Höcke als Verschwörungsideologe

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Foto oben: Björn Höcke bei Wahlkampfkundgebung in Neubrandenburg, 12.8.2016, (c) redoc – research & documentation

Björn Höcke rechnete in seiner Höxter-Rede nicht nur mit Meuthen ab. Er propagierte auch Konspirationsauffassungen, die antisemitischen Verschwörungsideologien entsprechen. Dabei wurde gleich zweimal das einschlägige Bild von der „Krake“ genutzt…

Von Armin Pfahl-Traughber

Am 5. Dezember 2020 hielt Björn Höcke in Höxter eine Rede. Der dortige Kreisverband in dem ostwestfälischen Ort hatte ihn eingeladen. Da dieser als „Flügel“-nah gilt, durfte der thüringische Landesvorsitzende mit großer Zustimmung rechnen. Diese gab es dann auch angesichts von Beifall und Zwischenrufen, die sich insbesondere gegen Jörg Meuthen richteten. Denn der Parteivorsitzende hatte sich auf dem letzten Parteitag kritisch geäußert, wobei insbesondere die Anhänger von Höcke ins Visier gerieten. Dieser reagierte dann in Höxter entsprechend auf Meuthens Rede, worüber auch die Medien breiter berichteten. Indessen äußerte sich Höcke in Höxter auch noch zu anderen Politikfeldern. Dabei bekundete er verschwörungsideologische Auffassungen, die von einer „globalistischen Elite“ und deren angeblichem konspirativen Wirken ausging. Auch wenn er sich nicht genauer über deren angeblichen Hintergrund ausließ, fielen erstaunliche Gemeinsamkeiten in einem formalen Sinne mit antisemitischen Verschwörungsideologien auf.

Was äußerte nun Höcke genau in seiner Rede dazu, die in unterschiedlichen Versionen auf Youtube eingestellt wurde? Demnach wirkten „Globalisten“ gegen die „notwendige Rückkehr zu unseren Wurzeln“. Es gehe um eine „Entnationalisierung“, die für „uns Deutsche schon nach dem Zweiten Weltkrieg“ eingesetzt habe. Diese „Globalisten“ wollen „keine souveränen Völker und Nationen als eigenständige Subjekte“ akzeptieren. Um ihre Absichten durchzusetzen, bedienten sich diese dreier Strategien: „Man implementiert international orientierte Eliten“: „Also die Leitmedien werden unterwandert und als neue Dienstklasse etabliert“. Zweitens fördere man die „Einbindung“ in supranationale Organisationen. Diese seien „wie eine globale Herrschaftskrake, die sich als riesiges Netz über die ehemaligen Nationalstaaten legt“. Und drittens würden die „Gobalisten“ mittels Migrationsförderung für eine Multikulturalisierung nationaler Territorien eintreten. Fernziel sei es, „die Unangreifbarkeit der Herrschaft einer kosmopolitischen globalen Elite“ abzusichern.

Höcke liest die Rede weitgehend ab, wie die Videoaufzeichnungen verdeutlichen. Dies bedeutet auch, dass er nicht in der rhetorischen Not einmal zu einer unglücklichen Wortwahl griff. Offenkundig hatte der AfD-Politiker sich jede Formulierung genauer überlegt. Und vor diesem Hintergrund kann man auch folgende Interpretation vornehmen. Um dabei keine Fehldeutungen zu provozieren, muss gleich angemerkt werden, dass eine Formulierung wie „jüdische Verschwörung“ nicht fällt. Mit Ausnahme einer Anspielung auf die Gates-Stiftung bleibt unklar, wer mit den angeblichen „Globalisten“ gemeint sein soll. Gleichwohl finden sich in den Ausführungen von Höcke viele Muster konspirationsideologischer Vorstellungen, die spätestens seit der Agitation der „Völkischen Bewegung“ im Wilhelminischen Kaiserreich bekannt sind. Ob die gemeinten Anspielungen von Höcke bewusst so benutzt wurden oder ob er von derartigen Denkungsarten eher latent geprägt ist, lässt sich ohne entsprechendes Hintergrundwissen nicht sagen. Gleichwohl gibt es diese Anklänge:

Dazu gehört erstens die Auffassung, dass die konspirativen „Globalisten“ die nationalstaatliche Identität überwinden wollten, was mit dem antisemitischen Kosmopolitismusvorwurf früherer Verschwörungsideologen inhaltlich  konform geht. Zweitens spricht Höcke davon, dass die gemeinten „Globalisten“ eine politische Elite in ihrem Sinne implementiert hätten. Demnach soll es hinter den jeweiligen Regierungen noch gesonderte Verschwörer geben. Gleiches gelte für die Medien, die „unterwandert“ seien. Und drittens ist dann von einer „Globalisierungskrake“ und „Herrschaftskrake“ die Rede. Das Bild von einer Krake zierte häufig die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“, wo ein angeblicher jüdischer Akteur wie eine Krake die ganze Welt umfasste. Dass Höcke hier Konspirationsvorstellungen bedient, ist angesichts der gewählten Formulierungen und Inhalte sicherlich unstrittig. Dass seine Ausführungen mit Bilder wie gerade der „Krake“ auch antisemitisch verstehbar sind, ergibt sich aus der Gesamtschau der drei Sachverhalte.

Foto oben: Björn Höcke bei Wahlkampfkundgebung in Neubrandenburg, 12.8.2016, (c) redoc – research & documentation