Der Fotograf von Auschwitz

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Hollywood wird einen Film über Wilhelm Brasse drehen…

Von Justyna Michniuk

Wilhelm Brasse hat in der Nachbarschaft meines Onkels gewohnt. Zabłocie, früher ein separater Ort, heute ein Stadtteil von Żywiec, wo früher die meisten Juden gewohnt haben, ist sein Zuhause bis zu seinem Tode gewesen. Obwohl er kein Jude war, ganz im Gegenteil. Wilhelm Brasse wurde 1917 als Sohn eines Österreichers und einer Polin im damaligen Saybusch (heute Żywiec), Galizien, geboren. Er sprach fließend Deutsch und Polnisch, die Familie sprach jedoch zu Hause nur Polnisch und sein Vater war ein wahrer polnischer Patriot.

Seine Ausbildung als Fotograf schloss er in Kattowitz (heute Katowice) ab. Als der Krieg ausbrach war er Soldat der polnischen Armee. Er wollte aber nicht im besetzten Polen bleiben und wurde 1940 beim Versuch, sich über die Grenze nach Ungarn durchzuschlagen, gefangen genommen. Die Deutschen stellten ihn vor die Wahl, entweder in die Wehrmacht einzutreten oder in Gefangenschaft zu gehen. Wilhelm Brasse wollte und konnte den Nazis nicht dienen und wurde deswegen am 31. August 1940 in das KZ Auschwitz gebracht und erhielt die Lagernummer 3.444 (Lagerteil Auschwitz I, das Stammlager). Als Häftling von Auschwitz wurde er von der SS vier Jahre lang gezwungen, als Lagerfotograf zu arbeiten. Er konnte die meisten von ihm angefertigten Negative vor der beabsichtigten Zerstörung retten. Brasse wurde am 21. Januar 1945 ins KZ Mauthausen nach Österreich transportiert und im Außenlager Melk von US-Truppen befreit. 

Czesława Kwoka, ein Opfer von Auschwitz, auf Gefangenenporträts. Fotografiert von Wilhelm Brasse, aufgenommen 1942 oder 1943, ausgestellt im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau.

Ich darf eigentlich nicht sagen, dass ich Herrn Brasse gekannt habe, obwohl ich ihn mehrmals gesehen habe in der Nähe seines Hauses. Als wir Kinder waren, in den 1990er, kannte unsere Fantasie keine Grenzen und auch keine Zäune. D.h. wir sind oft durch fremde Gärten gerannt und haben dort das Obst von den Bäumen gegessen. Obwohl mein Onkel einen tollen Obstgarten hatte, oder vielleicht gerade deswegen. Wir wollten Abendteuer erleben und haben uns immer wieder neue Spiele ausgedacht und Blödsinn gemacht. Herr Brasse war für uns ein alter Mann, den wir öfter gesehen haben, leider ohne zu wissen, wer er war. Aber das ist auch kein Wunder, denn erst für den Dokumentarfilm Der Porträtist von Ireneusz Dobrowolski gab Brasse 2005 seine Geschichte zur Veröffentlichung frei. Damals hatte ich meine kleine Heimat bereits verlassen und deswegen habe ich es nie geschafft, zu meinem Bedauern, ihn wirklich kennenzulernen.

Vor Kurzem wurde in der polnischen und internationalen Presse bekanntgegeben, dass die Schöpfer von Filmen wie „Avatar“ und „Parasite“ unter der Regie von Robert Stromberg einen Film über Brasse drehen werden. Bekannt ist auch, dass die Story auf dem Dokumentarfilm von Dobrowolski aus dem Jahr 2005 basieren soll. Kleine Änderungen soll es trotzdem geben, sonst wäre der Film keine Hollywood Produktion. Vermutlich wird die Geschichte von Wilhelm Brasse etwas modifiziert und seine Zwangsarbeit als Fotograf in Auschwitz um einen romantischer Plot bereichert. Aufgrund meiner Familiengeschichte hasse ich es, wenn man die Shoa um romantische, fantastische Fabeln ‚bereichert‘. Auf dem Markt haben wir heutzutage sehr viele Romane, die im Titel das Wort ‚Auschwitz‘ nutzen, um Käufer anzuziehen. Ich bin mir sicher, dass es andere Wege gibt, breite Menschenmassen über inspirierende Lebensgeschichten, wie die von Wilhelm Brasse, zu informieren. Es mag aber sein, dass diese Hollywood Superproduktion Interesse an dem wahren Leben von Herrn Brasse erweckt. Das hoffe ich wirklich sehr.

Bild oben: Wilhelm Brasses Grab, (c) Justyna Michniuk