Bechhofen – Scheunensynagoge und Jahrhunderte alte steinerne Zeugnisse

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In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden…

Außenansicht der Scheunensynagoge, Foto: Gemeindearchiv Bechhofen an der Heide

Bechhofen – Scheunensynagoge und Jahrhunderte alte steinerne Zeugnisse

„Bekanntlich zählt die Scheunensynagoge in Bechhofen als eine der wenigen aus dem siebzehnten Jahrhundert zu den wertvollsten jüdischen Denkmälern in Bayern“, schrieb die „Bayerische Israelitische Gemeindezeitung“ im April 1936. Das von außen nicht als Gotteshaus erkennbare Gebäude gehörte zu einer Gruppe von jüdischen Beträumen in Süddeutschland, die der Wandermaler Elieser Sussmann aus Brody in Galizien zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit einzigartigen, farbenfrohen Blumen- und Tiermotiven sowie mit hebräischen Texten ausgemalt hatte. Bei diesem Werk handelte es sich um sein „wahrscheinlich flächenmäßig umfänglichstes Werk in Franken“. Über dem holzvertäfelten Betsaal erhob sich ein Tonnengewölbe, reicht verziert mit floralen Mustern von sieben Metern Höhe auf einer Grundfläche von rund acht auf neun Meter. An den Hauptraum schloss sich die so genannte Frauenschul an – ein Andachtsraum für die weiblichen Gemeindemitglieder, durch ein rautenförmiges Gitter abgetrennt. Darüber befanden sich Wohnräume.

Südwand des mit floralen Mustern und Psalmen verzierten Gotteshauses, Foto: Gemeindearchiv Bechhofen an der Heide

In der Pogromnacht von 1938 steckten die Nationalsozialisten die unter Denkmalschutz stehende Synagoge in Brand – ein einzigartiges Zeugnis des fränkischen Landjudentums wurde für immer vernichtet.

Die erste Ansiedlung von Juden in Bechhofen wird auf das Jahr 1559 datiert. Vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis weit ins 19. Jahrhundert betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung in der fränkischen Gemeinde zwischen 25 und 30 Prozent. Erst durch die rechtliche Gleichstellung und die damit verbundene Übersiedlung in die Städte zur Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Anzahl der jüdischen Bürger kontinuierlich zurück. 1910 lebten nur noch 44 Juden in Bechhofen; nachdem die Nationalsozialisten die Macht übernahmen hatten, kam ein Minjan nur noch unter großer Mühe zustande. Die letzten Juden verließen ihre Heimat am 12. Oktober 1938. Heute erinnert nur noch der Friedhof aus dem 16. Jahrhundert an die lange jüdische Geschichte in Bechhofen. Rund 2300 Grabsteine sind noch erhalten, der älteste stammt aus dem Jahre 1602 – steinerne Zeugen einer einst blühenden jüdischen Gemeinschaft.

Der Friedhof Bechhofen gehört zu den größten jüdischen Gräberfeldern in Bayern. Zeitweise bestatteten bis zu 15 jüdische Gemeinden aus der Region dort ihre Toten.

Jüdischer Friedhof Bechhofen. Zwischen 1602 und 1938 fanden hier rund 8.000 Juden ihre letzte Ruhestätte, Foto: nurinst-archiv

Eine ausführliche Dokumentation zum Friedhof, einschließlich Lageplan und zahlreichen Fotos finden Sie hier:
http://www.juedischer-friedhof-bechhofen.de/friedhof.html

2007 wurde die Scheunensynagoge als Modell im Computer nachgebaut. Diese Visualisierung basiert auf historischem Fotomaterial und den Erinnerungen von jüdischen Zeitzeugen. Die virtuellen Rundgänge durch das zerstörte Gotteshaus sind hier abrufbar.

Anfahrt

A 6, Ausfahrt Ansbach/Bechhofen, B13/Staatstr. 2221 Richtung Wassertrüdingen

Ab Nürnberg S 4 oder Regionalexpress (Nürnberg-Stuttgart) bis Ansbach, Bus 802 nach Bechhofen

Wandern:

Über die Verwaltung der Marktgemeinde ist eine 90-120 minütige Führung „Spuren jüdischen Lebens in Bechofen“ zu buchen.
http://www.markt-bechhofen.de/

Einkehr

Landgasthof zum grünen Baum

Quellen:

Frankenbund Gruppe Ansbach (Hg.), Der jüdische Friedhof Bechhofen an der Heide, Ansbach 2013.
Willy Goldberg, Geschichtliches aus der jüdischen Gemeinde Bechhofen nach unveröffentlichten Akten, in: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, 1. April 1936.
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918–1945. Geschichte und Zerstörung, München 1979.

Index – Juden in Franken – ein historischer Überblick