Über die Erstausgabe des neuen rechten Magazins CATO…
Lucius Teidelbaum
Obwohl auf dem Cover August 2017 steht, erschien die Erstausgabe des neuen Magazins CATO erst am 8. September 2017. Das „Magazin für neue Sachlichkeit“ ist politisch irgendwo rechts vom konservativen „Cicero“ und links vom neurechten Strategieblatt „Sezession“ anzusiedeln. CATO kommt aus dem unmittelbaren Umfeld der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) bzw. dem nahe stehenden thinktank „Bibliothek des Konservatismus“, wo das Magazin auch am 5. September einem ausgewählten Publikum vorgestellt wurde.
Hinter CATO steckt offenbar neben dem Chefredakteur Andreas Lombard vor allem der neurechte Vordenker Karlheinz Weißmann. Weißmann ist promovierter Historiker und Lehrer für Geschichte und evangelische Religion an einem Gymnasium in Northeim.
Ursprünglich hatte Weißmann in „Sezession“ und „Sezession Online“ publiziert. Das Magazin war das Blatt des thinktanks „Institut für Staatspolitik“ (IfS). Bis April 2014 war Weißmann auch der wissenschaftliche Leiter des IfS und von April 2003 bis Juni 2012 Redakteur der „Sezession“. Doch mit dem IfS kam es 2014 über strategische Fragen, u.a. zum Umgang mit der AfD, zum Bruch. Der Verleger Götz Kubitschek bevorzugte radikale Bündnisse mit dem Höcke-Flügel der AfD oder PEGIDA. Das schmeckte Weißmann nicht, der offenbar nicht die Anschlussfähigkeit an das konservative Bürgertum verlieren wollte. Im Gegensatz zu Kubitschek plant Weißmann langfristiger. Bereits 2001 hieß es bei ihm: „Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtische, sondern über Hörsälen und Seminarräumen interessiert uns.“
Nun hat sich Weißmann einen neuen Ort für rechte Kulturkritik, Analysen und Strategiedebatten geschaffen. Selbst schreibt er in CATO, dass die Rechte einer „argumentative[n] Basis“ bedürfe. Außerdem fordert Weißmann eine „organische Intelligenz“ statt einer freischwebenden. Die Idee einer rechten Elite, die den Staat retten müsse, zieht sich durch viele Artikel von CATO.
Ansonsten singt das Magazin das kulturpessimistische Lied vom Untergang des Abendlandes. Chefredakteur Andreas Lombard beklagt im Editorial ein „sittliches und religiöses Vakuum“, in das der Islamismus vorstoßen würde.
Lombard ist neben Weißmann die zweite wichtige Person von CATO. Lombard, der bis 2013 den Nachnamen Krause-Landt trug, war seit 2005 Inhaber des Landt-Verlags in Berlin, der inzwischen Teil des Verlags „Manuscriptum“ ist, den Lombard leitet. Bei „Manuscriptum“ erschienen in jüngster Vergangenheit zahlreiche rechte Bücher von Autoren wie Jürgen Elsässer, Konrad Adam, Akif Pirinçci oder Václav Klaus. In Lombards Artikel „Wir sind alle im gleichen Fall“ macht er aus dem verstorbenen Rolf Peter Sieferle (1949-2016) eine Art Märtyrer der Meinungsfreiheit. Sieferles posthum in dem extrem rechten Kleinverlag „Antaios“ erschienenes Werk „Finis Germania“ war von vielen Rezensent*innen als rechtsradikale Polemik kritisiert worden. Einige attestierten Sieferle auch antisemitische Tendenzen. Lombard sieht das nicht so, Sieferles Vergehen „bestand in der Verknüpfung von Geschichts- und aktueller Migrationspolitik, von Holocaustmemorierung und Masseneinwanderung, von kollektiven Schuldgefühlen und Selbstbestrafungsfantasien.“ (Seite 23)
Er teilt somit Sieferles These, dass der Aufnahmefreundlichkeit eines Teils der deutschen Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen eine Art Vergangenheitsknacks zugrunde liege. Denn nach Meinung Lombards werden Shoah und Auschwitz beständig instrumentalisiert: „Spätestens seitdem [gemeint ist der Historikerstreit 1986/87] erleben wir die autoritäre Politik selbsternannter Opferstellvertreter, die in Panik geraten, wenn jedermann Bücher wie die von Rolf Peter Sieferle in der Bahnhofsbuchhandlung kaufen kann. Die in Auschwitz ein politisches Kapital entdeckt haben, das ihren Herrschaftsanspruch absichern soll.“ (Seite 24)
Damit spricht Lombard den Vertreter*innen einer kritischen Erinnerungskultur und Aufarbeitung der deutschen Geschichte die Ernsthaftigkeit ab.
Nomen est omen!
Benannt ist das neue Magazin nach dem aristokratischen, römischen Politiker Cato der Jüngere (95-46 vor unserer Zeit). Cato verfocht als Senator und Parteigänger der Optimaten neben einer Sittenstrenge vor allem die Staatsform des alten Roms, also einer Aristokratie, die damals als Republik bezeichnet wurde. Lediglich nichtadelige, männliche Staatsbürger hatten in dieser „Republik“ gewisse Rechte. Frauen, Sklaven und die Unterworfenen waren in dem von Cato vertretenen Gesellschaftsmodell dagegen ohne Bürgerrechte.
