nahe aufgrund seines einleitend gemeinten entnervten Ausrufs:

„Fast alles, was ich hasse, ist deutsch. Fast alles, was mich anwidert, ist deutsch. Fast alles, was ich verachte, ist deutsch.“

Dem folgt, als ein besonders instruktives Beispiel, auch der an Udo Ulfkotte gemahnenden (vgl. Ulfkotte 32013: 207 f.) Diktion wegen:

„Was mir im Reichshauptslum Berlin entgegenkommt, den linken Teil des Schädels kahlrasiert, blaue Strähnen rechts, ein Pfund Blech gleichmäßig im Gesicht verteilt, im Unterhemd, mit zerfetzter Jeans, Wagner für einen Pizzafabrikanten und den Kapitalismus für den Weltfeind haltend, aber für einen Sexisten immer noch irgendwie als weiblich erkennbar, ist […]: deutsch!“ (Klonovsky 2020: 264)

Das Ausrufezeichen deutet es an: Klonovsky meinte dieses mittels der Spießer-Attitüde „Ich war niemals jung!“ abgesicherte Werturteil skandalisierend, wollte also eigentlich sagen: dies ist undeutsch! Und er gerät eben damit auf ein Gleis, das uns zurückführt in die NS-Zeit, zu deren Beginn es unter Geltendmachen von In-/Out-Listen vom Typ ‚deutsch‘/‘undeutsch‘ sowie ‚unentartet‘/‘entartet‘ ans große Aussieben ging, auch im Blick auf die von Klonovsky gleichfalls als ‚undeutsch‘ markierten und unter das spöttisch gemeinte Attribut „Fernstenliebe aus Mangel an Nächsten“ gerückten „kinderlosen Frauen, die eigene Kinder unter Klimaschädlinge rubrizieren, aber afrikanische Kinder am Bahnhof mit Teddys begrüßen.“ (ebd.: 265)

Nochmals, etwas deutlicher: Dieser AfD-Vordenker hat, wohl, weil ihm als Zu-spät-Geborenem (Jg. 1962) die Sozialisationserfahrung eines von seinen Alters-, Gesinnungs- und Spießer-Genossen Udo Ulfkotte (Jg. 1960) und Karlheinz Weißmann (Jg. 1959) gleichfalls heftig bespöttelten Alt-68er nicht zuteilwurde, die elementarste Lektion einer „Erziehung nach Auschwitz“ schlicht nicht verstanden: die nämlich, dass es ‚nie wieder!‘ sein darf, persönliche Geschmacksnerven mittels deutschtümelnder Attribute in solche von nationaler Bedeutung zu transferieren, in der Umkehrung gesprochen: dass es gilt, „Sensibilität zu entwickeln für die Wirkungen gesellschaftlicher Wir- und Nicht-Wir-Konzepte.“ (Messerschmidt 2015: 46; Rhein 2019: 15) Wessen er zusätzlich entbehrt, ist das zureichende Wissen um Nietzsche, insbesondere dasjenige betreffend, was er in Bezug auf das Stichwort Deutschland vorzutragen hätte. Um jenen Nietzsche also, der in der vorgennannten „Reichshauptslum“-Konstellation den Vorschein eines „kommenden Zeitalters“ gefeiert hätte, „das viele Experimente des Lebens machen soll.“ (IX: 48) Wenn nicht gar, so Nietzsche sechs Jahre später, in Jenseits von Gut und Böse (1886), jene „der bezaubernde und tolle Halbbarbarei […], in welche Europa durch die demokratische Vermengung der Stände und Rassen gestürzt worden ist.“ (V: 158) Womit Nietzsche als Theoretiker und Rechtfertiger jener kulturellen Vielfalt in Betracht kommt. Kurz: Er geht volles Rohr nach hinten los: der als Vorwurf gemeinte Satz Schilda wird täglich bunter (2017) als Titel eines von Klonovskys Tagebüchern – nach hinten, dort, wo Nietzsche jedenfalls längst nicht mehr ist nach seiner Wagner-Ära. Dies jemand wie Klonovsky, der als Wagner-Kenner und als Nietzsche-Versteher zu reüssieren sucht, erklären zu müssen, scheint mir bedenkenswert, dies zumal unter Einbeziehung des Ortes, an dem er das eben Zitierte, offenbar mit großem Erfolg, zu Gehör brachte: im Juli 2019 „in der Nähe von Bamberg bei einem Treffen der Jungen Alterativen“ (Klonovsky 2020: 262), einem Kreis also, der gemeinhin – abgesehen von der Verfassungsferne – (gleichfalls) im Verdacht steht, sich auf Nietzsche zu verstehen.

