Al Arz Techina, Araber und die LGBT

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Julia Zahar, Geschäftsführerin von Al Araz Techina, hat mit einer Geldspende viele Gemüter erzürnt. Sie, eine arabische Frau, hat im Namen ihrer Firma an die LGBT-Gemeinschaft (LGBT ist aus dem Englischen entlehnt und steht für lesbisch, schwul, bisexuell und transgender), Geld gespendet und so den Zorn von so einigen Mitbürgern erfahren. Kisten von Techina wurden umgeschmissen, zurückgeschickt und auf den sozialen Medien wurde zu einem Boykott aufgerufen…

Von Leah Grantz
Erschienen bei: Re:Levant, 
20.07.2020

Julia Zahar ist eine beeindruckende Frau. Jahrzehntelang war sie, bis zum Tode ihres Mannes Lehrerin. Als er 2003 nach einem Herzinfarkt verstarb, hat sie das eher vernachlässigte Techina-Geschäft Al Arz auf Vordermann gebracht und zu einem erfolgreichen Unternehmen ausgebaut.

Was ist Techina?

Techina ist eine Sesamcreme, die als Basiszutat für Hummus (Kichererbsenpaste) genommen wird. Techina, dann und wann auch Tahini oder Tahin geschrieben, wird oft auch so verzehrt, indem man die Paste mit Wasser, Zitrone und Salz (eventuell Petersilie) vermischt und schon hat man einen köstlichen Brot – oder Pitaaufstrich.

Techina ist Teil des Bruttosozialprodukts

Al Arz, mit Sitz in der nördlichen Stadt Nazareth, ist einer der größten Techina-Hersteller Israels. Der beliebte Sesamaufstrich von Al Arz macht schätzungsweise ein Fünftel des verkauften Techinas des Landes aus.

Heute produzieren die inzwischen zwei Werke von Zahars Unternehmens satte 20 bis 25 Tonnen Techina pro Tag. Die dicke Paste, die aus äthiopischen Sesamsamen hergestellt wird, ist in Supermärkten und Restaurants in Israel nahezu allgegenwärtig und wird in 18 Länder, einschließlich die USA, exportiert.

Julia Zahar ist heute einer der erfolgreichsten Geschäftsfrauen im Land, die nicht nur eine große arabische Firma führt, was wiederum ein rares Bild ist, sondern zu den Top-50 Geschäftsleuten in Israel gehört.

Eine anfänglich harmlose Geldspende

Die Firma hat am 1.6.2020 öffentlich bekannt gegeben, den LGBT-Verband Aguda, finanziell zu unterstützen, damit diese eine Krisen-Hotline für arabisch sprechende Jugendliche in Not einrichten könne. Die Höhe der Spendensumme ist nicht bekannt, aber Aguda-Geschäftsführer Ohad Hizki gibt an, dass es sich um eine erhebliche Summe handelt.

Julia Zahar hat sich nicht viel gedacht, außer, dass Menschen, die für ihre Rechte kämpfen müssen, eine Spende wohl verdient haben.

Hier ein Foto aus einem israelischen Supermarkt aus der Techina-Abteilung, wo die Al Arz Techina ausgegangen ist, nicht weil sie vom Supermarkt boykottiert wurde, sondern weil die Kunden aus diesem Supermarkt die Firma mit einem Kauf unterstützen.
Das Foto durften wir mit freundlicher Genehmigung von Gali Ofer veröffentlichen. Während der Korrespondenz mit ihm hat sich herausgestellt, dass er nicht nur Geschäftsführer eines Sportclubs für LGBTs ist, sondern auch einer der Geschäftsführer von einer LGBT – Organisation. Interessanterweise ist seine Familie ursprünglich aus Bad Lausick, in der Nähe aus Leipzig, jedoch sind sie schon seit drei Generationen in Israel.

Die Reaktionen auf die Geldspende

Viele haben das anders gesehen. Es gab Aufrufe, auch von religiösen Führern aus der arabischen Gemeinschaft, die zum Boykott von Al Arz Techina aufgefordert haben und das Produkt als Charam bezeichnet und dementsprechend zum Tabu erklärt haben. Worte gegen Ladenbesitzer sind gefallen, die nach wie vor Al Arz Techina verkauft haben, wie z.B. „Wir haben gehört, ihr unterstützt Schwule, wir schämen uns! Nur zu, verkauft Tahini an Schwule!“

Es gab aber auch viele Befürworter aus der arabischen Gemeinschaft, die die Firma unterstützt und den Zwiespalt in der Gesellschaft verdeutlichen. Vieles hat sich auch auf den sozialen Netzwerken ereignet. Hier zum Beispiel Knessetmitglied und Anwältin Aida Touma-Sliman aus Akko, die Al Arz unterstützt:

Sinngemäß übersetzt: „Ich habe eben mit Julia Zahar gesprochen und ihr gesagt, dass ich sie für ihren Mut bewundere…..Ich flehe euch an: Kauft Al Arz Techina und kämpft gegen das Charam an!“

Die Stellungnahme von Al Arz

Die Firma konterte auf die Boykottaufrufe und Hetze wie folgt: Wir von der Familie Al Arz Tahini lieben Menschen und akzeptieren alle Religionen, Geschlechter und Hautfarben. Essen bringt Menschen zusammen. Und wir auch. Wir werden weiterhin offen für alle sein und versuchen Leute, die benachteiligt sind – egal wie, zu unterstützen.“

Re:Levant (https://www.re-levant.de/) ist eine deutschsprachige Webseite zu Israel und dem Nahen Osten (ehemals „Levant“), geschrieben von fest in Israel lebenden Redakteuren. Themen sind Tagesaktuelles, Hintergründe, Kurzgeschichten u.v.m. Das Motto ist: „Die besten Geschichten schreibt das Leben – die zweitbesten gibt es bei Re:Levant“
Die Online-Zeitung wurde von Leah Grantz und Benjamin Rosendahl gegründet, da sie erkannt haben, dass bei vielen Reportagen wichtige Fakten und Informationen herausgelassen werden und ein anderes Israel dargestellt wird, als das, das sie kennen. Die beiden Gründer sind ursprünglich aus München und haben zu unterschiedlichen Zeiten Aliyah gemacht und leben seither in Israel. 
Die Redaktion freut sich über Leser, Kommentare, Anregungen, Vorschläge für Artikel und Fotos sowie Kooperationen mit potentiellen Geschäftspartnern, Investoren und Werbeträger. Am besten eine Email an relevantredaktion@gmail.com schreiben. 

Bild oben: Julia Zahar, (c) Zaher abu Elnaser, wikicommons