Sonne im Tank

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Auch Israel will den Kampf gegen den Klimawandel forcieren. Deshalb plant man bis 2030 eine drastische Reduzierung des Einsatzes von Kohle, Benzin oder Diesel. Im Gegenzug werden Industrie und Transportsektor auf Erdgas und Erneuerbare Energien umgestellt…

Von Ralf Balke

Klotzen, nicht Kleckern, so scheint die Devise zu lauten. Denn kaum im Amt bestätigt, gibt Israels alter und zugleich neuer Energieminister Yuval Steinitz sofort die Marschrichtung vor. Und die liest sich äußerst ambitioniert. So verkündete er Anfang Juni das Ziel, dass der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromgewinnung im Jahr 2030 nicht wie ursprünglich vorgesehen 17 Prozent betragen soll, sondern gleich satte 30 Prozent. Zum Vergleich: Aktuell sind es gerade einmal fünf Prozent. Dafür will man insgesamt 80 Milliarden Schekel, umgerechnet rund 20 Milliarden Euro, locker machen. Die eine Hälfte davon ist für entsprechende Anlagen vorgesehen, die Strom produzieren, die andere für Speichersysteme und den Ausbau der Netze.

Auch die von der Coronavirus-Krise gebeutelte Wirtschaft soll davon profitieren. „Das Programm wird mit dazu beitragen, dass der Konjunkturmotor wieder anspringt, viele neue Jobs entstehen und die Belastungen für die Umwelt reduziert werden“, erklärte Steinitz weiter. Konkret heißt das: Läuft alles nach Plan, was in Israel nicht unbedingt immer der Fall ist, könnten in kommenden zehn Jahren Solaranlagen installiert werden, die dann in ihrer Gesamtheit so ziemlich genau die Menge an Strom liefern würden, die derzeit von allen konventionellen Kraftwerken des Landes zusammen produziert wird – das jedenfalls schreibt der Energieminister auf Facebook. Und bis 2025 will man sich schon komplett von der Kohle verabschiedet haben.

„Solaranlagen und Erdgas werden in Zukunft Kohle und andere schmutzige Energieträger ersetzen“, so Steinitz. „Davon erwarten wir positive Effekte die Umwelt.“ Die Rede ist von einer Reduzierung der Luftverschmutzung um 93 Prozent sowie eine Halbierung der Treibhausgasemissionen pro Kopf. 2030 würde Israel dann zu Spitzenzeiten rund 80 Prozent seiner Elektrizität mit Hilfe von Solaranlagen gewinnen. Über Details, wie er auf diese Zahlen kommt und was genau im Einzelnen wann geschehen soll, darüber verriet er relativ wenig. Was jedenfalls nicht steigen soll, sind die Strompreise. Das jedenfalls versprach Dr. Assaf Eilat, Direktor der zuständigen Elektrizitätsbehörde.

Steinitz selbst reagierte mit seinem Plan auf die Kritik von Experten und Umweltschutzorganisationen, die immer wieder betonten, dass das im Rahmen der Pariser Vereinbarungen festgelegte Ziel von einem Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergiemix in Höhe von 17 Prozent keinesfalls ausreiche, um den Herausforderungen durch den Klimawandel zu begegnen. Zugleich wurde mehrfach beanstandet, dass Steinitz bis dato Erdgas stets als eine saubere Energiequelle bezeichnete. Das sei reiner Etikettenschwindel. Denn es handelt sich bei Erdgas ebenfalls um einen fossilen Energieträger, wodurch die Umwelt belastet werde – wenn auch in einem geringerem Ausmaß als Kohle oder Erdöl. Genau deshalb wird der geplante Bau von 16 Gaskraftwerken von über 100 Wissenschaftlern, die sich kürzlich in einer Petition an Steinitz gewandt hatten, als problematisch bezeichnet, weil man so weiterhin auf klimaschädliche und eigentlich veraltete Technologien setze.

