„Die Aula“ 2017 – Gegen „Ostküste“, „Blutsvermischung“ und „parasitäres Großkapital“

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Das Aufkommen und die zunehmende Reichweite von Online- und crossmedialen Desinformationsprojekten am rechten Rand (unzensuriert.at, InfoDIREKT, alles roger?, Wochenblick u. a.) setzen der weiterhin nur in Printform erscheinenden Aula zu. Als eines der traditionsreichsten Organe des österreichischen Rechtsextremismus, publizistisches Flaggschiff des völkischen Verbindungswesens und angesichts ihrer engen Verzahnung mit einer Parlaments- und nunmehr auch Regierungspartei ist ihr dennoch einige politische Relevanz zu attestieren. Auch im heurigen Jahr lotete die im Grazer Aula-Verlag erscheinende Zeitschrift die Grenzen des rechtlich Zulässigen beständig aus…

Von Bernhard Weidinger, DÖW, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Der Text erschien ursprünglich auf der DÖW-Seite

Die aktuell populärste Darreichungsform von Antisemitismus in der Aula besteht in mehr oder weniger verklausulierten Anklagen gegen mächtige Verschwörer im Hintergrund. So ortet Gustaf Horn eine „bis in alle Details geplante Machtergreifung der Weltherrschaft durch eine kleine Clique von Politikern und Wirtschaftskapitänen“ (Februar-Ausgabe, S. 59). Siegfried Borgelt spricht von „zionistischen Netzwerken“, die „deutsche Schuldkomplexe […] zielgerichtet für eigene Geschäftsverbindungen instrumentalisier[en]“ (Jänner, S. 44), und Dirk Klein ereifert sich über den „Allmachtsanspruch der anonymen Halbgötter in der Hochfinanz, der sich heute in der Globalisierung austobt“ (Juli, S. 37).

Als eng mit dem Antisemitismus verwoben erweisen sich einmal mehr das anti-amerikanische und das anti-freimaurerische Ressentiment. Für Aula-Schriftleiter Martin Pfeiffer ist die US-Armee „eine Interventionstruppe zur Sicherung der Interessen von Ostküstenbanken“ (Jänner, S. 5). Selbst Donald Trump lege sich „mit der Wallstreet nicht wirklich“ an – die Tode Abraham Lincolns und John F. Kennedys, der „omnipotenten Bankster[n]“ zum Opfer gefallen sei, seien ihm „[w]arnendes Beispiel“ (März, S. 5). Für Volkmar Hirmer ist Trump ohnehin nur „ein von der Hochfinanz installierter Durchlauferhitzer zur Errichtung ihrer totalitären Herrschaft“ über die Welt, der im Dienste des „parasitären Großkapitals“ stehe (März, S. 9 ff.). Auch Siegfried Borgelt glaubt, dass „mit Goldmann [sic!] Sachs und Rothschild die internationale Hochfinanz im Kabinett Trump regiert“. Es sei „kein Geheimnis, dass Trump von jüdischen Geschäftsleuten massiv finanziell unterstützt wurde“. (März, S. 12 f.) Auch Angela Merkel habe „keinen eigenen Willen, sondern ist leitende Angestellte eines globalistischen Systems, das letztlich von den obersten Finanzhaien gesteuert wird“, gibt der Verschwörungsmystiker Gerhard Wisnewski im Interview zu Protokoll (August, S. 17). Die zu Merkels Markenzeichen gewordene „Raute“ sei „ein freimaurerisches Zeichen, das den anderen Maurern signalisiert, daß sie von einer der Ihren regiert wird [sic!] und es damit für diese Spezies sich nicht schickt, öffentlich Kritik zu üben“. (Erwin Arlt, Mai/Juni, S. 36)

Überhaupt würden heutige Politiker – mit Ausnahme jener der FPÖ – lediglich „die Interessen […] der Hochfinanz und der Weltkonzerne vertreten“ (Wolf Borkin, September, S. 10). Diese Einschätzung findet sich auch auf der Leserbriefseite: Demnach seien die „uns regierenden Politiker […] nur mehr Marionetten“ einer weltweit vernetzten „Clique der Hochfinanz“, die „überall die Hände im Spiel“ habe – mit dem Ziel der „vollkommene[n] Unterwerfung der Wirtschaft unter deren [sic!] Schuldensystem“. Dieser Leserbrief eines Christian Ballmüller aus Traismauer (Juli, S. 6) fand sich fast wortgleich auch in Andreas Mölzers Zur Zeit (Nr. 29–30, S. 58).

