Antisemitismusbericht 2019 für die Deutschschweiz

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Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG und die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA veröffentlichen heute den Antisemitismusbericht 2019 für die Deutschschweiz. Die Erhebungen zeigen weiterhin eine stabile Entwicklung der Zahl physischer und verbaler antisemitischer Vorfälle. Im Onlinebereich stimmt heute insbesondere das hohe Niveau antisemitischer Verschwörungstheorien
bedenklich. Letzteres stimmt auch für die Westschweiz. Zum ersten Mal werden für 2019 die Ergebnisse der unterschiedlichen Berichte von Deutsch- und Westschweiz in einer gemeinsamen Synthese zusammengefasst…

Im Jahr 2019 wurden ohne Onlinebereich in der Deutschschweiz 38 antisemitische Vorfälle registriert. Darunter waren 9 Beschimpfungen und 7 Schmierereien. Tätlichkeiten und Sachbeschädigungen kamen keine vor. Da davon auszugehen ist, dass eine Vielzahl von Vorfällen nicht gemeldet wird, muss von einer entsprechend hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Dasselbe gilt für die Zahl der erfassten Online-Vorfälle. Dort kommt hinzu, dass eine vollständige Abdeckung des Onlinebereichs aufgrund des schieren Umfangs, nicht möglich ist. Aufgrund derselben Methodik und bei vergleichbaren Ressourceneinsatz wurde mit 485 Fällen eine leicht tiefere Anzahl als 2018 registriert.

Auf Worte können Taten folgen

Das Problemfeld Online macht aber weiterhin grosse Sorgen. Während es in der Schweiz in der realen Welt zu weniger gewalttätigen Übergriffen kommt als in europäischen Nachbarländern, ist online die Qualität und das Ausmass an Übergriffen auf einem vergleichbaren Niveau. Die Online-Vorfälle stammen vor allem aus den Kommentarspalten von Deutschschweizer Medienwebsites und aus den Sozialen Medien. Hier machen Twitter und Facebook mit über neunzig Prozent der Vorfälle den mit Abstand grössten Teil aus.

Auf dem Vormarsch befinden sich insbesondere Verschwörungstheorien. Es tauchen verschiedenste und absurdeste Theorien auf, die teils auch verknüpft wiedergegeben werden. In ihren zeitgenössischen Ausformungen nehmen sie oft aktuelle Ereignisse oder Entwicklungen auf, die schliesslich Juden oder das Judentum als Urheber oder Profiteure ausmachen. In ihrem Kern weisen sie letztlich fast alle auf eine angebliche «jüdische Weltverschwörung» hin. Welche gefährliche Brisanz diese Theorien besitzen, haben die jüngsten rechtsextremen Anschläge in Pittsburgh, Christchurch, Poway und Halle gezeigt. Die Attentäter waren alle Anhänger bestimmter Verschwörungstheorien und erklärten damit auch ihre Motive. Das macht deutlich, dass auf die Verbreitung von und Beschäftigung mit Verschwörungstheorien reale Taten mit gravierenden Konsequenzen folgen können. Entsprechend fordern SIG und GRA von Zivilgesellschaft, Politik und Bildung ein klares Eintreten gegen die Verbreitung solcher Theorien – mit Zivilcourage, politischem Engagement und Präventionsmassnahmen.

Erstmalige Synthese für Deutsch- und Westschweiz

Aufgrund der sprachlichen und regionalen Gegebenheiten gibt es in der Schweiz je einen Antisemitismusbericht für die Deutsch- und einen für die Westschweiz. Verantwortlich für die Westschweiz ist die Coordination Intercommunautaire Contre l’Antisémitisme et la Diffamation CICAD. Beide Berichte bedienen sich zum Teil unterschiedlicher Erhebungsmethoden, was einen direkten Vergleich von Kategorien und Zahlen erschwert.

Die Herausgebenden beider Berichte erachteten es aber als dienlich, nun erstmalig eine nationale Synthese zu publizieren.

Die Entwicklungen sind in beiden Landesteilen in den meisten Kategorien von Vorfällen sehr ähnlich. Dennoch wurden im Berichtsjahr gewichtige Unterschiede festgestellt. In der Westschweiz wurde im Gegensatz zur Deutschschweiz ein Anstieg von körperlichen und verbalen Übergriffen sowie von Vandalismus gegenüber Synagogen verzeichnet. Weiter ist die Leugnung der Schoah in der deutschsprachigen Schweiz weniger stark ausgeprägt. Im Onlinebereich decken sich die Ergebnisse für die beiden Landesteile, wobei auch in der Westschweiz ein Aufschwung antisemitischer Verschwörungstheorien zu verzeichnen ist.

Download Bericht und Synthese
Ältere Berichte: www.antisemitismus.ch
Bericht der CICAD: www.cicad.ch