Dabei hatte das Ministerium bereits im Juli vergangenen Jahres eine Kampagne initiiert, um Hausbesitzer davon zu überzeugen, dass die Umrüstung auf Solarenergie  eine gute Sache sei. Doch Fördermittel sind bis dato keine vorgesehen. Und so dürfte es nicht ganz einfach sein, die Eigentümer von Immobilien zu motivieren, dass sie für Photovoltaikanlagen zwischen 50.000 und 150.000 Schekel, umgerechnet rund 12.500 und 37.5000 Euro, für eine Technik ausgeben sollen, die sich im Durchschnitt erst nach acht bis zehn Jahren amortisiert. Daran wird auch die Tatsache wenig ändern, dass in den vergangenen Jahren die Preise für entsprechende Solarmodule um bis zu 80 Prozent gesunken sind. Überhaupt spielt die Sonne eine zentrale Rolle in den Plänen von Steinitz. Sie soll 90 Prozent des aus Erneuerbaren Energien gewonnen Stroms liefern, Wind, Wasser und Biomasse die restlichen zehn Prozent.

Im internationalen Vergleich ist das Ziel eines Anteils von 30 Prozent Erneuerbarer Energien am Gesamtenergiemix eher bescheiden. Manche EU-Staaten wollen sogar komplett auf fossile Brennstoffe verzichten und streben 100 Prozent an. Doch in Skandinavien, Deutschland oder den Niederlanden sind es vor allem die Windkraftwerke, die bei der Gewinnung von Strom eine Schlüsselrolle spielen. In Israel dagegen ist diese Energiequelle jedoch kaum relevant. Zwar stehen auf dem Golan einige vereinzelte Windkrafträder. Doch richtige Windparks sind bereits aus sicherheitspolitischen Gründen dort schwer zu verwirklichen, weil sie die Aktivitäten des Militär behindern könnten. Auch hat das Umweltministerium im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass das Potenzial für Erneuerbare Energien sogar bei 50 Prozent liegen könnte, wenn man nur dazu bereit wäre, mehr zu investieren und die dafür ausgewiesenen Flächen besser zu nutzen. „In Israel gibt es aber keine Flüsse wie in Norwegen oder Albanien, keinen Wind wie in Dänemark oder Erdwärme wie in Neuseeland, so dass wir nicht mit diesen Ländern verglichen werden können“, sagt dazu Eilat von der Elektrizitätsbehörde. „Es ist sehr einfach, mit Zahlen um sich zu werfen, aber in der Praxis sind wir mit diesem Plan bis an die Grenze gegangen, was die Abhängigkeit von Solarenergie und Energiespeicherung betrifft.“ Und Steinitz ergänzt, dass Israel, wenn es denn im Jahr 2030 rund ein Viertel seiner Elektrizität durch Solaranlagen gewinnen sollte, immer noch zu den führenden Ländern der Welt in diesem Sektor werden würde.

In der Tat hat Israel gute Karten, auf dem Gebiet ein Global Player zu werden. Anlagen, bestehend aus Sonnenkollektoren und einem damit angeschlossenen Warmwasserkessel, gehören seit Jahrzehnten zum Stadtbild in Israel. 1976 wurde ihre Installation bei Neubauten sogar Pflicht. In den 1980er und 1990er Jahren verfügten mehr als 90 Prozent aller Privathaushalte über eine derartige Technik, die zwar günstig und einfach ist, dafür aber manchmal auch recht bescheidene Ergebnisse liefert. Jeder, der in älteren Gebäuden im Winter schon mal warm duschen wollte, kann davon ein Lied singen. Mit dem zunehmenden Bau von Hochhäusern wurden die Solaranlagen wieder irrelevanter, weil ab einer bestimmten Zahl von Stockwerken und Hausbewohnern zu wenig Platz für die Photovoltaikanlagen da ist, um alle auf diese Weise mit Warmwasser zu versorgen. Deswegen wird der Anteil der Haushalte mit einem solchen System aktuell auf weniger als 80 Prozent geschätzt.