Feindmarkierungen

Freilich: nicht alle politischen GegnerInnen sind nach Ansicht der Aula-Autoren von Juden gesteuert – manche sind auch selber welche. Dementsprechend gehört es zum Leserservice der Zeitschrift, vermeintliche oder tatsächliche Jüdinnen und Juden auch als solche auszuweisen – ob Leo Trotzki („bürgerlich: Lew Davidowitsch Bronstein“, Johan Banér, Oktober, S. 10), Lenin („Sein Großvater war der jüdische Arzt Israel Blank“), Magnus Hirschfeld („der jüdische Arzt und ‚Sexualreformer‘“, Siegfried Borgelt, Oktober, S. 15) oder UNESCO-Generalsekretärin Audrey Azoulay (entstamme „einer jüdisch-marokkanischen Familie“, Kurzmeldung, Oktober, S. 51). Den Autor Robert Menasse charakterisiert Thomas Seifert als einen „SPÖ-nahe[n] Intellektuelle[n], der auf seine jüdische Herkunft stolz und überzeugter Verfechter der Zweiten Republik“ sei. Ein gängiges antisemitisches Stereotyp aufgreifend, attestiert Seifert Menasse Heimat- bzw. Wurzellosigkeit: „‚Intellektuelle‘ wie ein Menasse leben natürlich hier und da und nirgendwo wirklich, sie spüren keine Verbundenheit zu einem Volk.“ Wo aber solche „entwurzelte internationale Eliten den Ton angeben, werden Kriege geführt und Probleme verursacht“. (Mai/Juni, S. 26)

Antisemitismus als Welterklärung

Auch historische Erörterungen in der Aula sind oftmals antisemitisch grundiert. Für den katholischen Fundamentalisten Gerhoch Reisegger (unter Bezugnahme auf die antisemitische Hetzschrift „Verschwörung gegen die Kirche“ von 1962) standen hinter dem Aufkommen des Protestantismus „die ‚Synagoge des Satans‘ und deren Helfershelfer, die freimaurerischen Logen“. Das auszusprechen, sei heutzutage „untunlich“, werde aber auch von „jüdische[n] Autoren“ bestätigt. (März, S. 53) Die russische Oktoberrevolution wiederum sei „vom angloamerikanischen Establishment als sozialistisches Experiment gestartet“, aber „Anfang der 1990er wiederum von der Ostküste abgebrochen“ worden.

Der Abbruch und die Wiedervereinigung Deutschlands seien nötig gewesen, weil es „ohne ein vereintes Europa keine Aussicht auf eine Weltregierung“ gegeben habe. (Longin Mendo, August, S. 18) Den mutmaßlichen Höhepunkt antisemitischer Ausfälle in der Aula lieferte im Jahr 2017 ein Leserbrief von Armin Fitzka: „Seit 3.000 Jahren dominiert das intelligenteste Volk auf Erden unseren Planeten. Das Alte Testament ist Grundlage und gibt Zeugnis. Der neutestamentarischen Christenheit wird eingeredet, ihr Heil im Jenseits zu finden. Die irdischen Geschäfte und Herrschaftsverhältnisse bestimmen andere.“ Diese
anderen stünden auch hinter dem Phänomen der Migration: „Durch die Vermischung der abendländischen Zivilisation mit einem gelenkt einfallenden Heer von Analphabeten und Fast-Analphabeten […] wird auch der abendländische Durchschnitts-IQ massiv gesenkt. Der Abstand zum Durchschnitts-IQ des bei weitem intelligentesten Volkes unseres Globus wird also weiter vergrößert. […] Faszinierend ist, wie einer zahlenmäßig winzigen Minderheit der Siegeszug über unseren ganzen Planeten gelang.“ (Oktober, S. 6)