Auch in dem Essay „Die Tragödie der Republik“ des französischen Autors Pierre Manent, dessen Übersetzung sich in CATO findet, wird die Republik elitär definiert: „Der Grundsatz auf dem die Republik beruht, ist ein aristokratischer Stolz; die Regierenden treibt der aristokratische Stolz einer kleinen Elite der Tüchtigen und Tugendhaften.“ (Seite 59)
Dass ein derart elitäres Modell Anhang unter den Neuen Rechten findet, die mit der modernen parlamentarischen Demokratie und ihrem Gleichheitsanspruch schon immer gefremdelt haben, wundert im Grunde nicht.
Der historische Cato kämpfte zwar gegen Caesars Absolutismus und verteidigte angeblich die Republik, in Wahrheit aber verteidigte er die Aristokratie, der er entstammte; der Historiker Theodor Mommsen nannte ihn einen „Don Quichotte der Aristokratie“. Auch in dieser Position entdecken die Neuen Rechten sich wieder. Wie Cato verteidigen sie aber nicht die Freiheit allgemein, sondern vielmehr die Privilegien ihrer Gruppe, des konservativ eingestellten deutschen Bürgertums.
Wer dabei in neurechter Vorstellung die Rolle des Caesars einnimmt, offenbart ein Blick auf das Cover des Magazins. Hier blickt einen eine steinerne Merkel-Büste mit dem Lorbeerkranz des Caesars an.
Die Analogisierung einer mehrheitsdemokratisch gewählten Bundeskanzlerin mit einem Militärdiktator wie Caesar strapaziert die historische Wirklichkeit. Der Wahrheitsgehalt ist aber zweitrangig, denn das antike Rom dient erkennbar als Projektionsfläche für die Kritik an der Gegenwart.
In einem Aufsatz in CATO lobt der deutsch-belgische Geschichtsprofessor David Engels aus Brüssel Catos Kampf gegen Caesar bzw. „gegen die Tyrannis“. Den Niedergang Roms führt er auf spätrömische Dekadenz und Multikulti zurück. Einen Niedergang wollte bereits der Kulturpessimist Oswald Spengler in seinem Buch „Der Untergang des Abendlands“ an allen Ecken erblicken. Gerade an diesem Spengler orientiert sich Engels auch in anderen Texten.
Rechter Gemischtwarenladen
Ansonsten ist das Magazin eine Art rechter Gemischtwarenladen für das gehobenes Bürgertum.
Der Text von Nicolaus Fest ist vom Ton vulgärer als die übrigen im Heft. Er versucht auszuführen, warum die Bezeichnung „Lügenpresse“ im Grunde gerechtfertigt sei. Etwa weil in den Medien von Flüchtlingen und Zuwanderern und nicht von „Invasoren“ die Rede ist. Ansonsten konstatiert er eine „Nähe zu den Zuständen der DDR“ und will eine „systematische Verfolgung der AfD erkennen“.
Fest war nicht nur 2013 bis 2014 stellvertretender Chefredakteur der „Bild am Sonntag“, sondern ist seit Oktober 2016 AfD-Mitglied und tritt für seine Partei zur Bundestagswahl 2017 in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf als Direktkandidat an.
Der Beitrag aus der Feder des JF-Redakteurs Thorsten Hinz bringt die Schlesiensehnsucht der deutschen Rechten zum Ausdruck. Außerdem nutzt er seinen Text, um seine Angst vor einer angeblichen „Überfremdung“ zum Ausdruck zu bringen und plädiert für eine Flucht Richtung Osten: „Wenn immer mehr Viertel deutscher Städte sich in Exklaven Kleinasiens und Afrikas und in für Deutsche fremde Zonen verwandeln, bedeutet auch das Heimatverlust, eine Vertreibung der anderen Art. Von solchen Verhängnissen hält Polen sich – und damit auch die ehemaligen Ostgebiete – bislang frei. Dem deutschen Besucher, der in schöner Sicherheit auf dem Breslauer Ring sitzt und in der Abendsonne die ungebrochen europäische des Stadtbildes genießt, erscheinen die alten deutsch-polnischen Konflikte plötzlich wie aus der Zeit gefallen. Er denkt an neue Perspektiven. Könnte es sein, daß eine Stadt wie Wroclaw, während Breslau gegenwärtig ist und bleibt, den neuen deutschen Vertriebenen, die ihr Land von einheimischen Fanatikern und zugereisten Analphabeten heruntergewirtschaftet sehen und ihm den Rücken kehren, eines Tages zur neuen Heimat wird?“ (Seite 85)
Der rechtskonservative Vordenker und Buchautor Sir Roger Scruton aus Großbritannien schreibt in einem Beitrag gegen moderne Architektur und für den Stil „New Urbanism“. In der „Jungen Freiheit“ 35/2017 vom 25. August 2017 antwortete Scruton auf die Frage „Was möchten Sie verändern?“, sicher auch mit einem gewissen britischen Humor: „Ich würde gern Plastikflaschen loswerden, ebenso Touristen, Autobahnen, Linke, Glasarchitektur, Fernsehen, militanten Islam, Fußball, radikalen Feminismus, Libyen, die Europäische Kommission, Baseball-Mützen, moderne Konzerthallen und die Labour Party. Ansonsten bin ich ziemlich zufrieden mit den Dingen, wie sie sind.“
Josef Kraus‘ Text „Im Grunde geht es um Neid“ ist ein Appell für die Beibehaltung des mehrgliedrigen Schulsystem und gegen die Gesamtschule, denn Bildungspolitik sei laut dem Autor zum Religionsersatz verkommen. Statt Gleichheit plädiert der Autor für Elitenbildung. Kritik an dem bisherigen Schulsystem tut er als „sozialpopulistische Neiddebatte“ ab. Josef Kraus aus Ergolding war von 1987 bis Juli 2017 Präsident des „Deutschen Lehrerverbandes“, der vor allem als eine konservative Standesorganisation von GymnasiallehrerInnen agiert. Der Oberstudiendirektor an einem Gymnasium bei Landshut war 1995 Schattenkultusminister der CDU bei der Wahl zum hessischen Landtag und Mitglied im Beirat für Innere Führung des Bundesministers der Verteidigung. Er trat immer wieder als Referent für rechte Gruppen auf, u.a. war er zweimal bei der FPÖ angekündigt.
