Jom Kippur in Tel Aviv, das ist immer etwas sehr besonderes. Der einzige Tag im Jahr, an dem die Stadt still steht, an dem sich eine tiefe Ruhe über die Stadt legt…
Es ist auch der Tag der Kinder, die die Straßen mit den Fahrrädern erobern. Keine Autos fahren, nur ab und an ein Polizei- oder Krankenwagen. Fahrradausflug mit den Kindern. Ab Mittag dann die ersten Nachrichten über den Terroranschlag in Halle. Der erste Gedanke: es war nur eine Frage der Zeit!
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Terror in dieser Form nach Deutschland kommt. Denn, dass es nicht ewig gut gehen kann, war klar. Dass die Lehren aus der Vergangenheit, aus NSU und anderem Rechtsterror, aus den Taten anderer Nazis, aus Utøya und Christchurch und anderen Orten, nicht gezogen werden, das sehen wir jeden Tag. Wenn schöne Reden geschwungen werden, aber keine Taten folgen. Wenn der Rechtsstaat seine Mittel nicht ausschöpft, weil.. Ja warum eigentlich?
Weil ja alles immer nur mutmaßlich ist, und über die Motive weiß man noch nichts, und man darf um Gottes Willen nicht zu schnell urteilen. Ja, richtig. Aber man muss die Dinge auch beim Namen nennen! Und man muss endlich endlich verstehen, dass aus hasserfüllten Worten hasserfüllte Taten folgen.
Die Gemeinde in Halle ist durch ihre massive Eingangstür einer Katastrophe entgangen. Zwei Menschen mussten dennoch sterben. Eine Tragödie!
Alle diese Nachrichten erreichen uns in Tel Aviv. Auf dem Weg nach Hause, schon kurz vor unserer Straße, ist die Kreuzung gesperrt, ein schrecklicher Unfall scheint sich ereignet zu haben. Am Abend wird klar, ein 8jähriger Junge aus dem Viertel ist dabei tödlich verunglückt. Er war den ganzen Tag mit seinen Eltern unterwegs und ist dann nur noch einmal mit seinem Freund die Straße runtergefahren. Dort erfasste ihn das Auto einen 20jährigen arabischen Israeli aus Ramle, der mit überhöhter Geschwindigkeit und laut aufgedrehter Musik durch die Stadt rauschte. An Jom Kippur. Um den Juden zu zeigen, was er von ihrem Feiertag hält? Das ist natürlich nur spekuliert.
Wie auch immer, er hat ein Leben zerstört und das Leben einer ganzen Familie dazu.
Ein Jom Kippur, der uns lange in Erinnerung bleiben wird. Geprägt von Hass und Intoleranz.