Geschichtsklitterung und NS-Sympathien

Gleich vier Seiten der Aula-Doppelnummer (Mai/Juni, S. 9–13) 2017 nahm der Abdruck des Thesenpapers eines ehemaligen deutschen Bundeswehrobersts zur Ehrenrettung der Wehrmacht in Anspruch. Diese habe im Zweiten Weltkrieg vielfach „[r]itterliche Menschlichkeit“ unter Beweis gestellt. „Die deutschen Soldaten bewiesen […] bis zum Kriegsende, auch unter hohem eigenem Risiko, eine Menschlichkeit, die ihresgleichen sucht“. Auch böten die „überragenden militärischen Leistungen deutscher Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg und deren ebenso große Ritterlichkeit […] handfest Nachahmenswertes für alle Einsatzszenarien“ in der Jetztzeit. Auch der in rechtsextremen Kreisen gern erörterten Kriegsschuldfrage widmete sich die Aula 2017 wiederholt. Einer Rezension in der November-Nummer (S. 58) zufolge war „das Deutsche Reich am 1. September 1939 zum Handeln gezwungen“ worden. In derselben Tonart und derselben Ausgabe ortet ein „revisionistischer“ Autor (Michael C. Steinmetz) die Hauptverantwortung am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bei den USA und findet wohlwollende Worte für das NS-Regime: die Amerikaner hätten im Zweiten Weltkrieg realisiert, „daß eine staatlich geeinte Nation, sprich das Dritte Reich, eine ungeheure Macht darstellte […]. Das Solidaritätsgefühl in einem Staat mit gleicher Sprache, Kultur und Herkunft ist dem Konglomerat einer multikulturellen Mischgesellschaft mit den entsprechenden inneren Dauerkonflikten eindeutig überlegen.“ (S. 38 ff.)

Vergangenheitsbewältigung

Initiativen zur kritischen Aufarbeitung der NS-Ära steht die Aula wenig überraschend ablehnend gegenüber: so berichtete sie heuer höhnisch über die Stiftung einer „Holo-Professur“ (Professur für Holocaustforschung) an der Goethe-Universität Frankfurt (Jänner, S. 27), attestierte in derselben Nummer dem Direktor des Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Centers „ewige Rachegefühle“ (Kurzmeldung, S. 37) und ließ einen Vertreter der neonazistischen NPD gegen „Schuldkult“ anschreiben (Björn Clemens, S. 53). Das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz wird als „reine Platzverschwendung“ abgehandelt, deren „Sinnhaftigkeit ein normaler Mensch nicht erkennen kann“ (Kurzmeldung, Juli, S. 47). Fred Duswald geißelt „das institutionalisierte Ausschlachten von Mauthausen“, das ihm zufolge „auch dazu dient, um von Verbrechen der Gegenwart, insbesondere vom ‚Weltkrieg gegen das ungeborene Leben‘ (Erzbischof Georg Eder), abzulenken“ (September, S. 12).

Rassismus

Wolf Borkin bekennt sich in der Aula dazu, „Menschen anderer Rassen“ nicht „im eigenen Land haben“ zu wollen, was ein „völlig normale[r]“ menschlicher Zug sei, und stellt den Opfern rassistischer Übergriffe die zynische Frage, warum sie „sich nicht die Wohltat gönnen, Österreich rasch wieder zu verlassen“ (Jänner, S. 19). Den in der Aula viel gegeißelten „Globalismus“ beschreibt Thomas Seifert als das Streben nach einer „Weltordnung […], die im Endeffekt liberale, androgyne, rassisch gemischte Individuen zur Folge“ habe (Februar, S. 44). Die allgegenwärtigen bösen Hintergrundmächte seien im Begriff, „die Völker und Rassen abzuschaffen“ (Gerhoch Reisegger, Februar, S. 50), wozu ihnen „Massenmigration und Blutsvermischung“ als Instrumente dienten (Gustaf Horn, Februar, S. 59).

