Der lange Schatten der Revolution

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Michael Brenner über Juden und Antisemiten in Hitlers München 1918-1923…

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde München zum Schauplatz ungewöhnlicher politischer Konstellationen: Kurt Eisner wurde im November 1918 der erste jüdische Ministerpräsident eines deutschen Staates, während jüdische Schriftsteller wie Gustav Landauer, Ernst Toller und Erich Mühsam sich im April 1919 für die Räterepubliken engagierten. Die jüdische Gemeinde war eher konservativ ausgerichtet, und selbst die orthodoxen Mitglieder besuchten nach dem Synagogenbesuch gerne das Hofbräuhaus. Doch Anfang der zwanziger Jahre gab es bereits einen Nazi als Polizeipräsidenten, antijüdische Tendenzen in Politik, Presse und Kirche sowie Judenausweisungen und offene Gewalt gegen jüdische Bürger auf der Straße.

Ein lange überfälliges Buch, wurde das Thema doch bisher vor allem von antisemitischer Seite dazu genutzt, antijüdisches Verhalten zu rechtfertigen. Aber nicht nur von Judenhassern, auch in bürgerlichen Kreisen wurde von Beginn an die Verbindung von Juden und Linken zumindest als Erklärungsansatz für den Antisemitismus ins Feld geführt. Brenner regt dagegen einen Perspektivenwechsel an und zeigt die revolutionären Ereignisse in München im Kontext der jüdischen Geschichte. Er zeigt auf, wie die Revolutionäre zu ihrem Judentum standen, wie sie davon geprägt waren, aber auch wie die jüdische Gemeinschaft auf sie reagierte.

Michael Brenner, der erst kürzlich mit dem „Salo W. und Jeannette M. Baron Preis für wissenschaftliche Exzellenz“ der Universität Wien geehrt wurde, lehrt in München und Washington. Seine Bücher zeichnen sich immer auch durch eine besonders gute Lesbarkeit auch für Nicht-Fachkreise aus. So auch in diesem Fall, „Der lange Schatten der Revolution“ ist eine kurzweilige, spannende Lektüre, die die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die Lebensumstände der Revolutionäre und die antisemitische Instrumentalisierung auch nach dem Zweiten Weltkrieg greifbar und verständlich machen.

Michael Brenner, Der lange Schatten der Revolution – Juden und Antisemiten in Hitlers München 1918 bis 1923, Jüdischer Verlag im Suhrkamp 2019, 399 S., Euro 28,00, Bestellen?