Fast in allerletzter Minute haben sich Premier Netanyahu und der Vorsitzende von Blau-Weiß Benny Gantz geeinigt. Der neue Ministerpräsident heißt, Überraschung, Netanyahu. Mit dem Abkommen bekommt Israel endlich eine Regierung, eine nationale Notstandsregierung – und was für eine…
Die letzten Wochen waren ein wirkliches Trauerspiel. Auch nach dem dritten Wahlgang konnte keiner der Kontrahenten Netanyahu und Gantz eine Regierung mit der nötigen Mehrheit bilden, so dass die Einheitsregierung als letzte Möglichkeit blieb, um einen vierten Wahlgang zu verhindern. Keine Zusammenarbeit mit Netanyahu war jedoch eines der großen Versprechen von Gantz. Dass er es sich jetzt anders überlegt hat, liegt vor allem an der derzeitigen Krise durch die Corona-Pandemie, die eine handlungsfähige Regierung erfordere, wie Gantz betonte. Das Bündnis Blau-Weiß ist daran jedoch zerbrochen, denn nicht alle teilten diese Meinung. Dennoch konnte nun nach wochenlangen Verhandlungen endlich ein Koalitionsabkommen unterzeichnet werden.
Demnach bleibt zunächst Netanyahu im Amt des Ministerpräsidenten. Gantz wird sowohl Stellvertreter wie auch Verteidigungsminister. Nach 18 Monaten wird gewechselt. Blau-Weiß stellt außerdem den Außen- wie auch den Justizminister.
Insgesamt wird das Kabinett das größte in der Geschichte des Landes sein, mit zunächst 32 Ministern, später 36 Ministern und 14 stellvertretenden Ministern. Das wäre schon vor Corona ein Skandal, aber in den nunmehr prekären wirtschaftlichen Zeiten, die Arbeitslosigkeit ist auf 26% gestiegen, mehr als unverständlich. Genau wie solche teureren Extras, die beispielsweise dem stellvertretenden Ministerpräsident, also zunächst Gantz und später Netanyahu, jeweils eine offizielle Residenz zusprechen.
Einer der Knackpunkte in den Verhandlungen war die Frage, ob Netanyahu im Amt bleiben könne, da er der Korruption angeklagt ist und sich demnächst dem in den Mai vertagtem Prozess stellen muss. Am Obersten Gericht des Landes liegen Klagen vor, die das verhindern sollen. Laut der Tageszeitung Haaretz schreibt der Koalitionsvertrag fest, dass es im Falle der Entscheidung des Obersten Gerichts gegen Netanyahu Neuwahlen geben müsse.
Dennoch, trotz dieser bitteren Pillen, die es zu schlucken gilt, das Land wird aus einer einjährigen politischen Krise erlöst. In diesen schwierigen Zeiten sicher ein wichtiges Zeichen. Ob sich die Koalition als stabil erweisen wird, bleibt abzuwarten.
Bild oben: Benny Gantz und Benjamin Netanyahu unterzeichnen das Abkommen, Foto: GPO