Ein unermüdlicher Brückenbauer

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Zum Tode von Horst Dahlhaus (1927 – 2017)…

Von Roland Kaufhold

Horst Dahlhaus, von kleiner Statur und auffallender Vitalität, war immer voller Idee und Pläne, die er auch im hohen Alter noch weiter betrieb. Er war stets gut gelaunt, agil, hintergründig und voller Humor, was auch schweren Themen eine Leichtigkeit gab. Nun ist Horst Dahlhaus im Alter von 89 Jahren verstorben.

1927 in Voerde geboren erlebte er den Krieg als eine traumatische Erfahrung. Im Herbst 1945 wurde er 18-jährig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und sah danach die Bilder der Befreiung der Konzentrationslager, die ihnen gezeigt wurden: „Ich stand unter dem erschütternden Eindruck der Bilder – ein Schock, der mich sehr belastet hat, noch lange nachwirkte und mein Leben geprägt hat“, schrieb er vor wenigen Monaten in einem Magazin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)[i] anlässlich des 50. Geburtstages der DIG – seiner DIG. „Der Wunsch, mich an Versöhnungsarbeit zu beteiligen stand im Vordergrund bei meiner Suche nach entsprechenden Aufgaben – und sie kamen“, fügte Horst Dahlhaus hinzu.

1955 schloss Horst Dahlhaus sein Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln als Diplom-Kaufmann ab und arbeitete in der Rheinischen Kirche im Bereich der Sozialarbeit und der Erwachsenenbildung. Die Verbindung zwischen seinem christlichen Glauben und der aktiven „Versöhnungsarbeit“ mit Israel und mit Juden vermochte er bereits in diesem Rahmen zu verwirklichen.

Horst Dahlhaus gehörte 1966 zu den Begründern der DIG wie auch zahlreicher weiterer Gruppen, die sich für den deutsch-israelischen und den christlich-jüdischen Dialog einsetzten. Er empfand diese Arbeit als eine existentielle, aber auch als eine innerlich befriedigende Verpflichtung, was seiner Biografie geschuldet war.

Al es 1977 aufgrund ausgeprägter interner politischer Differenzen innerhalb der DIG (es ging vermeintlich um die Position, dass auch eine DIG eine deutliche Kritik zu der Politik einer israelischen Regierung formulieren dürfe bzw. müsse; nicht zuletzt der Grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck[ii] demonstriert heute häufig, dass dies bis heute möglich und auch sinnvoll ist) zu einer kleinen „linken“ Abspaltung von der DIG kam[iii] vertrat Dahlhaus nachdrücklich die „konservative“, strikt „israelsolidarische“ Position innerhalb der DIG.

Zusätzlich engagierte er sich im sozialliberalen Flügel der FDP – einer FDP, deren seinerzeitiger nationalliberaler Flügel um Ernst Achenbach als Interessenvertretung der Nazis gelten muss. Gegen diesen kämpfte er, gemeinsam mit seinen Freunden Gerhart Baum und Peter Finkelgruen, die zu seinem Vertrautenkreis gehörten. 1967 war er einer der Mitbegründer der Theodor-Heuss-Akademie, deren erster Leiter er für drei Jahre wurde. 1972 wurde er einer der Direktoren der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung, was für ihn ein Traumberuf war, 19 lange Jahre: Regelmäßig organisierte „Mr. Israel“, wie er verschiedentlich genannt wurde, Studienreisen nach Israel und Palästina und förderte wissenschaftliche und bildungspolitische Publikationen über Israel. Immer wieder gelang ihm hierbei der Brückenschlag zur jungen Generation, die die Nazizeit nur noch aus Geschichtsbüchern kannte.

Folgerichtig übernahm Horst Dahlhaus 1978 den Vorsitz der Bonner Arbeitsgemeinschaft der DIG und prägte sie für viele Jahre. Zahlreiche Kollegen vermochte er für diese Arbeit, diesen Kontakt zu Israel zu begeistern. Als der Kölner Journalist Peter Finkelgruen in den 1980er Jahren Leiter der Friedrich Naumann Stiftung in Jerusalem wurde vertiefte sich ihre Zusammenarbeit in und mit Israel: „Ich denke aber auch an gute Gesprächsverbindungen mit den liberalen Parteien in Israel, von deren Mitgliedern viele aus Deutschland stammten und zum größten Teil schwere Zeiten erlebt hatten“ schrieb er Finkelgruen vor fünf Jahren, und fügte hinzu: „Unvergesslich ist die Teilnahme des früheren israelischen Justizministers Pinhas Rosen, der jegliche Reisen nach Deutschland abgelehnt hatte, an einem Treffen mit Gästen aus Deutschland, zusammen mit anderen Israelis.“

Peter Finkelgruen erinnert sich in diesen Worten an Dahlhaus Wirken: „In den Jahren, in denen ich in Jerusalem die Vertretung der Friedrich Naumann Stiftung leitete, gehörte Horst Dahlhaus dazu. Er kam jedes Jahr, manchmal auch auch zweimal, mit einer Gruppe von Israel-Besuchern auch nach Jerusalem. In den Gruppen waren Lehrer, Journalisten und überhaupt Personen, die man allgemein als Multiplikatoren bezeichnet. Immer wieder waren auch Teilnehmer dabei, die diese von Horst Dahlhaus organisierten Reisen zum wiederholten Male mitmachten.