Immerhin: Zumindest als Aphoristiker scheint Klonovsky den Vergleich mit Nietzsche nicht scheuen zu wollen, wie das Vorwort seines Büchleins Aphorismen und Ähnliches nahelegt (vgl. Klonovsky 2014-2017: 5) – eine Vermessenheit sondergleichen angesichts der hier dargebotenen Kunst des Fanatismus, mit Nietzsche gesprochenen: der Kunst des „blutigen Lästern“ (in diesem Fall: über Linke). Kein Problem allerdings für Sieferle-Fan Johannes Saltzwedel vom Spiegel, der zu diesem Buch befand: „In knappen, frechen, brillanten und oft paradox klingenden Sätzen provoziert es zum Nachdenken.“ (SP 24.11.2014) Wirklich? Lesen wird doch einmal Klonovsky mit Michael Dienstbier, der in seiner am 15. Mai 2016 auf Amazon eingestellten Rezension dieses Werkleins, als säße ihm der Meister mittels eines Knopfes im Ohr und gäbe ihm die Seitenzahlen seiner Lieblingsaphorismen durch, nacheinander Kunde gibt von „Wer sich allzu sehr feminisiert, ob Mann oder Land, sollte sich nicht wundern, wenn er schließlich auch gefickt wird“ (ebd.: 25) über „Islamistische Anschläge in Europa? Wozu das Haus demolieren, in das man einzieht“ (ebd.: 29) und „Welch sinniges Schauspiel: die Toleranten, zusammengetreten von den Tolerierten“ (ebd.: 38) sowie „Der Sozialstaat ist am beliebtesten bei den Asozialen“ (ebd.: 112) bis hin zum absoluten Brüller:

„Die muslimische Invasion Europas würde nicht nur Nachteile bringen; Feminismus, Gender-Studies und Regietheater würden immerhin verschwinden.“ (ebd.: 121)

Vor dem Hintergrund dieser wenigen Striche hin auf ein Klonovsky-Porträt stimmt es zusätzlich misstrauisch, wenn der aktuelle Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer – insoweit im gewissen Sinne Klonovskys-Nach-Nachfolger – am 8. August 2020 seinen Interviewpartner Deniz Yücel geradezu demonstrativ fragte:

„Können eigentlich auch Rechte lustig sein? Kennst Du lustige Rechte?“ (Fleischhauer 2020: 45)

Denn deutlich hört man hier schon den Subtext heraus: „Kennst Du Klonovsky? Ich jedenfalls nicht!“, angetrieben durch den Refrain (mit leicht zu veränderndem Text): „Es gibt nur einen Rudi Völler!“ Yücel, der langjährige, in Deutschland geborene türkische taz-Redakteur, der 2017/18 290 Tage in strenger Einzelhaft wg. „Terrorpropaganda“ unfreiwillig in der Türkei verbringen musste und nur wenige Wochen vor diesem Interview in Abwesenheit zu fast drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war, reagierte verneinend auf beide Frageteile, nachdem ihm Fleischhauer gleich zu Anfang eine Kostprobe seines Humors gegeben hatte, indem er ihm vorlas, was dieser, Yücel, in seiner Kolumne zum Thema Geburtenrückgang in Deutschland geschrieben hatte, nämlich das folgende:

„Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Eine Nation, die seit jeher mit grenzenlosem Selbstmitleid, penetranter Besserwisserei und ewig schlechter Laune auffällt; eine Nation, die Dutzende Ausdrücke für das Wort ‚meckern‘ kennt, für alles Erotische sich aber anderer Leute Wörter borgen muss, weil die eigene Sprache nur verklemmtes, grobes oder klinisches Vokabular zu bieten hat, diese Nation also kann gerne dahinscheiden.“

