Schwacher Premier, schwaches Israel: Die Gleichung

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Der 22. Januar naht und mit diesem Datum die unnötigsten Wahlen in Israels Geschichte. Unnötig, da es keine einzige brauchbare Alternative zur Regierung Netanjahus gibt. Dennoch scheint Netanjahu ein bisschen besorgt über einen neuen Superstar in der israelischen Politik zu sein: Naftali Bennet

Ein Kommentar von Roy Siny, Levantinische Wahrheiten

Dessen jüngster Erfolg in den Umfragen hat sogar gereicht, um den Premierminister dazu zu bewegen, mit den israelischen Medien zu sprechen – etwas, das er während seiner gesamten bisherigen Amtszeit zu vermeiden versuchte.

Allerdings ist Bennet – genau wie Netanjahu – Anhänger des rechten Lagers. Ein Hardline-Siedler, der Apartheid anstrebt, ohne es konkret auszusprechen. Wenn ein Rechter von einem anderen Rechten herausgefordert wird, ändern sich die Spielregeln. Jetzt geht es darum, zu beweisen, wer hartnäckiger ist und nicht vor den bösen Palästinensern einknickt. Tatsächlich wurden in den letzten Tagen einige Statements von beiden Seiten abgegeben, aber es gibt keinen wirklichen Grund, sich mit diesen zu beschäftigen, da sie absolut bedeutungslos sind: Beide – Netanjahu und Bennet – haben nicht die Absicht, mit den Palästinensern zu verhandeln und werden ganz sicher keine territorialen Kompromisse machen.

Interessant ist allerdings der aktuelle Hauptslogan der Likkud-Kampagne, die Netanjahu in den Mittelpunkt stellt:

Der Slogan heißt: „Ein starker Premierminister – ein starkes Israel.‟ Lasst uns sehen, was hinter dem Slogan steckt. Netanjahu weiß, dass seine Wirtschaftspolitik nur einem geringen Prozentsatz der israelischen Bevölkerung dient. Er weiß auch, dass immer mehr Menschen genau das erkennen und dass dies bestimmt kein Ticket für eine weitere Amtszeit ist. Wie ich bereits erwähnte, ist dies der Grund, warum er sich entschieden hat, dieWahlen jetzt anzusetzen, bevor der neue Haushalt verabschiedet werden muss, der die große, bereits bestehende Kluft zwischen Arm und Reich im Land noch vergrößern wird.

Überdies weiß Netanjahu sehr gut, dass Sicherheit das erste Kriterium die israelischen Wähler_innen ist. Das heißt, Netanjahu versteht – wie viele andere vor ihm auch – dass ein leerer Kühlschrank seinen Wähler_innen weniger beunruhigt, als eine Rakete aus Gaza. Dementsprechend entschied er, die Tatsache zu betonen, dass er sich während seiner gesamten Amtsperiode  konsequent weigerte, mit den Palästinensern zu verhandeln und statt dessen Gewalt vorzog, so wie es ein „starker Staatsmann‟ tun sollte.

In Anbetracht der Tatsache allerdings, dass während seiner Amtszeit  keine organisierte Gewalt gegen Israel im Westjordanland stattgefunden hat, und diese eigentlich durch die palästinensische Autonomiebehörde selbst verhindert worden ist, bleibt uns nur Netanjahus Vorgehen in Bezug auf die Hamas. Betrachten wir es im Rückblick auf die letzten Jahre und danken wir Uri Misgav von der Haaretz, der mich an einige Fälle erinnerte, die ich fast vergessen hatte:

Während seiner ersten Amtszeit ordnete Netanjahu im September 1997 die Ermordung einer vergleichsweise unbedeutenden Hamas-Führungskraft mit dem Namen Khaled Mashaal an, der damals in Jordanien residierte. Netanjahu verstieß damit gegen die 1993 im Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern gemachte Zusage Israels, die Aktivitäten des Mossad auf jordanischem Boden einzustellen. Die Operation misslang, hauptsächlich aufgrund Netanjahus Entscheidung, die Ausführung frühzeitig, unbedacht und ohne Planung  anzuordnen. Die Folge seines Fehlers war nicht nur die schwere Beschädigung der israelisch-jordanischen Beziehungen, sondern zudem die Freilassung von 70 Hamas-Terroristen, unter ihnen die geistige Führung der Hamas, Sheikh AhmadYassin. Mashaal selbst erlangte den Ruhm, der ihn inzwischen zum prominentesten Vorsitzenden der Hamas gemacht hat.