Parteipolitische Anbindung

Wie üblich fanden sich unter den Aula-Autoren des zu Ende gehenden Jahres zahlreiche Funktionäre der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) – allesamt aus der Steiermark: Mario Eustacchio (Jänner, S. 8 f.), Armin Sippel (Jänner, S. 16), der mittlerweile in den Nationalrat eingezogene Hannes Amesbauer (Februar, S. 25), Marco Triller (Juli, S. 23) und Gerhard Kurzmann (September, S. 8 f.). Für ein Interview stand der Aula – zum vierten Mal seit März 2016 – Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache zur Verfügung (April, S. 12 f.). Auch FPÖ-Inserate fanden sich 2017 nach wie vor in der Zeitschrift, wenn auch seltener als in vergangenen Jahren. Größter individueller Inserent war der steirische Europa-Abgeordnete Georg Mayer, der seine ganzseitigen Einschaltungen (Mai/Juni und Juli) über die Fraktionsförderung des EU-Parlaments finanzierte.

Auch ein Blick auf die Eigentümerstruktur des Aula-Verlags (als Medieninhaber und Herausgeber der Zeitschrift) erweist sich als aufschlussreich: in den Vorständen der Anteilseigner, der föderal organisierten Freiheitlichen Akademikerverbände (FAV) finden sich u. a. die Nationalratsabgeordneten Wendelin Mölzer (Obmann Verband freiheitlicher Akademiker Kärnten) und Axel Kassegger (Kassier FAV-Steiermark) sowie der Wiener Landtagsabgeordnete Dietbert Kowarik (Schriftführer FAV Wien-Niederösterreich Burgenland). Auf ihrem aktuellen Online-Auftritt verweist die ARGE FAV auf ihr „befreundete[s] Verhältnis“ zur FPÖ. Dieses wurde besonders eindrücklich 2011 dokumentiert, als sich zahlreiche Parteigrößen als Gratulanten zum 60-Jahr-Jubiläum der Aula einstellten (vgl. Dezember-Ausgabe 2011), darunter Parteichef Strache, Udo Landbauer und Manfred Haimbuchner. Johann Gudenus würdigte die Zeitschrift damals als „unverzichtbaren Bestandteil unserer Demokratie“, Georg Mayer bezeichnete die Aula als „Silberstreif am Horizont der heimischen Journaille“, sie betreibe „seriöse Berichterstattung abseits des Diktats der politisch korrekten Moral- und Tugendwächter“.

Forderungen an die Politik

Angesichts dieser Verschränkungen erscheint notierenswert, dass in der Aula 2017 bereits Forderungen an die inzwischen angelobte neue Bundesregierung formuliert wurden. So sollte „dubiosen Vereinen wie dem ‚Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes‘ (DÖW) der Geldhahn zugedreht werden“ (Martin Pfeiffer, Oktober, S. 7). Ebenfalls auf der Wunschliste: „Partielle Vorbehalte zu internationalen Vereinbarungen Menschenrechtskonvention, Flüchtlingskonvention), die längst fällige Umgestaltung der Kammern“ oder „ein Verbot muslimischer Vereine“. Im Sinne der Nachhaltigkeit der anstehenden Wende sollte die kommende Koalition zudem „auch verfassungsrechtliche Maßnahmen andenken, um ein neuerliches Emporkommen der Grünen und ein Wiedererstarken der Roten hintanzuhalten. Die vom Wähler unmißverständlich gewünschte Veränderung soll schließlich von Dauer sein.“ (Wolf Borkin, November, S. 23)

Mehr über die Aula beim DÖW

1 Kommentar

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