Fleischhauer unmittelbar darauf:

„Ich muss heute noch lachen, wenn ich das lese. Du auch?“ (ebd.: 39)

Dieser Kommentar und die zustimmende Antwort Yücels („Oh ja. Ich finde den Text immer noch sehr formschön“) ehrt beide, den deutsch-türkischen Journalisten, aber auch Fleischhauer, der offenbar doch noch ein wenig Platz lässt für andere Rudi Völlers, sofern diese das ihm vorbehaltene Alleinstellungsmerkmal als „Meister der politischen Kolumne“ (Verlagswerbung) nicht gefährden. Und der deswegen um die Konkurrenz hinter den sieben Bergen nicht wissen will.

In speziell diesem Fall ein Aussetzer mit fatalen Folgen. Denn was unserem Schneewittchen, den Blick hinter die sieben Berge meidend, auf diese Weise entgeht und wohl auch Yücel entgangen war: Dass jener von Fleischhauer als witzig gelobte Text Yücels, zu lesen als ironischer Kommentar zu Thilo Sarrazins Kassandra-Ruf Deutschland schafft sich ab!, noch auf eine durchaus düstere Seite hin befragt werden will: Yücel nämlich hatte sich, unbedacht und später bereut, zu dem geschmacklosen Witz hinreißen lassen, er hoffe, Sarrazins „nächster Schlaganfall möge gründlicher erledigen, was der erste versäumte“ (Klonovsky 2018: 88) – ein ‚Witz‘, der, wie das Beispiel des hier Zitierten offenbart, in neu-rechten Kreisen für helle Empörung sorgte. Der Tendenz nach nicht zu Unrecht, wie ich ausdrücklich hinzufügen will und auch Yüzel bald einzusehen begann. Daraus indes folgt nichts im Blick auf die gleichwohl zu notierende Scheinheiligkeit neu-rechter Yüzel-Kritik. So betrachtet: eine von Fleischhauer, angeblich um Klonovsky nicht wissend, vertane Chance – die es nun auszubügeln gilt, insofern dieser ein gutes Jahr später im Zuge seines Beistandes für André Poggenburg, der „hier lebende Türken ‚Kümmelhändler‘, ‚Kameltreiber‘ und ‚vaterlandslose Gesindel‘ genannt haben soll“ (Klonovsky 2019: 81 f.), erneut auf den Fall Yücel verwies, als rechtfertigten sich durch diesen Fall nicht nur Poggenburgs hier in Rede stehende Entgleisungen vom politischen Aschermittwoch 2018, die den Politikwissenschaftler Hajo Funke im ZDF fassungslos machten und an Goebbels erinnerten. (vgl. Gensing 2019: 119) Sondern, und die ist der Kniff des mich an Goebbels erinnernden AfD-Vorschimpfers Klonovskys, dessentwegen er überhaupt den Fall Poggenburg ansprach und mit dem Fall Yücel verknüpfte: als sei sein Beitrag zu diesem Thema vergleichsweise harmlos. Sprüche also wie:

„Derzeit sitzt unser Pissdeutscher – pardon, kleiner Yücel-Scherz – unser Passdeutscher also in einem türkischen Gefängnis und murmelt fünfmal am Tag ‚Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal‘ vor sich hin.“ (ebd.: 83)

Kurz: Poggenburg, nach Klonovsky nicht gerade „die allerhellste Kerze auf der AfD-Torte“ (ebd.: 81), weil er dem politischen Gegner „Gratismunition“ liefere, und das sei „ein etwas zu hoher Preis für das beifällige Gegröle von ein paar Hinterwäldlern“ (ebd.: 86), könne gleichwohl auf Bewährung hoffen: eben durch Klonovsky, der sich auf Polemik mindestens so gut versteht wie jener – und Yücel.

