Den Trialog feiern: 1. Abrahamitisches Fest in Nürnberg

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In Nürnberg bestehen schon sehr lange gegenseitige Kontakte zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und christlichen Partnern. Mit dem Einbezug des muslimischen Begegnungszentrums Medina e.V. vor etwa achtzehn Monaten, erweiterten sich die Kontakte zum Trialog, der bei den Mitgliedern der beteiligten Gemeinden auf ein sehr positives Echo stößt…

Der Aberglaube schlimmster ist, den seinen für den erträglicheren zu halten“
Nathan in Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing

Von Gerhard K. Nagel 

Man trifft sich in der Synagoge, in der Kirche, in der Moschee, lernt die jeweils andere Religion und Kultur zu schätzen, fuhr im Frühjahr gemeinsam nach Israel, um Land und Leute kennenzulernen und Fehlurteile abzubauen, führte im Juni einen „Weg der Religionen“ als gemeinsame Friedensaktion mit einer Radtour quer durch Nürnberg, bei der symbolisch eine Moschee, Kirchen und eine Synagoge miteinander verbunden wurden, durch. Jo-Achim Hamburger, Sprecher der Israelitischen Kultusgemeinde sagt zu dieser Entwicklung: „Diese Art der Zusammenarbeit war bis jetzt selten: Wir hoffen damit einen Anstoß für Viele gegeben zu haben, endlich aufzustehen und positiv zu wirken“.

Der Vorlauf: Eine etwas ungewöhnliche Pressekonferenz

Angesichts des Flüchtlingsstroms aus Syrien und der Terroranschläge in Paris lud das Trialogteam  für Sonntag, den 13. Dezember zum 1. Abrahamitischen Fest in Nürnberg ein. Dabei wurden auch Brücken zu Flüchtlingen geschlagen, die in der Stadt untergekommen sind. Deshalb wurde auch im Vorfeld ein als Pressekonferenz angekündigter Besuch in einer Nürnberger Flüchtlingsunterkunft, bei der sechsköpfigen Familie von Nawal arrangiert. Die Familie, die ohne den Vater nach Deutschland geflüchtet ist, bewohnt dort ein provisorisch eingerichtetes Zimmer, ausgestattet mit einem Stockbett und zwei weiteren Betten.

Cem Özdemir, Leiter der Begnungsstätte Medina e.V., begrüßte die Besucher und stellte sie einander vor. Die Familie, die sich sichtlich über den Besuch freute, reichte den Anwesenden Baklava und Salep (ein warmes, süßes Milchgetränk aus dem Pulver verschiedener Erdorchideenknollen, das je nach persönlichem Geschmack mit Zimt, gehackten Nüssen oder Pistazien verfeinert werden kann).

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Nawal schilderte den Weg der Familie nach Deutschland. Es ging zu Fuß von Damaskus über Beirut in die Türkei, dann mit einem Boot über das Mittelmeer nach Griechenland, von Griechenland aus wieder zu Fuß weiter, über die Balkanroute nach Deutschland. Die Reise dauerte einen Monat. Die Familienmitglieder kamen mit nur wenig Geld und der Kleidung, die sie auf dem Leib trugen in Nürnberg an. Das Gepäck aller Flüchtlinge war auf dem Boot, um es nicht zu überlasten ins Meer geworfen worden.

Inzwischen ist die Familie seit vier Monaten in der Flüchtlingsunterkunft. Die ersten drei Monate hatte sie mit Orientierungs- und Anpassungsproblemen an das neue Umfeld zu kämpfen. Durch den Kontakt zu Cemelattin Özdemir und andere Ansprechpartner aus der Begegnungsstube Medina e.V., ließen sich die Anfangsschwierigkeiten dann leichter überwunden. Die Familie ist sehr froh über die Ansprache und die Hilfe, die sie durch diese Initiative gefunden hat.

Cem Özdemir ergänzte: „Wir haben die Familie und andere Flüchtlinge in der Unterkunft mit Nahrungsmitteln (Konserven, Nudeln und anderes) und Kleidung versorgt. Es gab und gibt auch gemeinsame Unternehmungen, beispielsweise ein Besuch im Tiergarten und eine Bewirtung in einem Restaurant, an der ca. 300 Flüchtlinge teilgenommen haben.“

Nawals Tochter Ragda, die schon recht gut deutsch spricht, hat in Syrien an einer Universität zwei Jahre Informationstechnologie studiert und möchte gerne das Studium wieder aufnehmen. Der 18-jährige Sohn Hamed besucht nimmt seit zwei Monaten an einer Berufsschule an einem  Integrationsjahr für junge Flüchtlinge teil, das im Vollzeitunterricht deutsch und berufliche Orientierung anbietet. Die Schule macht auch Freizeitangebote (wie Museums-, Kinobesuche u.a.), die gerne angenommen werden. Hamed, der inzwischen auch schon etwas deutsch spricht, träumt, wie seine Schwester Ragda von einem IT Studium.

Nawal macht sich Sorgen um ihren Mann Farid, den sie in Damaskus wegen seiner Erkrankung zurücklassen mussten, und um ihren ältesten Sohn Abbas. Sie weiß nicht, wie es ihnen geht, weil das Internet in Syrien zusammengebrochen ist. Abbas hatte an der Uni studiert und musste sein Studium wegen des Krieges aufgeben. Er ist als erstes Familienmitglied aus Damaskus geflüchtet und hält sich zur Zeit in Beirut auf. Telefonischen Kontakt mit ihm hat die Familie nur, wenn das Internet mal funktioniert. Aus Angst um ihre Angehörigen schlafen alle Familienmitglieder nur wenig und schlecht.

