Faschistisches Wandern mit staatlicher Unterstützung

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Das seit 1997 in Budapest stattfindende, internationale Neonazi-Treffen Becsület Napja (dt. Tag der Ehre) erinnerte in diesem Jahr an den 75. Jahrestag der Belagerung Budapests…

Von Benjamin Horvath

Budapest durfte nach Hitlers Willen nicht fallen, weswegen Deutschland im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs alles daran setzte, Ungarn gegen die vorrückende Rote Armee und rumänische Verbände zu halten. Rumänien hatte zuvor die Seiten gewechselt, Deutschland den Krieg erklärt und dessen Ölversorgung abgeschnitten. Im Westen Ungarns gab es hingegen noch Ölfelder, dessen Förderung sich Deutschland durch die Besetzung Ungarns 1944 sicherte. Der autoritäre Machthaber Miklos Horthy, der zum Ende seiner Herrschaft ebenso wie Rumänien die Seiten wechseln wollte, wurde festgesetzt. An dessen Stelle wurde eine hungaristische (ungarisch-nationalsozialistische) Pfeilkreuzler-Regierung unter Ferenc Szálasi eingesetzt. Ab Dezember 1944 war Budapest vollkommen eingeschlossen und die Wehrmacht und SS sowie ihre ungarischen Verbündeten wurden bis auf die östliche Budaer Stadtseite zurückgedrängt. Dabei zerstörten sie sämtliche Brücken über die Donau und verschanzten sich auf der Budaer Burg. Entgegen Hitlers Befehl wurde am 11. Februar 1945 ein Ausbruchsversuch gewagt, den nur 700 von 34.000 überlebten. Noch heute werden bei Bauarbeiten Überreste aus dieser Zeit gefunden.

Diesen „Helden“ erinnern Neo-Nazis bei der Gedenk-Veranstaltung die von István Györkös, Gründer der rechtsextremen, paramilitärischen Magyar Nemzeti Arcvonal (Ungarische Nationale Front), ins Leben gerufen wurde. Da dieser für den Mord an einem Polizisten eine lebenslange Haftstrafe absitzt, übernahm Béla Incze die Anmeldung in diesem Jahr. Incze hatte sich im Vorjahr von der rechten Organisation 64 Burgkomitate Jugendbewegung (HVIM) losgesagt, aufgrund deren befürchteten Nähe zur reformierten JOBBIK. Er gründete die Légió Hungária, die sich in den ungarischen Medien durch die Verbrennung einer Regenbogenfahne am linken Kulturzentrum Aurora in Budapest einen Namen machte. Als Treffpunkt für linke, jüdische, Roma und LGBTQ-Aktivisten ist es das passende Ziel der Legionäre, die in der Regenbogenfahne die moderne Variante der Sowjetfahne sehen. Als Vorbild für seine Legion sprach Incze seine Bewunderung für Himmlers Konzept der NS-Freischärlerbewegung Werwolf aus, die aus dem Untergrund gegen Volksfeinde und -verräter vorgehen sollte.

Im Laufe der Woche wurde die, auf der Budaer Burg geplante, Veranstaltung mit Verweis auf Sicherheitsbedenken von der Polizei zwei Mal verboten, das Urteil aber durch ein Budapester Gericht mit Verweis auf die Versammlungsfreiheit wieder kassiert. Abgeschirmt von der Außenwelt, durch einen 200 Meter entfernt gezogenen Ring aus Absperrgittern, durfte eine Gruppe von 500 Neo-Nazis ihr Gedenken erneut im Stadtpark Városmajor an einer Gedenkstatue des 1. Weltkriegs abhalten. Die Polizei war mit einer hohen Zahl an Beamten im Einsatz, um die Kundgebung abzuschirmen. Nicht nur ungarische Neo-Nazi Gruppierungen wie die Betyársereg (Banditenarmee), die HVIM und Hammerskins waren präsent, sondern traditionell auch ausländische Teilnehmer aus Bulgarien, Russland, Frankreich, Italien und Tschechien. Aus Deutschland war in diesem Jahr wieder Matthias Deyda von der Partei Die Rechte mit einem Redebeitrag vertreten. In seiner Vorjahresrede spielte er auf Hitlers Rede zur vermeintlichen Kriegstreiberei des internationalen Finanzjudentums an. Über die Jahre waren immer wieder Gruppen aus Deutschland anwesend, darunter auch Combat 18 und Der dritte Weg, deren öffentliche Teilnahme am Gedenken dieses Jahr untersagt war.

Dem Gegenüber stand eine, für die Geschichte des Nazi-Gedenkens, hohe Zahl an Gegendemonstranten. Eine kleine Gruppe, bestehend aus Roma und Linken traf, sich bereits vor dem offiziellen Beginn der Gegendemo am nahegelegenen Széll Kálmán Platz. Eine weitere Gruppe eher links-liberaler Rentner versammelte sich am Rande des Parks. Eine Stunde vor Beginn der Nazidemo, begann die Gegendemo am anderen Ende des Parks hinter der Polizeiabsperrung. Auf ungefähr 400 Leute sollte die Gruppe im weiteren Verlauf anwachsen und immer mit dabei war eine 50-köpfige Trommlergruppe. Von verschiedenen Seiten versuchte die Demonstration so nah wie möglich an die Nazis heranzukommen und deren Redebeiträge und Gedenkminuten durch Sprechchöre und lautem Trommeln zu stören. Die Gegendemo trat sehr selbstbewusst auf und lies sich auch durch kleinere Auseinandersetzungen mit Nazis – die die Absperrung durchdrangen oder außerhalb dessen meinten einfach durch die Gegendemo laufen zu können – nicht aus der Ruhe bringen.

Seit 2004 schließt an die Gedenkveranstaltung noch eine „Gedenk- und Wandertour“ an. Unter dem Namen „Ausbruch60“ wird den ungarischen und deutschen Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg Budapest und damit ganz Westeuropa zweieinhalb Monate lang heldenmütig gegen die bolschewistische Rote Armee verteidigt hatten, unseren Respekt zu bekunden“, sagt die Homepage des Events. Traditionell sind dabei auch immer wieder Teilnehmer in historischen Uniformen aller beteiligten Einheiten gekleidet, vor allem aber der der Faschisten und führen Waffenattrappen mit sich. Die in Deutschland – und teils auch in Ungarn – verfassungsfeindlichen Symbole finden sich dort trotz Verbot zu Hauf. Die Veranstalter bedienen sich hierbei der Hintertür des historischen Reenactment, um sich selbst und den Teilnehmern Straffreiheit zu ermöglichen. Aus diesem Grund war die Wandertour – im Vergleich zur Gedenk-Veranstaltung – nie von einem Verbot bedroht.

Der Trail kann in Teilabschnitten von 25 und 35 km oder in der Gesamtlänge von fast 60 km von der Budaer Burg bis nach Szomor angegangen werden. Die Wanderroute führt auch am Városmajor vorbei, so dass auch heimattreue Wanderer noch einen Kranz niederlegen können. Die Teilnehmer bekommen zu Beginn Laufzettel die sie sich an den 13 Kontrollpunkten von „Kontrolleure[n] in zeitgenössischen Uniformen“ mit faschistischen Symbolen stempeln lassen können. Wer den Trail in der vorgegebenen Zeit (acht, zehn bzw. 17 Stunden) schafft, erhält eine Urkunde. Für die Bewältigung der Gesamtstrecke gibt es sogar eine Replik des Eisernen Kreuzes 2. Klasse inklusive Hakenkreuz. Wie im letzten Jahr, waren – neben vielen Neo-Nazis – äußerlich unauffällige Wanderer dabei, so dass die Teilnehmerzahl bei bis zu 2.500 lag. Dem Historiker Krisztián Ungváry zufolge, werden auf diesem Weg Lügen über den Ausbruch vermittelt.

Veranstaltet wird die Tour laut Homepage vom 1999 gegründeten, jedoch mittlerweile aufgelösten, Wander- und Naturschutzverein „Aktionsgruppe Börzsöny“. Offizieller Anmelder ist der „Heimkehrer Heimatkunde- und Touristenverein“, der knappe 2.600€ finanzielle Unterstützung vom Ministerium für Humanressourcen erhält. Ein Vereinsvorsitzender ist der Produzent Zoltán Moys, Schwiegersohn des Parlamentsabgeordneten und Parlamentsvizepräsidenten Sándor Lezsák (FIDESZ). Moys anteilige Produktions- und Verlagsfirma Dextramedia profitierte enorm vom Mediengesetz von 2010. Seither beliefert sie die Medienbehörde MTVA mit Heimat- und Naturreportagen wie „Erbe und Heimkehr“ in der Heimatkunde, Magyarentum und Tradition beschworen werden. Eine der Folgen behandelt die Ausbruchstour, die vor Ehrbekundungen an den Mut der deutschen und ungarischen Soldaten und der Aufwertung des Faschismus gegenüber dem Bolschewismus nur so strotzt. Etwas anderes war von den Veranstaltern einer Miklós Horthy Tour aber auch nicht zu erwarten. Auch der Gebietsverlust durch den Vertrag von Trianon kommt in den Reportagen nicht zu kurz. Seit 2011 hat das MTVA Aufträge im Wert von 2,3 Mio. € an die Firma vergeben, dabei produzierte sie bis 2010 nur Verluste. Wie so oft kommen bei der ungarischen Regierung völkische Ideologie und Vetternwirtschaft zusammen.

Gleichzeitig war Dextramedia auch für die Fraktion der JOBBIK tätig, die für knapp 14.000€ drei Arbeiten bestellt hatte, darunter Demo-Material mit dem Namen „Weg bis zum Sieg in Gyöngyöspata“. Dort hatten paramilitärische Neo-Nazi-Gruppen monatelang die lokale Roma-Bevölkerung terrorisiert. Darüber hinaus verwaltete die Firma diverse Internetseiten aus dem Umfeld der JOBBIK wie die des Nazi-Festivals Magyar Sziget oder der HVIM.

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