Die naheliegende Frage: Wie hell ist eigentlich Klonovskys Kerze? Denn sein Pass-/Pissdeutschen-Witz muss den Bürgerlichen unter den Wählern allein schon deswegen abschrecken, weil er auf eine noch 2012 bei der NPD gängige und 2016 von Marc Jongen adaptierte Lesart rekurriert, der zufolge, so Jongen, „der Pass allein noch keinen Deutschen [macht]“ (zit. n. Pfahl-Traughber 2019: 13), schlimmer: Diese Lesart geht direkt zurück auf Hitlers Spott, zum Erwerb des Staatsbürgertums genüge ein „einfacher Federwisch, und aus einem modischen Wenzel“ werde „plötzlich ein richtiger ‚Deutscher‘“, auf den auch Alice Weidel im Juli 2019 Bezug nahm bei ihrer Äußerung, die Medien machten „Passdeutsche“ kurzerhand zu „Deutschen“, „um die Kriminalitätsstatistik zu entbunten.“ (zit. n. Kailitz 2019: 34) Schon zuvor, im Dezember 2018, hatte Stephan Protschka (AfD) den Hashtag „Passbeschenkter“ zu popularisieren versucht und rhetorisch gefragt: „Wenn sich ein Hund einem Wolfrudel anschließt, ist er dann ein Wolf oder bleibt er Hund?“ (ebd.) Dieser ‚Witz‘, so Steffen Kailitz weiter, erinnere an Hitlers Spruch: „Der Fuchs ist immer ein Fuchs, die Gans eine Gans, der Tiger ein Tiger usw.“ (ebd.), kurz: warne vor der Gefahr der „Durchmischung der Rassen“ (so Heiko Heßenkemper [AfD]) resp. der „Herstellung von Mischvölkern“ (so Jens Maier [AfD]). (ebd.) Die Lektion aus dieser unterm dem Strich also gar nicht einmal so lustigen Geschichte? Nun, ad Fleischhauer: Außer Frage steht wohl, dass „einer der erfolgreichsten Journalisten Deutschlands“ (Verlagswerbung) angesichts der insoweit dargelegten Scherben seines schenkelklopfenden Einvernehmens mit Deniz Yücel vom 8. August 2020 ziemlich belämmert dasteht. Nicht wirklich überraschend übrigens bei diesem Pop- resp. Spaßjournalisten. Dem schon immer und daraus erklärbar das Wichtigste am Aufzuklärenden schlicht entging.

Womit wir wieder bei Klonovsky sind und bei der auf ihn bezüglichen Moral dieser Geschichte: Er kann, wenn er will, witzig sein, wenn auch nicht witziger als Tucholsky, so jedenfalls doch witziger als Ulfkotte, witziger auch als Sloterdijk. Das Problem ist nur: Klonovsky dunkle Seite ist weit ausgeprägter als diese helle, wie sein im Vorhergehenden dargelegter Spott auf Yücel bei gleichzeitiger Verteidigung Poggenburgs zeigt, ähnlich wie der Befund vom 24. September 2019 im Blick auf die deutsche Bundeskanzlerin, „die eine politische Hure zu nennen eine Beleidigung für einen ehrenwerten, sympathischen und vor allem notwendigen Berufsstand wäre.“ (Klonovsky 2020: 407) Dies ist nicht schlimm – es ist nur peinlich, spät-pubertär, klingt also ein wenig wie ein Trump-Imitat, auch wie ein „Schrei nach Liebe“ à la Die Ärzte. Schlimm ist der Satz vom 29. Mai 2013, also zu Beginn dieses Merkel-Bashing:

„Frau Merkel […] hat sich für die Blutspur des NSU bei den Opfern entschuldigt, doch wie immer findet sie kein Wort für die Blutspur von Komaschlägerbanden und Tottretern muslimischer Abkunft, die sich durch dieses Land zieht und zwischen Solingen und NSU-Prozess weit mehr Menschen das Leben kostete als die schändlichen Anschläge der Neonazis.“ (Klonovsky 2015: 127)