Während seiner zweiten Amtszeit scheiterte Netanjahu an einem diplomatischen Umgang mit der Gaza-Flottille. Stattdessen entschied er sich dafür, IDF-Spezialeinheiten auf das Deck der Mavi Marmara abspringen zu lassen. Das Blutbad führte zu internationalem Druck, der Israel zwang, seine Blockadepolitik zu überdenken, deren Unverzichtbarkeit gerade erst betont worden war. Ohne auch nur das kleinste Bisschen dafür zu tun, gewann das Hamas-Regime – als eine Konsequenz dieses Agierens – immer mehr an Legitimität.

Die wahrscheinlich größte Stärkung der Hamas war das Drama um Gilad Shalit. Entgegen aller seiner vorherigen Überzeugungen, die in dutzenden Artikeln und Büchern veröffentlicht worden waren, entschied Netanjahu, mehr als 1000 Hamas-Terroristen frei zu lassen im Austausch gegen einen einzigen israelischen Soldaten, der während seines Dienstes verschleppt worden war. Er gewährte der Hamas damit den letzten Beweis dafür, dass jeglicher Erfolg, den sie jemals erreichen werde, das Resultat gewalttätiger Aktionen sein wird.

Sich den anstehenden Wahlen nähernd, führte Netanjahu die IDF in eine private Wahlkampagne, die in einem Waffenstillstand resultierte, der nichts neues brachte und absolut nichts am Machtverhältnis zwischen Israel und der Hamas änderte, zumindest nicht zu Gunsten Israels. Was sich allerdings doch änderte, war das Ausmaß der Unterstützung die die Bewohner_innen von Gaza ihrem Regime zukommen liessen; Zehntausende feierten Israels Rückzug von der Operation. Die Hams fühlt sich inzwischen so gestärkt und mächtig, dass sogar Khaled Mashaal höchstpersönlich zum ersten Mal in seinem Leben Gaua besuchen konnte, während er vor Tausenden begeisterter Unterstützer_innen militante Statements von sich gab. Ich frage mich, ob er Netanjahu schon Blumen geschickt hat, um diesem für die großartige Unterstützung seiner Karriere zu danken.

Ein starker Premierminister – ein starkes Israel? Ich glaube, diese Gleichung ist richtig. In Anbetracht der Tatsache, dass die israelische Gesellschaft niemals schwächer war, dass heute fast 40 Prozent der Bevölkerung über Auswanderung nachdenken, sollte es allerdings eher heißen: „Ein schwacher Premierminister – ein schwaches Israel.‟ Fragt die Hamas, sie wird es bestätigen.

Übersetzung von Constanze Haas, großen Dank auch an Britta Lenz.

6 Kommentare

  1. Danke für diesen klaren Artikel. Wird nur mühsam, wenn alle Artikel mit der unsinnigen Mehrzahl -in/innen geschrieben wird. Die Mehrzahl ist neutral und deshaln automatisch Mann und/oder Frau.

  2. Ich kann dem Verfasser Siny nicht zustimmen; man kann die Handlungen Netanjahus am Besten beurteilen, wenn man mal überlegt, was geschehen wäre, wenn der MP das Gegenteil von dem, was er getan hat, getan hätte.

  3. Seit Jahren warte ich darauf, von der israelischen Linken mal etwas substantiell politisches zu hören oder zu lesen. Statt dessen immer wieder dieses inhaltslose Gemähre über die bösen bösen Rechten. Armselig. Und peinlich.

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