Dafür ist im vergangenen Jahres in der Nähe des Kibbuz Aschalim südlich von Beer Sheva im Negev eine der weltweit größten Solarkraftwerksanlagen in Betrieb genommen worden. Sie hat eine Leistung von 121 Megawatt und kann damit 0,75 Prozent des israelischen Strombedarfs abdecken. Zugleich hilft sie damit, die CO2-Emissionen um 245.000 Tonnen im Jahr zu reduzieren, was ungefähr der Menge entspricht, die 50.000 Autos auf der Straße ausstoßen „Wir werden Strom aus der israelischen Sonne schaffen“, verkündete Steinitz anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten im August geradezu euphorisch. Und Naty Saidoff, Inhaber der Baufirma Shikun & Binui, der das Projekt mit umgesetzt hat, ergänzt: „Israels Vorvätern wurde ein Land von Milch und Honig versprochen. Sie fanden stattdessen aber nur Wüste und ein Sumpfgebiet. Dieses legten sie trocken und verwandelten es nun in eine Ressource.“

Das Projekt besteht im Wesentlichen aus drei Teilen, die auf jeweils verschiedenen technischen Ansätzen basieren. Eine davon hat eine Fläche von 250 Hektar, auf der sich rund 16.200 Parabolrinnen befinden, jede einzelne davon wiederum aus 28 Spiegeln. Zwischen diesen verläuft ein Rohr, in dem ein synthetisches Öl fließt, dass von der Sonne dann auf ungefähr 400 Grad erhitzt wird und Dampf produziert. Auf diese Weise kann eine Turbine angetrieben werden. Zudem funktioniert das Ganze auch, nachdem die Sonne untergegangen ist. Denn die Flüssigkeit erhitzt über einen Wärmetauscher eine Art Salzspeicher, die dann Abends die Wärme wieder an das Öl zurückgibt und das Kraftwerk für weitere fünf Stunden am Laufen hält. Danach ist Feierabend. Doch man arbeitet daran, dass das System bald auch die ganze Nacht über Strom produzieren kann. Die zweite Anlage ist im wesentlichen einen riesiges, computergesteuertes Spiegelfeld, in dessen Mitte ein 260 Meter hoher Solarturm steht, der größte seiner Art auf der Welt. Das „Auge Saurons“ nennen ihn manche Anwohner in Anspielung auf den gleichnamigen Bösewicht aus der Herr-der-Ringe-Buchreihe. Von weitem ist er bereits zu sehen, wenn man durch den Negev fährt. Die Spiegel sind auf seine Spitze gerichtet, wo sie sich bündeln und Hitze erzeugen. Dadurch wird gleichfalls eine Turbine in Gang gebracht. Dieses System funktioniert aber nur tagsüber. Die dritte Anlage arbeitet weitestgehend mit konventioneller Photovoltaik-Paneelen-Technik, die Sonnenlicht sofort in Strom umwandelt, eine vierte ist in Planung.

Zudem tummeln sich mittlerweile zahlreiche Startups auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien. Einige davon wie AgRobics haben ihre ganz eigenen Ansätze. Sie sehen beispielsweise im reichlich vorhandenen Abwasser eine mögliche Quelle. „Meist wird dieses als ein Ärgernis angesehen, das sogar zwei bis fünf Prozent der Energieproduktion eines Landes benötigt, um es zu säubern“, so  AgRobics-Mitbegründer Prof. Isam Sabbah, Leiter der Abteilung für Biotechnologie-Ingenieurwesen am Braude College in Karmiel. „Wir betrachten dieses Ärgernis als Chance, um daraus wieder sauberes Wasser und zusätzlich Energie zu gewinnen.“ Denn aus den im Abwasser enthaltenen Mikroorganismen läßt sich seiner Meinung nach hervorragend Biogas gewinnen, das ebenfalls zur Energieproduktion eingesetzt werden kann. Es muss also nicht immer nur die Sonne sein, wenn in Israel in der Zukunft Strom erzeugt werden soll.

Bild oben: Die Solarkraftwerksanlage Aschalim im Negev, (c) Iskra.piotr, wikicommons