Alle Flüchtlinge, die in der Unterkunft wohnen, wurden vom Trialogteam zum 1. Abrahamitischen Fest eingeladen. Im Fokus steht dabei mit besonderem Blick auf die Flüchtlinge, die Möglichkeit Juden und Christen kennenzulernen und nach all den traumatischen Erlebnissen ein paar unbeschwerte Stunden genießen zu können. André Freud, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Mittelfranken und Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde, betont, man verbinde mit dem Fest „keine Anstrengungen in Richtung Friede, Freude, Eierkuchen. Wir wollen Gelegenheit zu einem schönen Tag geben.“

Zum Abschluss drücken die Familienmitglieder sichtlich bewegt und sehr nachdrücklich ihren Dank an Deutschland und an die deutsche Bevölkerung für die freundliche Aufnahme und die Unterstützung, die sie von vielen Menschen erfahren haben, aus. Die anwesenden Pressevertreter wurden gebeten, diesen Dank unbedingt weiterzugeben………

Das Ereignis: Das trialogische Fest

Ali-Nihat Koc, Sprecher der Begegnungsstube Medina eröffnete das abrahamitische Fest, am letzten Sonntag und begrüßte die Besucher, unter denen neben etlichen Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern, sich auch die Familie von Nawal und viel Prominenz befand, mit den Worten „genießen Sie die Veranstaltung, es ist ein buntes Programm, das wir ihnen heute zeigen werden.“

Und dieses bunte Programm hatte es in sich: Drei Stunden lang gab es in abwechslungsreiches Potpourri aus optischen und akkustischen Reizen, welche die Anwesenden in teils unbekannte religiöse und kulturelle Welten entführte. Medina e.V. bot eine farbenfrohe Modenschau unter dem Titel „Mode im Wandel der Zeiten, Religionen und Kulturen“ mit 60  verschiedenen Kostümen dar, mit Akteuren aller drei Religionen. Dazwischen gab es türkische Musik auf traditionellen Instrumenten, jüdischen Tanz mit den Kindern des Internationalen Clubs „Magie der Kunst“, unter ihren Leitern Aleksandra und Anton Pasternak, syrische Flüchtlinge präsentierten syrische Tänze und und traditionelle Musik.

Das leibliche Wohl und der Kontakt und Austausch unter den Teilnehmern kam auch nicht zu kurz:  In der Mittagspause boten die Veranstalter koschere, halal und herkömmlicher Gerichte an, so dass jeder der Besucher kulinarisch und religiös/kulturell auf seine Kosten kam. Es entstanden vielfältige Kontakte und der interreligiöse Austausch auf privater Ebene verbreiterte und vertiefte auf diese Weise. Auch anwesenden Flüchtlinge profitierten von diesem Austausch. Einer christlichen Flüchtlingsfamilie aus dem Iran, beispielsweise, die neu in einer Nachbarstadt Nürnbergs untergekommenen ist, wurde von den Mitgliedern des Trialogkreises Pfarrerin Heike Brunner und Pfarrer Hartmut Brunner tatkräftige Unterstützung angeboten.

Nach der Pause setzte die Klezmergruppe Klesmaniaxx das Programm fort mit mitreißendem von alten Schellackplatten übernommenen Klezmer. Heike Brunner vom Trialogteam freute es ganz besonders, „dass wir den Gospelchor Red and Blue für diesen Nachmittag gewinnen konnten. Die Gruppe habe“einen volle Terminkalender in dieser vorweihnachtlichen Zeit.“ Der Chor präsentierte eine Mixtur aus traditionellen und jungem, modernen  Gospel zum Nachdenken und zum Mitsingen.

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Auch die Besucher wurden aktiv in das Programm einbezogen. Passend zu Weihnachten und Chanukka und unter fachlicher Anleitung von Heike Brunner entstand ein gemeinsamer, meditativer Lichtertanz, bei dem die meisten Tänzer eine Kerze in den Händen, wie in einer Schale hielten. Den Abschluss bildete der das Lied „Hewejnu Schalom Alechem“, das von allen in ihrer jeweiligen Sprache intoniert wurde.

Ein Besucher aus Bamberg fasste im Nachhinein seine Eindrücke mit folgenden Worten zusammen:  „Es müssen nicht immer schwer verdauliche Vorträge sein oder Podiumsdiskussionen, man muss sich nicht immer Worte um die Ohren schlagen, nein, es geht auch anders. Dieses Konzept hat Charme und bringt uns in einer herzlichen Art und Weise zusammen. Das war ja auch kein gefühlsduseliger Multikultikitsch, bei aller Herzlichkeit wusste auch schon jeder um was es geht. Nicht umsonst waren hochkarätige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens dort anzutreffen. Es waren auch auffällig viele Männer dort. Interreligiöser Dialog war ja früher eher „Frauengedöns“ und etwas für friedensbewegte ältere Damen, Charity Ladies und Politikergattinnen.“

Darauf angesprochen, ob durch das Trialogteam weitere abrahamitischen Feste in Nürnberg ins Auge gefasst werden sollen, antwortet Teammitglied André Freud: „ Die „1“ im Namen impliziert, dass es weitere geben soll.“

Herzlichen Dank an das Trialogteam auch von dem Autor dieses Artikels für die angenehme Erfahrung einer leichten, ungezwungene Form der Begegnung. Mazal tov für die weiteren Schritte zur Vertiefung des interreligiösen Dialogs in einer Zeit, die einem solchen Ansatz ja nicht gerade den Weg ebnet…….

© Gerhard K. Nagel

Initiatoren des 1. Abrahamitischen Festes:

Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg mit Jo-Achim Hamburger; Pfarrerin Heike Brunner und Pfarrer Hartmut Brunner von der evangelischen Landeskirche Bayern; Medina Begegnungsstube e.V. mit Cemalettin Özdemir Unterstützt wird die Veranstaltung vom Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg.