Mit Rechten reden?

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Als ich das erste Mal bewusst mit einem Rechten geredet habe, war ich 15. Ein Aktivist der Neonaziorganisation Wiking-Jugend, der kurz zuvor ins Dorf gezogen war, tauchte in unserem Jugendzentrum auf. So lange er allein war, verhielt er sich einigermaßen zivil…

Von Thies Marsen
Gesendet im Rahmen der Sendung „Jazz & Politik“, Bayern 2, 28.10.2017, im podcast nachhören

Schließlich kam unser Sozialpädagoge aber auf die glorreiche Idee, man müsse Rechtsextremisten einbinden, weshalb sie auch das Recht haben sollten, eine Party zu veranstalten. Die Folge war, dass eine Horde von rund 50 Neonazis in unser Dorf einfiel, um sich prügelte, das Jugendhaus, eine Kneipe und zum Schluss noch die S-Bahn auseinandernahm, bis ein Großaufgebot der Polizei dem ganzen ein Ende setzte.

Es waren die 80er Jahre, nicht nur auf der Straße setzten sich die Rechten fest und verbreiteten Angst und Schrecken, mit den Republikanern schickte sich auch eine neue rechtsradikale Partei an, die Parlamente zu erobern. Ihr Vorsitzender Franz Schönhuber tourte durch die Festzelte und als er in meiner Nähe gastierte, wollte ich ihn mir anschauen. Doch am Zelteingang wurde ich, völlig unvermittelt, mit einem Faustschlag ins Gesicht empfangen.

Meine Motivation, das Gespräch mit Rechten zu suchen, hat durch diese Erfahrungen zugegebenermaßen etwas gelitten. Mein heutiger Beruf bringt es aber mit sich, dass ich es manchmal doch tue oder zumindest versuche. Am Rande von rechten Aufmärschen oder ähnlichen Veranstaltungen beschränkt sich das Reden mit den Rechten meist darauf, dass ich beschimpft werde: Als Lügenpresse oder Scheißzecke. Etwas gesitteter geht es bei Parteiveranstaltungen zu, wenn man denn überhaupt eingelassen wird. Manchmal schafft man es auch tatsächlich, ein Exklusiv-Interview mit einem der Funktionäre zu erhalten – was meist einen ellenlangen Vorlauf mit unzähligen Telefonaten und E-Mails erfordert, falls es überhaupt klappt. Meinen letzten Versuch, mit dem aktuellen NPD-Chef ins Gespräch zu kommen, brach ich jedenfalls nach ein paar Wochen entnervt ab. Auch ein zugesagtes Interview mit dem bayerischen AfD-Landesvorsitzenden kam nicht zustande, stattdessen erschien sein Stellvertreter. Der im Gespräch dann übrigens durchaus sympathisch und sehr eloquent war.

Dennoch muss ich sagen, dass mir Politiker der NPD bei Interviews lieber sind als Politiker der AfD. Bei NPDlern weiß man woran man ist, sie reden zwar auch oft um den heißen Brei herum, allerdings vor allem deshalb, weil sie wissen, dass sie schnell mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt geraten würden, wenn sie ihren Gedanken freien Lauf ließen. Ihre braune Gesinnung ist trotzdem immer unverkennbar und dazu stehen sie auch. Bei AfD-Politikern dagegen passiert es regelmäßig, dass sie lavieren, relativieren oder dass sie einem gar dreist ins Gesicht lügen.

Weitaus erhellender als das Gespräch mit Rechten sind meist ohnehin jene Verlautbarungen, die die Rechten von sich geben, wenn sie glauben, dass sie unter sich sind: Also Ansprachen bei Kundgebungen und interne Rundschreiben, Facebook-Posts und -Freundeslisten, E-Mails und Internet-Chats unter Gleichgesinnten. Denn da bricht sich oft ungefiltert Bahn, was diese Herrschaften wirklich denken und mit welchen braunen Freunden sie sonst noch so verkehren.

Dessen unbenommen sollte man als Journalist natürlich auch direkt mit den Rechten reden. Allerdings kommt es dabei entscheidend darauf an, wie man es tut. Es ist nunmal ein Unterschied, ob man ihnen das Forum einer Talkshow oder einer Podiumsdiskussion bietet, wo sie ihr rassistisches, sexistisches, antisemitisches Gedankengut nahezu ungebremst und ungefiltert verbreiten dürfen oder ob man ihre Aussagen vor einer Veröffentlichung erst gegencheckt, einordnet und gegebenenfalls bestimmte Verlautbarungen auch bewusst nicht veröffentlicht. Zwar ist freie Meinungsäußerung die Grundlage unserer pluralistischen Demokratie und für mich als Journalisten sozusagen die Geschäftsgrundlage. Doch warum sollte ich ausgerechnet denjenigen, die unsere pluralistische Demokratie abschaffen wollen, ein Forum bieten. Unser Grundgesetz basiert auf den Erfahrungen der zwölfjährigen Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten, es garantiert deshalb das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber: es nimmt faschistische Hetze davon explizit aus. Denn Faschismus ist eben nicht irgendeine Meinung neben anderen, sondern ein Verbrechen. Eine Ideologie der Ausgrenzung und Abwertung bestimmter Menschengruppen – seien es Migranten, Moslems, Frauen, Behinderte – die am Ende auf Gewalt hinausläuft. Als Journalist glaube ich an die Macht des Wortes. Und gerade deshalb will ich es nicht denen überlassen, die mir und allen anderen, die nicht ihrer Meinung sind oder die nicht in ihr krudes Weltbild passen, am liebsten das Wort abschneiden würden – und vermutlich nicht nur das, wenn man all den vor Gewaltphantasien strotzenden Hassmails und Hetzkommentaren glauben darf, mit denen man als Journalist oder auch engagierter Bürger heutzutage ständig rechnen muss.

Also: Natürlich sollte man mit Rechten reden – das gilt im Politischen ebenso wie im Privaten. Wir kommen um die Auseinandersetzung nicht herum. Aber das Gerede der Rechten darf nicht eins zu eins verbreitet werden, es muss entlarvt werden und manchmal, wenn es die Grenzen des Anstands oder des Strafgesetzbuches überschreitet, muss es auch unterbunden werden. In den Medien und im Parlament ebenso wie am Stammtisch oder an der Supermarktkasse.

Wer Hass verbreitet, dem muss klar gemacht werden, dass er sich damit selbst ins Abseits stellt, dass er damit den demokratischen Konsens verlässt und entsprechend behandelt wird. Egal ob im Beruflichen oder im Privaten – es geht darum, das Unsägliche wieder unsagbar zu machen. In einer Demokratie hat jeder das Recht seine Meinung frei zu äußern – um die Demokratie lebendig zu halten, nicht um sie abzuschaffen.

Jazz & Politik – Man wird noch reden müssen: Im hohen Glashaus darin u.a.:    – Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Das viel diskutierte Buch von Leo/Steinbeis/Zorn (Sprecher: Axel Wostry)    – Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Worten werfen? Was im Plenarsaal auf uns zukommt (Mario Kubina)    – Haben „die“ Rechten wirklich so viel von uns, äh, der Linken gelernt? Ein Versuch von (Tobias Krone)    – Ich will lieber Klartext reden als mit Rechten kuscheln (Thies Marsen), im podcast nachhören

Bild oben: Neonazis in Halle, (c) Katia Vasquez Pacheco