Horst Dahlhaus und ich kannten uns aus Jahren gemeinsamer Aktivität in der F.D.P.,und so lag es nahe, dass ich bei der Organisation von Referenten und Gesprächsteilnehmern mitwirkte und gelegentlich auch selber den einen oder anderen Einführungsvortrag hielt. Die Zusammensetzung dieser Besuchergruppen war nicht einseitig parteipolitisch. Als Beispiel sei die Schwester des ehemaligen Abgeordneten Rainer Barzel genannt, die mehrmals an diesen Reisen teilnahm. Horst Dahlhaus war es wichtig daß seine „Schützlinge“ die gesamt israelische Realität kenennlernten.

Bei diesen Anlässen gab es jeweils am Abschluss ein festliches Essen bei dem Horst Dahlhaus anwesende Referenten besonders begrüßte, ihnen für ihre Mitwirkung dankte und sich ihre Zusagen für die nächsten Gruppen holte. Unvergessen blieb für meine Frau und mich daß seine Begrüßungssätze an mich mit dem Zusatz „und selbstverständlich auch seine liebe Frau“ endete. Es war Ausdruck seiner persönlichen Freundlichkeit die allen in Erinnerung blieb.“

Nach seiner Pensionierung im Jahr 1992 ließ Horst Dahlhaus´ Engagement nicht nach: Er brachte sich im Bonner Umfeld ehrenamtlich in zahlreichen Vereinen wie der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem Nes Ammim Verein, dem Freundeskreis Yad Vashem sowie für die Gedenkstätte in Bonn und der Städtepartnerschaft zwischen Sankt Augustin und Mewasseret Zion ein. Ich selbst begegnete ihm als Autor sowie gelegentlich auch persönlich im Umfeld der Zeitschrift Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, für die wir beide regelmäßig schrieben und über die wir in Austausch gerieten. So veröffentlichte er 2006[iv] eine Besprechung eines Buches zweier ehemaliger Diplomaten aus Israel und Deutschland über die seit 40 Jahren bestehenden deutsch-israelischen Beziehungen.

Dass Horst Dahlhaus im Jahr 2012 in der Tribüne (H. 4/2012), seinerzeit war er bereits 85 Jahre alt und gesundheitlich angegriffen, dennoch die Mühe auf sich nahm und eine anspruchsvolle Besprechung eines von mir und einem Kollegen herausgegebenen Buches über Jüdische Identitäten in Deutschland nach dem Holocaust verfasste empfand ist als einen ganz außergewöhnlichen Freundschaftsdienst. Dies war zugleich, nach 50 Jahren, das letzte Heft dieser traditionsreichen Zeitschrift.

Ein Besuch in seinem ländlich gelegenen Haus mit dem mehr als prachtvollen Garten ließ einen an einen Kibbuz denken.

Am 5. Februar ist Horst Dahlhaus im Alter von 89 Jahren verstorben.

Die Jüdische Allgemeine veröffentlichte diesen Nachruf am 02.03.2017.
Bild oben: Horst Dahlhaus mit seiner Frau Hanna, (c) Tal Kaizman

[i] Zur 50-jährigen Geschichte der DIG, die insbesondere in ihren ersten 35 Jahren durch Horst Dahlhaus maßgeblich mit geprägt wurde, siehe Martin Klokes (2016) umfassende Studie: In aller Freundschaft: 50 Jahre Deutsch-Israelische Gesellschaft, haGalil: https://www.hagalil.com/2016/03/deutsch-israelische-gesellschaft/

[ii] Siehe hierzu auch: Roland Kaufhold (2016): „Beck ist weg!“ Die Grünen lassen Volker Beck fallen, haGalil: https://www.hagalil.com/2016/12/beck-2/

[iii] 1977 entstand hieraus der Deutsch-Israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten (diAK), der viele Jahre lang eine lesenswerte Buchreihe zu Israel und Nahost herausgab aber heute politisch irrelevant bzw. ausgeprägt „pro-palästinensisch“ ist; vgl. hierzu auch den erwähnten historisch Beitrag von Martin Kloke (2016) zur Geschichte der DIG.

[iv] Horst Dahlhaus (2006): Israel und Deutschland: Das Beziehungsgeflecht, in: Tribüne H. 177, 1/2006, S. 204f.