Ludwig Rosenberg: Ein Gewerkschafter für Israel

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Der Gewerkschafter Ludwig Rosenberg gehörte zu den wenigen jüdischen Persönlichkeiten, die schon bald nach der Shoah wieder nach Deutschland zurückkehrten – und hier hohe Positionen erlangten…

Von Roland Kaufhold

Der 1903 in Berlin-Charlottenburg Geborene war ein Sohn eines jüdischen Tuchhändlers, der sich bereits früh der Gewerkschaftsbewegung sowie der SPD anschloss. 20 Jahre lang, beginnend in den 1950er Jahren, gehört Rosenberg dem geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes an. Von 1962 bis 1969 ist er Bundesvorsitzender des DGB.

Anlässlich seines 40. Todestages hat Frank Ahland 2016 ein materialgesättigtes, gut 500 Seiten umfassendes Werk zu Leben und Wirken dieser jüdischen Persönlichkeit vorgelegt, im Oktober 2017 hatte er dieses auf Einladung des Kölner DGB und der Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Köln im DGB-Haus vorgestellt. Es war in den 1950er Jahren bekannt, dass Ludwig Rosenberg Jude und Exilant war; dennoch stellte dieser seine prägenden biografischen Erfahrungen als Verfolgter und Rückkehrer hinter seine gewerkschaftspolitischen Zielsetzungen zurück. In zwei Buchkapiteln wird Rosenbergs Verarbeitung seiner Erfahrungen als jüdischer Rückkehrer sowie sein Beitrag als Vorsitzender des DGB zum Aufbau der diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik zu Israel aufgearbeitet – eine spannende Lektüre.

Rosenberg achtet als Remigrant darauf, in der Öffentlichkeit nicht vorrangig als Jude wahrgenommen zu werden. Er schließt sich keiner jüdischen Gemeinde an, liest jedoch regelmäßig jüdische Magazine und publiziert auch vereinzelt in ihnen. Auch pflegt er engen Kontakt zu Repräsentanten des deutschen Judentums, vor allem zu Karl Marx.

Dennoch: Seine vorgesehene Wahl zum Bundesvorsitzenden des DGB ruft zahlreiche antisemitische Protestschreiben hervor; viele Briefschreiber betonen ihr gewerkschaftliches Engagement. In einem Brief heißt es: „Musste es wieder ein Itzig sein?“ Man benötige „rein deutsche Menschen an der Spitze des DGB“ aber nicht „jene Fremden, die weder zu uns noch zu unserem Volk gehören.“ Für die rechtsradikale Presse der 1960er Jahre war der jüdische Emigrant Rosenberg – er emigrierte 1933 nach London, die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihm entzogen – ein Hauptangriffsobjekt.

Auch die KPD-Presse verwendete gezielt antisemitische Kampfbegriffe und spielte mit Verweisen auf den Nationalsozialisten Alfred Rosenberg. Die Internationale Presse hingegen verstand die Symbolhaftigkeit von Rosenbergs Wahl: Die New York Times titelte im Oktober 1962: „West German Elect Jew To Head Trade Unions.“

Ludwig Rosenberg als Hauptredner zum 1. Mai 1962 in Berlin, Repro: aus dem besprochenen Band

Rosenberg, der nicht religiös war, interessiert sich leidenschaftlich für die Entwicklungen in Israel. Er beteiligt sich jedoch nicht aktiv am politischen Zionismus. In einem Schreiben an den einflussreichen jüdisch-trotzkistischen Gewerkschafter Jakob Moneta hebt er 1970 klärend hervor: „Ich bin kein Zionist und habe das in Israel offen und deutlich so gesagt.“ Aber er sei „froh, daß Juden, die als nationale Gruppe in einem eigenen Staat leben wollen“ das nach 2000 Jahren endlich auch könnten. Und er engagiert sich nachdrücklich für einen jüdisch-christlichen Brückenschlag.

Rosenberg besucht Israel erstmals 1955 privat, was in ihm “viele und nachwirkende Eindrücke vermittelte“, wie er nach seiner Rückkehr in einem Gewerkschaftsmagazin schreibt. Zwei Jahre später folgt eine erste offizielle Delegation nach Israel.

Rosenberg setzt sich als DGB-Vorsitzender nachdrücklich für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel und für den vertrauensvollen Austausch mit der israelischen Gewerkschaft Histadrut ein. 1962, da ist er gerade zum Bundesvorsitzenden gewählt worden, beschliesst der Bundeskonkress des DGB einstimmig, „so schnell wie möglich“ diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel aufzunehmen. Zeitgleich kämpft Rosenberg bewusst gegen die traditionell araberfreundliche Grundhaltung sowohl des Auswärtigen Amtes als auch von Teilen der DGB. 1964 trifft er auf Einladung der Histadrut in Tel Aviv David Ben Gurion und Golda Meir. Im Oktober 1964 startet der DGB eine Unterschriftenliste für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel, sieben Monate später ist es geschafft.

Von den zahlreichen antisemitischen Briefen lässt sich der jüdische Gewerkschafter nicht beeindrucken, einige beantwortet er sogar „soweit sie das wert sind“. 1967 schreibt er in einem an die Gliederungen des DGB gerichteten Schreiben, dass „besonders von arabischen, antisemitischen und kommunistischen Kreisen unsere Hilfe für Israel zum Anlass genommen wird, um Unruhe in die Reihen unserer Mitglieder zu bringen.“ Ein halbes Jahrhundert später hat sich nur wenig daran geändert.

Ludwig Rosenberg, heute weitgehend vergessen, starb 1977 im Alter von 74 Jahren.

Frank Ahland: Bürger und Gewerkschafter. Ludwig Rosenberg 1903 bis 1977. Eine Biografie. Bochum: Klartext Verlag 2016, 514, S. 39,95 Euro, Bestellen?