Wie George Soros in Osteuropa zur Hassfigur hochstilisiert wird

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DAVOS/SWITZERLAND, 27JAN10 - George Soros, Chairman, Soros Fund Management, USA, captured during the session 'Rebuilding Economics' of the Annual Meeting 2010 of the World Economic Forum in Davos, Switzerland, January 27, 2010 at the Congress Centre. Copyright by World Economic Forum. swiss-image.ch/Photo by Sebastian Derungs.

„Soros ist ein alter Halunke, dazu auch noch ein Geizhals. Wenn du dich öffentlicher Gelder der USAID – der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung – bedienst und dich brüstest ein Milliardär zu sein, geniert das auch deine amerikanischen Pressesklaven von der Financial Times und der New York Times, die dich als Philanthropen lobpreisen“. Dieser Leserkommentar ist in der Bukarester Tageszeitung „Evenimentul zilei“ am Montag erschienen und begleitete einen der unzähligen Schimpfartikel, in deren Mittelpunkt der amerikanische Milliardär und Börsenspekulant George Soros steht…

Von William Totok

In dem Artikel wird der in den letzten Jahren zum Buhmann osteuropäischer Nationalisten aufgestiegene Soros als Geizkragen beschrieben, der eigentlich gar nicht sein eigenes Geld rausrückt, wenn es darum geht „gewisse neomarxistische Kampagnen“ zu finanzieren, sondern in Wirklichkeit amerikanische Steuergelder verpulvert.

Der 1930 in Budapest geborene George Soros und Überlebender des Holocaust geriet bereits nach der osteuropäischen Wende von 1989 ins Visier rechtsnationalistischer Gruppierungen, die das vom untergegangenen Kommunismus hinterlassene ideologische Vakuum mit ihrer völkischen Doktrin zu füllen versuchten.

Soros hatte schon vor dem Zerfall des Ostblocks oppositionelle Gruppen in der Tschechoslowakei, der Sowjetunion, Polen und insbesondere in seiner früheren Heimat Ungarn unterstützt. In den ehemaligen kommunistischen Staaten gründete er Filialen seiner Open-Society-Stiftung und finanzierte 1991 die in Budapest gegründete Central European University (CEU). Diese Institutionen sollten liberale Konzepte verbreiten und verankern und als Grundstein für eine angestrebte „offene Gesellschaft“ dienen. Für seine im Sinne Karl Poppers, dem Theoretiker der „offenen Gesellschaft“, betriebenen Projekte soll Soros etwa 2 Milliarden Dollar ausgegeben haben.

Von seinen großzügigen Unterstützungsaktionen profitierten zudem Tausende von begabten Studenten aus Osteuropa, die aufgrund der zugesprochenen Stipendien, im Ausland studieren konnten. Einer davon war auch Viktor Orbán, der dank Soros, einen Stipendienaufenthalt in Oxford erhielt. Ob der heutige Vorsitzende der rechtsnationalen FIDESZ-Partei und ungarische Ministerpräsident, der am vergangenen Wochenende einen spektakulären Wahlsieg errungen hatte, bereits als Soros-Stipendiat seinem Geldgeber kritisch gegenüberstand, weiß nur er selber. Fakt ist, dass Orbán heute im Gegensatz zu der von Soros angestrebten „offenen Gesellschaft“, für ein illiberales Gesellschaftsmodell steht und keinen Hehl daraus macht, dass ihm die Central European University in Budapest ein Dorn im Auge ist und deshalb aus Ungarn verbannt werden soll. Um seine zunehmend autoritär und völkisch anmutenden Vorstellungen durchzusetzen, bediente sich Orbán zweifelhafter populistischer Propagandamethoden und baute Soros zu einem auch mit antisemitischen Attributen ausgestatteten Feindbild auf.

Auf eine ähnliche Art entwickelten nationalistische Parteien, Politiker und Publikationen auch in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks Soros zur bevorzugten Zielscheibe ihrer ideologischen und politischen Angriffe. In verschwörungstheoretisch angehauchten Diffamierungskampagnen wurde Soros als Strippenzieher der Globalisierung angeprangert, der mit raffiniert ausgeklügelten Methoden, die Souveränität der europäischen Nationalstaaten unterwandert, um die von Juden, Freimaurern und Kommunisten angestrebte Weltherrschaft zu errichten. Um dieses Ziel zu erreichen, hieß es in diesen üblen Anwürfen, unterstützt er Projekte, die angeblich der Emanzipation und Gleichstellung ethnischer und sexueller Minderheiten dienen. In seinem Zersetzungskampf christlich geprägter europäischer Traditionen und auf eine durch Migranten und Flüchtlingen angestrebte „Umvolkung“ der EU-Länder, heißt es in den einschlägigen rechtsnationalistischen Publikationen, stützt sich Soros zudem auf hochrangige Komplizen aus der politischen EU-Elite. Bezeichnenderweise hätten Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron, der Vorsitzende der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker, der rumänische Staatschef Klaus Johannis, der Schwule luxemburgische Premier Xavier Bettel und weitere „perfekte Roboter der Globalisierung“ keine Kinder und stünden aus diesem Grund der Zukunft der Menschheit völlig gleichgültig gegenüber. Den als Komplizen von Soros dargestellten Politikern wird unterstellt, eine hinterhältige demographische Unterwanderungspolitik zu begünstigen, um letztendlich eine totalitäre, jüdisch dominierte Weltordnung zu errichten. Der wichtigste Strippenzieher in diesem apokalyptischen Szenario ist Soros.