Den Autor adelt das Attribut „schändlich“ vor „Anschläge der Neonazis“ – aber ihn schändet der Satz in seiner Gänze inklusive des fünf Jahre später, nach dem Urteil gegen Beate Zschäpe, angebrachten Nachsatzes, dass er „Merkels frühe Festlegung auf die Täter (‚Schande für Deutschland‘)“ nicht akzeptieren und „bis Beweise vorliegen“, einfach nicht glauben könne, „dass die beiden Uwes die ihnen zur Last gelegten, aber für ihre schlichten Morde […] begangen haben.“ (Klonovsky 2019: 330)

Und ich – um, wenn schon, denn schon, mich dieser ins persönliche Meinen heruntergezogenen Argumentationsstrategie ausnahmsweise auch einmal zu bedienen, – kann nicht glauben, dass der demonstrative Einschub „bis Beweise vorliegen“ mehr ist als eine Nebelkerze, die verborgen halten soll, dass es Klonovskys hier um nichts anderes geht als um die geschickte Mobilisierung der niedersten Instinkte potentieller AfD-Wähler, denen suggeriert werden soll, die eigentliche „Schande für Deutschland“ sei nicht der NSU, sondern Merkel. Und gegen diese Frau, die 2015 ihren Amtseid brach, als sie „Deutschland der Welt als Einwanderungsland darbot“ und dadurch „eine Schuld auf sich gelassen [hat], die täglich wächst, nicht nur in deutschen Notaufnahmekliniken und Leichenhäusern, sondern auch auf dem Mittelmeer“ (ebd.: 332), gelte es sich zu wehren. Propaganda dieser Art, immer wieder neu per Blog in das große Heer der Klonovsky-Gläubigen eingeträufelt[16], erreichten ihren Höhepunkt mit dem folgenden Hitler/Merkel-Vergleich vom 23. Januar 2016:

„Der eine, Hitler, setzte das von ihm beherrschte juvenile Volk im Marsch, die halbe Welt zu überrennen, die andere, Merkel, ruft die halbe Welt herbei, das von ihr regierte greise Volk zu überrennen.“ (Klonovsky 2017: 36)

Unser neu-rechter Demagoge von Goebbels-Format hat dem Wählervolk mit diesem einen Satz suggeriert, die von ihm mit Sorge registrierte ‚Flüchtlingswelle‘ lasse auf eine tiefere Absicht schließen, die im Übrigen gerade ihrer irrationalen Anteile wegen, nämlich dem hier unterstellten Interesse Merkels am ‚Überrennen‘ der ‚Vergreisenden‘, sofortiges entschlossenes Handeln erforderlich mache – so, wie auch von Björn Höcke wenige Tage zuvor im Verlauf seiner berühmt-berüchtigten Erfurter Demo-Rede behauptet, als er ausführte, Deutschland werde von „Idioten“ regiert und insonderheit die Kanzlerin „müsse in der Zwangsjacke aus dem Kanzleramt geführt werden.“ Da diese Diagnose wiederum der erwähnten Merkel-Klage Klonovskys vom 29. Mai 2013 korrespondiert, könnte man folgern, Höcke werde gleichsam von vorne wie hinter von seinem „(Spinn-)Doktor“ umstellt sowie: seine Erfurter Rede vom Januar 2016 sei eine Art überschießende Reaktion eines durch Klonovskys Merkel-Diagnose schwer Geängstigten, ebenso durch Klonovsky-Notate wie das folgende vom 10. Januar 2016:

„Nach UN-Schätzungen werden anno 2100 in Afrika statt der heutigen 1,2 Milliarden Menschen 4,4 Milliarden leben. In Europa dagegen wird sich die Bewohnerzahl von heute 738 Millionen auf 646 Millionen reduzieren.“

Dem folgt, rhetorisch geschickt und ganz den Geist eines geschickten Gruselfunkredakteurs verratend:    

„Wird sie natürlich nicht; Europa wird bloß schwarz.“ (Klonovsky 2017: 23)

„Bloß schwarz“ – eine geniale Wortzusammenstellung, die wunderbar jene Klientel anspricht, auf die es die AfD, Frauke Petry zufolge, abgesehen hat, wie ihr Wort verdeutlicht:

„Wir brauchen die Ängstlichen […], um Mehrheiten zu bewegen. Die Ängstlichen sind nicht unsere Gegner, sondern unsere Verbündeten.“ (zit. n. Schreiber 2018: 86 f.)

