Aus Liebe zum Bauhaus-Stil

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Neues Denkmalschutz- und Architekturzentrum für die „Weiße Stadt“ in Tel Aviv…

Von Anita Haviv-Horiner
Zuerst erschienen in: Nu – Jüdisches Magazin für Politik und Kultur

„Israel ist nicht in Europa – aber von Europa“, schreibt Dan Diner in seinem Aufsatz „Gestaute Zeit“. Auch wenn diese Feststellung im heutigen Israel nicht immer erkennbar ist, so trifft sie doch  auf die „Weiße Stadt“ in Tel Aviv, der weltweit größten Konzentration von Gebäuden der klassischen Moderne, auch bekannt als Bauhaus –Stil, zu.

Die Planung und Errichtung dieser Gebäude ist eng mit dem Schicksal jüdischer Architekten verbunden, die Deutschland nach 1933 verlassen mussten. Diese Flüchtlinge brachten das Bauhaus aus Dessau ins damalige Palästina, aus derselben Stadt, in der wenig später in einer ehemaligen Zuckerraffinerie Zyklon B hergestellt werden sollte.

Die zwischen 1933 und 1948 in Tel Aviv errichteten ca.  4000 Bauhaus-Gebäude sind von den Ideen geprägt, welche diese rund 20 jüdischen Architekten aus Deutschland ans Mittelmeer mitbrachten. Die europäischen Flüchtlinge hatten es verstanden, ihre Werke an das Klima und die Umwelt der neuen Heimat anzupassen, und sogar die hebräische Sprache zu bereichern. Hans-Christian Rößler erinnert in der FAZ daran, dass bis heute israelische Bauleute deutsche Begriffe wie Wasch- und Kratzputz, die einst die Bauhaus-Architekten mitbrachten, verwenden.

Die „Weiße Stadt“ bildet einen Anknüpfungspunkt für den deutsch-israelischen Dialog – auch und gerade – nach dem 2015 in zahlreichen offiziellen Feierlichkeiten begangenem 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten.  

Da heutzutage die politischen Spannungen zwischen Deutschland und Israel schwer zu übertünchen sind, sind kreative Ansätze  erforderlich, um die so oft beschworenen „besonderen“ Beziehungen nicht auf ein verbales Klischee zu reduzieren.

Tel Avivs Bauhaus-Gebäude, wurden 2003 ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Nach der Verleihung hat die Stadt gemeinsam mit der UNESCO begonnen, einen Denkmalschutz-Plan zu entwickeln. Diesen gilt es auch zu finanzieren, allerdings ist Denkmalschutz ist in Israel  nicht großgeschrieben, das gilt auch für die 1909 gegründete Stadt Tel Aviv. Hier sprang das deutsche Bundesbauministerium helfend ein: es stellte  rund 2,8 Millionen Euro für den denkmalgerechten Erhalt und der nachhaltigen Entwicklung der Weltkulturerbes „Weiße Stadt“ bereit.“ 2015 unterzeichneten Ministerin Barbara Hendricks und der Tel Aviver Bürgermeister Ron Huldai eine Vereinbarung über eine langfristige Zusammenarbeit bis 2025.

Die deutsche Beteiligung fokussiert auf dem Aufbau eines Denkmalschutz- und Architekturzentrums für die Weiße Stadt, das 2017 offiziell eröffnet wurde.

Der Standort ist das „Max Liebig Haus“, ein bedeutendes Baudenkmal in der Idelson Straße 29, mitten in der Weißen Stadt. Gestaltet wurde der Bau von Dov Karmi, dem berühmten Architekten, der als Erster seiner Zunft mit dem Israelpreis ausgezeichnet wurde.

In der oberen Etage des Besucherzentrums liegt eine Museumswohnung,  in welcher der größte Teil der Originalelemente erhalten blieb. Dort können Besucher auch die von der österreichischen Architektin Margarete Schütte-Lihotzky inspirierte Küche besichtigen. Das strikte Küchendesign mit aus Deutschland importierten Fliesen von Villeroy & Boch basiert auf dem Vorbild der Frankfurter Küche, welche die Loos Schülerin Schütte-Lihotzky entworfen hatte. Das Leitmotiv der Wienerin war die Emanzipation der berufstätigen Frauen in den 1920er Jahren durch ihr zeitsparendes Design im Alltag zu unterstützen. Dieses Konzept passte perfekt zur Realität  der zionistischen Pionierinnen der damaligen Zeit.

Seit seiner Eröffnung hat sich das Zentrum zu einem attraktiven und disziplinübergreifenden Ort der Begegnung entwickelt. Die Auseinandersetzung mit dem Schaffen von Modernisten wie Adolf Loos und dessen zeitgenössische Relevanz stehen im Mittelpunkt der zahlreichen und gut besuchten Veranstaltungen im Max Liebig Haus.

In Zukunft werden Baufachleute, Forscher und Handwerker dort stimmige Konzepte für die Sanierung der Gebäude und des Viertels erarbeiten – in engem Austausch mit den Eigentümern, öffentlichen Stellen und Bewohnern des Viertels. „Denn wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Ensemble kein Museum ist, sondern lebendigeד Stadtviertel“,  stellte Ministerin Hendricks zu Recht fest.

In der Stadtverwaltung von Tel Aviv ist die Architektin Sharon Golan-Yaron für den Denkmalschutz verantwortlich. Während ihrer Kindheit in Tel Aviv schenkte sie den bröckelnden Fassaden der Weißen Stadt wenig Beachtung. Dies änderte sich mit ihrem Architekturstudium in Chicago. Dort verinnerlichte sie das Leitmotiv des  deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe: „Weniger ist Mehr“. Als sie später in Berlin lebte,  wurden sechs Wohnhaussiedlungen der Berliner Moderne auf die Welterbe-Liste der UNESCO aufgenommen.  Damals erst erfasste sie, welche architektonischen Schätze unter dem bröckelnden Putz vieler Tel -Aviver Fassaden verborgen waren.  

Wie so oft, liegt der Motor für das unermüdliche Engagement auch bei Golan-Yaron in der eigenen Biografie: „Meine enge Beziehung zur deutschen Kultur und meine Liebe für den Bauhaus-Stil waren mein Antrieb zur Schaffung eines israelischen-deutschen Projektes“, so Golan-Yaron.  „Es gibt verblüffende Parallelen zwischen den Idealen des Bauhaus und des Zionismus der dreißiger Jahre: Sie betrachteten den Menschen als Objekt und Subjekt gesellschaftlichen Wandels, und wollten mit Hilfe modernen Designs eine neue egalitäre und gerechte soziale Utopie schaffen. Tel Aviv, als Weltkulturerbe mit der weltweit größten Ansammlung von Gebäuden der Moderne, bietet eine einmalige Gelegenheit, der Partnerschaft beider Länder neue Inhalte verleihen, und ihnen auch eine neue Relevanz zu verleihen. Denn selbst wenn das BAUHAUS vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten geschlossen wurde, haben die Ideen, die dort formuliert worden, nichts von ihrer Brisanz oder Relevanz eingebüßt. Dieses gemeinsame  kulturelle Erbe Deutschlands und  Israels soll Mittelpunkt einer Debatte über alle Bereiche urbanen Lebens werden, auf wissenschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer Ebene.“

Mit dem Hinweis auf Adolf Loos und Margarete Schütte-Lihotzky stellt Sharon Golan-Yaron auch den Bezug zu Österreich her. Sie hofft, in Wien auf Interesse zu stoßen und freut sich, schon erste Kontakte geknüpft zu haben.

Alle Bilder: (c) haGalil