Er wurde nicht zufällig auch als der Drahtzieher der Kundgebungen verteufelt, die in den letzten Jahren in zahlreichen osteuropäischen Ländern stattfanden, in der Ukraine, in Albanien, in Serbien, in Ungarn oder Rumänien. Die Teilnehmer an diesen Demonstrationen protestierten gegen Korruption, Vetternwirtschaft und gegen die von lokalen Oligarchen dominierten Volkswirtschaften. Als Anfang 2017 Zehntausende in Bukarest für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit auf die Straßen gingen, hieß es in Anlehnung an das klassische, antisemitische Stereotyp vom „ewigen Juden“, dahinter stünde der „ewige Sponsor“: George Soros.

Um die anti-nationalen „Umtriebe“ der von Soros unterstützten Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) zu blockieren, hatte Expremier Nikola Gruewski in Mazedonien die Operation Stoppt Soros (SOS) initiiert und sich die „Entsoroisierung“ seines Landes auf die Fahnen geschrieben. Auch der im März zurückgetretene slowakische Regierungschef Robert Fico wies jegliche Kritiken von NGO’s als nicht „objektiv“ zurück und begründete dies mit dem Hinweis, diese seien von Soros finanziert. Ähnlich argumentieren auch serbische Offizialitäten. Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erblickt in Soros einen Gegner, was zu einem Schulterschluss mit seinem ungarischen Amtskollegen Orbán geführt hatte. Diese unheilige Allianz scheint bestens zu funktionieren, obwohl einige Viktor Orbán für einen verkappten Antisemiten halten, andere wiederum bloß für einen völkischen Populisten und windigen Bewunderer des ungarischen Führers aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, Miklós Horthy. Bekanntlich hatte dieser schon 1920 als erster in einem europäischen Land ein antisemitisches Gesetz erlassen, das den Zugang jüdischer Studenten zu Universitäten sowie die Beschäftigung von Juden im öffentlichen Dienst behinderte.

Die schrillsten Töne gegen Soros stimmen einschlägige rechtsradikale Gruppierungen an. Auf dem im November 2017 von der rechtsextremen europäischen Partei „Allianz für Frieden und Freiheit“ (APF) organisierten Kongress in Brno, wurde eine neue Reconquista zum Schutz des christlichen Europas gegen die islamische Invasion angekündigt. Soros habe den europäischen Nationen den Krieg erklärt, verkündete einer der Teilnehmer in seiner Ansprache vor Vertretern aus Deutschland, Tschechien, Großbritannien, Italien, der Slowakei und Rumänien. Soros habe 18 Milliarden Dollar in sein aus NGO’s bestehendem Netzwerk gesteckt, um seine auf die Vernichtung „unserer Nationalstaaten“ abzielende, „multikulturelle und neo-marxistische Politik“ durchzusetzen, indem er „ethnische, sexuelle und religiöse Minderheiten fördert“ und sich für den Zuwachs „nicht-europäischer Migranten“ einsetzt.

Als Zeichen der Solidarität und Dankbarkeit für sein Engagement beim Aufbau freiheitlicher Strukturen und einer demokratischen Zivilgesellschaft in Osteuropa wird George Soros Anfang Mai mit dem Preis der Bukarester „Neuen Zeitschrift für Menschenrechte“ (Noua Revistă de Drepturile Omului – NRDO) ausgezeichnet. Mit der Verleihung des Preises soll auch auf die von Viktor Orbán beabsichtigte Schließung der Central European University in Budapest aufmerksam gemacht werden. In der Laudatio, die bei dieser Gelegenheit auf Soros gehalten wird und die uns im Manuskript vorliegt, wird der jüdisch-ungarische Amerikaner als „Wohltäter“ und „streitbarer Menschenrechtler“ beschrieben. „Wir“, heißt es in der Laudatio, „erblicken in ihm einen Befürworter der Übereinstimmung der Prinzipien menschlicher Würde und Freiheit.“

Soros selber hat sich nur selten zu den systematischen Anfeindungen, Diskreditierungskampagnen und unhaltbaren Vorwürfen öffentlich geäußert. Vor allem die ressentimentgeladenen Attacken aus seinem Geburtsland, das er 1947 verlassen hatte, scheinen ihn zutiefst getroffen zu haben. In einer Stellungnahme, die Ende des vergangenen Jahres die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ veröffentlichte, widersetzte er sich den aggressiven Angriffen der ungarischen Regierung, die insinuierte, er habe einen Plan, „Europa und insbesondere Ungarn mit muslimischen Migranten und Flüchtlingen zu überschwemmen“. „Das eigentliche Ziel der Propagandakampagne der Regierung“, schrieb er, „ist es, Angst und Hass in der ungarischen Bevölkerung zu schüren und sie dem Leiden anderer gegenüber gleichgültig werden zu lassen.“

Bild oben: George Soros, Chairman, Soros Fund Management, USA, captured during the session ‚Rebuilding Economics‘ of the Annual Meeting 2010 of the World Economic Forum in Davos, Switzerland, January 27, 2010 at the Congress Centre. originally posted to Flickr as George Soros – World Economic Forum Annual Meeting Davos 2010,  Copyright by World Economic Forum. swiss-image.ch/Photo by Sebastian Derungs.