Darf man hier variieren: Wir brauchen auch einen Ängstlichen wie Björn Höcke, der in seiner überschießenden Angst vor der provokant normalen Kanzlerin, die umgetrieben wird von der düsteren Absicht, unser ‚greises Volk‘ durch den „nordafrikanischen Ausbreitungstyp“ (O-Ton Höcke) vom Typ „jung, männlich, aggressiv und geil“ (Jürgen Elsässer am 6. Oktober 2016, zit. n. Lang 2017/18: 11) ‚überrennen‘ zu lassen?

Warum sollte man nicht so variieren, zumal angesichts des Eindrucks, den die ‚juvenile‘ und recht hübsche (spätere) AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber, damals noch voller Begeisterung für diese Partei, aus einem Gespräch mit ihm im Juli 2015 gewonnen hat:

„Höcke enttäuschte mich. Er ist weder charmant noch sympathisch, er bewegt sich unnatürlich, sehr steif und unsicher. Seine Augen können den Blickkontakt im Gespräch kaum halten, huschen mal hierhin, mal dorthin. Dass dieser offensichtlich getriebene Geist die AfD und eventuell sogar dieses Land führen könnte, erscheint undenkbar. Am unangenehmsten aber war mir sein Lächeln, es ist nicht mehr als ein spöttisch verzogener Mund, bei dem die Mundwinkel sich nach unten kräuseln.“ (ebd.: 162)

Dieser Eindruck, durchaus kompatibel mit Aufnahmen von öffentlichen Auftritten dieses Selbstunsicheren und Verklemmten, um von fingierten Porträts über vermeintlich stattgehabte Begegnungen hier abzusehen, erlauben den Rückschluss, der Fall Höcke und das Geheimnis hinter seinem ‚Maskulisten‘-Posing à la Jack Donovan in der Kanzlerin-in-die-Zwangsjacke-Szene sei gelöst.

Wie aber und mit welcher Pointe lässt sich der Fall Michael Klonovsky klären, von dem ja das aggressive Merkel-Porträt („ruft die halbe Welt herbei, das von ihr regierte greise Volk zu überrennen“), an dem sich Höcke mutmaßlich in Erfurt 2016 orientierte, abschließend orientiert? Mein Vorschlag wäre, die von Klonovsky als Vorwurf an Hajo Funke gedachte „Fascholalie“ weiter auszubauen in Richtung eines seriösen Fachgebiets, das auch Platz hat für die insoweit „aktive Fascholalie“ Klonovskys. Aber dies dürfte jetzt ein wenig zu weit führen. Zumal mein Entschluss ohnehin feststeht: Nicht wählbar, dieser Klonovsky! Meint: Ihr „regierungspolitisch finanzierter Bundesabwahlleiter“ zu den Bundestagswahlen am 26. September für den Raum Chemnitz!

Bild oben: Aufruf von über 60 jüdischen Organisationen zur Bundestagswahl         

Dieser Text stellt eine aktualisierte, mit neuer Einleitung und Überschrift versehene Variante von Prolog Nr. 11 (S. 97-115) des im August 2021 erschienen Buches von Christian Niemeyer: Schwarzbuch Neue / Alte Rechte. Essays, Glossen, Lexikon (= Bildung nach Auschwitz, Bd. 1) mit Online-Material. 796 S., 39,95 Euro, Weinheim Basel, dar und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Verlags Beltz Juventa. Alle Literaturnachweise dort, als Teil des Online-Materials.

