Grenzen

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Der neue Jüdische Almanach zum Thema Grenzen…

Als Herausgeberin Gisela Dachs den neuesten Jüdischen Almanach zusammenstellte, konnte sie sicher noch nicht ahnen wie brisant das Thema Grenzen noch im Jahr 2015 werden sollte. Auch wenn es sich bereits angekündigt hatte, die Masse der Flüchtlinge, die im letzten Sommer Europa erreichte, hat viele Fragen nach Abgrenzung, Begrenzung, nach den Grenzen Europas, nach Mehr- und Minderheiten, nach Heimatlosigkeit und Exil aufgeworfen. Fragen, die schon seit jeher fest zur jüdischen Erfahrung gehören.

Auch im aktuellen Kontext können so viele der hochinteressanten Beiträge des Almanachs Denkanstöße geben. Allen voran der Beitrag des israelischen Historikers Yaron Jean über „Reisepapiere und jüdische Mobilitätserfahrung“, der die Geschichte des modernen Reisepasses in Zusammenhang mit der jüdischen Erfahrung in Europa thematisiert. Er zeigt dabei wie der „Pass als zwischenstaatliches Reisepapier (…) ein administratives Mittel zur Überwachung und Ausgrenzung des „Anderen““ wurde.

Eine ganz besondere Grenze ist Thema des ersten Beitrags, eine Grenze, die aus Durchgängen und Türen besteht, eine fast durchsichtige Grenze, die nur jene bemerken, die sich an ihr orientieren. Gemeint ist der Eruv, der in vielen Großstädten orthodoxen Juden am Schabbat den häuslichen Bereich und damit ihre Bewegungsfreiheit erweitert. Nathan Sznaider geht Fragen von Exil und Diaspora und ihrer Bedeutung für das Leben in einer nachmodernen Welt nach. Im Speziellen fragt er nach Ähnlichkeiten zwischen dem transnationalen Raum Europa und der jüdischen Transnationalität in der Diaspora noch vor der Moderne. Am Ende hält er fest: „in Europa mag es zwar wieder eine Präsenz von jüdischen Menschen geben, aber eine jüdische Präsenz gibt es deswegen nicht.“ Joachim Schlör zeichnet anhand von Emigrationsberichten die Erfahrung der Grenzüberschreitung nach, ein Mosaik aus Befürchtungen und Ängsten, aber auch neuen Hoffnungen, eine Ambivalenz, die „das Leben der deutsch-jüdischen Emigratinnen und Emigranten in den folgenden Jahren – und bis heute – prägen“ sollte.

Insgesamt wieder ein sehr lesenswerter Almanach, dessen 17 Beiträge ein buntes Potpourri zum Thema aus jüdischer Sicht wiedergeben.

Gisela Dachs (Hg.), Grenzen. Jüdischer Almanach, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2015, 208 S., Euro 16,95, Bestellen?