Ein Beitrag über „Einhundert Jahre Katastrophengebiet Naher Osten“ stammt von Prof. Dr. Martin van Creveld, der bis zu seiner Emeritierung 2008 Professor an der Hebräischen Universität von Jerusalem war. Van Creveld hat mehrfach in der „Jungen Freiheit“ veröffentlicht. In der Vergangenheit äußerte der Militärtheoretiker auch frauenfeindliche Thesen, wie etwa: „Alle Frauen, oder zumindest sehr viele, genießen es, Männern dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig abschlachten”.
Sebastian Hennig aus Radebeul bei Dreden porträtiert in CATO den Künstler Harals Metzkes. Hennig ist Autor des Buches „PEGIDA. Spaziergänge über den Horizont: Eine Chronik“, das die rassistischen Massenaufmärsche verherrlicht. Das Buch erschien 2015 in dem kleinen thüringischen Verlag „Arnshaugk“. In diesem wurde auch das „Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ des NSDAP-Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder wiederveröffentlicht.
Michael Klonowsky besuchte den Historiker Jörg Friedrich, der in seinen drei Wohnungen eine sehr große Schallplattensammlung beherbergt. Klonovsky war „Chef vom Dienst“ beim FOCUS und war von Juni 2016 bis Anfang 2017 „publizistischer Berater“ der AfD-Parteichefin Frauke Petry und im Anschluss daran für deren innerparteilichen Konkurrenten Jörg Meuthen, u.a. Fraktionsvorsitzender der AfD im Stuttgarter Landtag. Klonowsky war aber lange vor seiner AfD-Beraterkarriere eine Wegbereiter der AfD. Bereits im Jahr 2010 entwarf er in seinem Text „Nation, Familie, Sprache“ das Programm einer fiktiven rechten Partei.
Das Magazin versucht den Spagat, einerseits in einem Artikel den jüdischen Außenminister Walther Rathenau zu würdigen, der im Juni 1922 von Rechtsterroristen auch aus antisemitischen Motiven ermordet wurde. Andererseits lobt Karlheinz Weißmann in einer Rezension ausdrücklich den Republikgegner Edgar Julius Jung, einen Vertreter der so genannten „Konservativen Revolution“, die genau solche Taten mit ihren Texten befeuerte und auch selbst an politischen Attentaten beteiligt war.
Die Anzeigen im Heft stammen von den Verlagen „Langen-Müller“ und „Herbig“, vom „Resch-Verlag“, dem „FinanzBuch-Verlag“, von „Privatinvestor“ (einem „Kapitalanlagebrief“), der „Hoyer Group“, der „Bibliothek des Konservatismus und der Hotelkette „Privathotels Dr. Lohbeck GmbH Co. KG“.
„Konservativ“?
Ebenso wie bei der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ist fraglich, ob die Selbstbezeichnung „konservativ“ für das Magazin und seine Autoren mehrheitlich zutrifft. Der Ton ist sicherlich in den meisten Texten eher konservativ-gediegen, der Inhalt aber schon weniger.
Es ist der Versuch unter radikalisierten Konservativen, die sich von der Merkel-CDU enttäuscht abgewandt und der Gauland-AfD zugewandt haben, eine Leserschaft zu finden.
Ob das gelingt, bleibt aber fraglich. Wirklich Originelles findet sich in CATO nicht. Vieles hat man schon mal so oder so ähnlich bei „Tichys Einblick“, „The Germanz“ usw. online gelesen. Warum also sollte jemand dafür extra zahlen? Man wird sehen, wie lange sich die selbsternannte „Arche für die Stürme von Morgen“ über Wasser halten kann.