[1] Etwa, vom Verf.: Wer, zum Teufel, ist Rudolf Berthold? Eine kritische Anfrage an Nils Wegner, angetrieben von dem Verdacht, er leiste in einem AfD-nahen Handbuch dem Rechtsterrorismus vom Typ ‚Mord an Walter Lübcke“ Vorschub. https://www.hagalil.com/2021/03/berthold/
[2] Hierzu, vom Verf.: Eine Geschichte aus der Zukunft. Als Björn Höcke (AfD) alias Asterix eines Tages in der Zwangsjacke aus dem Kanzleramt geführt werden musste, in Begleitung von „Dr. Maaztrix“. https://www.hagalil.com/2021/09/höcke-2/
[3] https://www.klonovsky.de/2019/09/9-september-2021/
[4] https: // www.klonovsky.de/2021/08/12-februar-2021/
[5] Vom Verf.: Tristesse Droite, reloaded.  https://www.hagalil.com/2021/08/tristesse-droite-reloaded/
[6] https: // www.klonovsky,de/2021/01/ein-wort-in-eigener-sache/
[7] Unser Ex-Snob hätte dieses Attribut vermutlich gar nicht als ehrenrührig betrachtet angesichts seiner Definition: „Was ist gute Hetze? Jene, die sämtliche Hetze beendet.“ (Klonovsky 2019: 551)
[8] Ein per DNA überführter, einschlägig vorbestrafter Täter kam drei Jahre später mit einer Bewährungsstrafe davon.
[9] Das dritte Beispiel handelt von einem, so O-Ton Klonovsky, „schariakonform weichgeklopften Kika-Mädchen“ (Klonovsky 2019: 47) und sei hier nur angeführt als Beispiel für die auf eine Überdosis Ulfkotte hinweisende Sprachverrohung selbst in höheren AfD-Kreisen.
[10] Über ihn teilt Klonovsky am 28.11.2018 u.a. das Folgende mit, nach einer ihm zugegangenen Zuschrift einer Leserin: „Marias Vater ist ein führender Schriftgelehrter der Europäischen Menschenrechtszivilreligion, durch deren Menschenwürde-Prinzipienreiterei in den letzten Jahren alle Völkerwanderungsschranken gefallen sind.“ (Klonovsky 2019: 552 f.) Die Wortwahl – in diesem Fall wohl jene der Leserin – ist grenzwertig, die suggestive Form der Thematisierung dieser Zusammenhänge ist herz-, takt- und geschmacklos.
[11] Etwa die nach 1939 zur Rechtfertigung deutscher Kriegsverbrechen etwa auf Kreta 1942 (s. https….) bemühten einschlägigen Ableitungen Jakob Philipp Fallmerayers („Kein Tropfen des alten Heldenblutes fließt ungemischt in den Adern der jetzigen Neugriechen“; Fallmerayers 1830, zit. n. Klonovsky 2010: 134) (vgl. Pantelouris 2016), einmündend in die „These von der Ausrottung der Griechen und der Neubesiedlung Griechenlands durch die Slaven.“ (DBE 3: 229)
[12] https://www.klonovsky.de/2021/01/13-januar-2021.
[13] 1.100 Rezensionen mit 19.971 Likes, Stand 04.02.2021, 12:38.
[14] Diese Vokabel geht zurück auf Klonovsky, der in KW 6/2021 in einer Kampfabstimmung um einen hohen Listenplatz Maier, Richter am Landgericht Dresden, unterlag. Ob er bei dieser Wertung an Maiers Qualifikation Bernd Höckes als der „letzten Hoffnung“ des deutschen Volkes (vgl. Bensmann 2017: 132) dachte, entzieht sich meiner Kenntnis. Im Übrigen muss sich Klonovsky vorhalten lassen, seinerseits die auch von Maier aufgegriffene pejorative Vokabel Passdeutscher aufgegriffen, schlimmer und wie gleich zu zeigen: sie in ‚Pissdeutscher‘ transferiert zu haben.
[15] „Die Wendung zum Undeutschen ist […] immer das Kennzeichen der Tüchtigen unseres Volkes gewesen“ (II: 512)
[16] Etwa auch am 10. November 2016, einen Tag nach dem Wahlsieg Donald Trumps, als Klonovsky fast schon im Stil der von der AfD immer mal wieder kritisierten ‚vaterlandslosen Gesellen‘, seinem neuen Idol ‚flüstert‘, er brauche sich von dieser „x-fachen Rechtsbrecherin“, die „deutsches und EU-Recht in der Masseneinwanderungsstaatskrise [brach] wie Strohhalme“ (Klonovsky 2017: 330), keine Belehrungen in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bieten lassen.