IKG Wien hat ihren Vorstand neu gewählt

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Mit „Chaj“ und „Initiative Respekt“ ziehen neue Fraktionen in den Kultusvorstand ein…

Von Alexia Weiss
Erschienen in: Wiener Zeitung, 11.11.2012

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien hat ihren Vorstand für die nächsten fünf Jahre neu gewählt: die Fraktion Atid des amtierenden IKG-Präsidenten Oskar Deutsch verlor laut vorläufigem Gesamtergebnis drei der bisher zehn Mandate im 24-sitzigen Kultusvorstand, blieb aber stimmenstärkste Partei. Die bucharischen Juden (Bucharische Liste – Sefardim), bereits bisher mit fünf Mandaten zweistärkste Kraft, schloss dieses Mal aber dicht an Atid an: sie errangen ein sechstes Mandat. Neu im Kultusvorstand vertreten sind die beiden Fraktionen Chaj – Jüdisches Leben sowie die Initiative Respekt mit drei beziehungsweise zwei Mandaten.

Der Verein georgischer Juden sowie der Block der religiösen Juden konnten jeweils einen Sitz dazugewinnen und halten nun bei je zwei Mandaten. Im Gegenzug verloren Khal Israel und der Bund sozialdemokratischer Juden von ihren jeweils bisher zwei Mandaten einen Sitz. Die Misrachi, bisher mit einem Mandatar im Kultusvorstand repräsentiert, schaffte den Einzug nicht mehr. Auch die Kandidatur des Vereins kaukasischer Juden war nicht von Erfolg gekrönt – die Kaukasier konnten schlussendlich kein Mandat erringen.

„Großer Sieg der Demokratie“

Oskar Deutsch ortete nach Feststehen des Wahlergebnisses vor allem einen „großen Sieg der Demokratie“. Etwas über 62 Prozent der an die 5.451 Wahlberechtigten haben bei dieser Wahl ihre Stimme abgegeben – 2007 hatte die Wahlbeteiligung 55 Prozent betragen. Bestätigt sah der IKG-Präsident zudem die Koalition, „die in den vergangenen fünf Jahren, eigentlich aber schon die letzten 15, 20 Jahre die Kultusgemeinde geführt hat“. In diesem Sinn werde man diese Arbeit auch fortsetzen. Konkrete Gespräche werde in es in den kommenden Tagen geben und man werde sich dabei auf ein Programm einigen.

Erwartet werden kann demnach, wie es sich auch bereits während des Wahlkampfs abzeichnete, eine Koalition aus Atid und Bucharen. Deren Spitzenkandidat Josef Sarikov betonte Sonntagabend:“Wir sind sehr zufrieden. Wir haben gehofft, sechs bis sieben Mandate zu erringen – nun haben wir sechs erreicht und sind sehr froh. Jetzt müssen wir mit der Arbeit beginnen“. IKG-Vizepräsident Chanan Babacsayv ergänzte,“der heutige Tag hat bewiesen, dass die jüdische Gemeinde sehr aktiv und lebendig ist und von ihrem Wahlrecht auch Gebrauch gemacht hat.“ Nun hoffe man, mit allen Fraktionen gemeinsam für die Gemeinde zu arbeiten.
Martin Engelberg, Gründer und Spitzenkandidat von Chaj, sprach von einem „großartigen Ergebnis“: „Wir sind stolz auf unser Ergebnis – wir sind vom Stand weg auf drei Mandate gekommen“. Engelberg sieht hier einen eindeutigen Wählerauftrag für die Listen, die gewonnen haben, „einen neuen Weg in der Gemeinde zu gehen“. Atid habe ein Drittel der bisherigen Mandate verloren . „Nun müssen sich die Gruppen zusammentun, die einen neuen Weg gehen wollen.“

Auch Sonia Feiger, Spitzenkandidatin der Initiative Respekt, zeigte sich stolz über den Einzug mit zwei Mandaten. „Wir freuen uns, dass unser Programm gelesen und beachtet wurde.“ In diesem Sinn werde man nun die Wähler im Kultusvorstand vertreten. Die Initiative freue sich auf diese Herausforderung – und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit allen Parteien.

Robert Sperling, Spitzenkandidat des Bunds sozialdemokratischer Juden, bedauerte den Verlust eines Mandats. Man habe gehofft, die zwei Sitze zu halten, das sei nicht gelungen. Es sei aber auch schwer gewesen, bei der „Materialschlacht der großen Blöcke“ mitzuhalten, eine Flut an Zeitungen und Aussendungen sei an die Gemeindemitglieder verschickt worden. Nun werde man sich das Ergebnis in Ruhe ansehen. Sperling strich allerdings hervor, dass der sefardische Teil der Gemeinde nun mit zwei Mandaten mehr als bisher (die Bucharen halten nun sechs Sitze, die Georgier zwei Sitze) im Kultusvorstand vertreten sind. „Die sefardische Gemeinde ist nun deutlich stärker, gemäß ihrer Stärke in der Gemeinde, vertreten. Ich hoffe, sie sind sich ihrer Verantwortung auch bewusst.“

1 Kommentar

  1. Freizeitkardiologen am Werk
    Wenn ich die letzte, 40 Seiten umfassende Wahlbroschüre der Initiative Respekt anschaue, dann sehe ich darin einige Menschen, die ich wirklich respektiere und hoch schätze und gerade deswegen kritisiere ich dieses Pamphlet.
    Schon im Vorwort fällt eine verschrobene Sprache auf und die Betonung von Selbstverständlichkeiten: „Genauso wie es Sinn macht, sich bei Herzproblemen dem Kardiologen und nicht engagierten Laien anzuvertrauen“ ist es für die IKG „aber enorm wichtig, dass die Freiwilligen über genügend Fachwissen verfügen, denn sonst bringen sie – genau wie Freizeitkardiologen – mehr Schaden als Nutzen.“
    Bereits auf Seite 3 finden wir einen Ausspruch der ehemaligen Chefredakteurin der „Gemeinde“, der Beachtung verdient: „Meine innere Einstellung, meine Leidenschaft und die Haltung, in der ich arbeite, ist in den vergangenen 42 Jahren also nicht „älter“ geworden sondern nur „reifer“.
    Ilja Sichrovsky schreibt: „2009 habe ich die Muslim Jewish Conference mitgegründet. Als ihr Generalsekretär konnte ich in den vergangenen Jahren intensiven Kontakt zu jüdischen Menschen und Organisationen sowie zu Politikern in aller Welt aufbauen. Durch die Begegnungen mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und Vertretern führender internationaler jüdischer Organisatoren (AJC, WJC, EUJC, EUJS, WUJS) ist es mir ein immer größeres Anliegen geworden, jungen jüdischen ÖsterreicherInnen die Tore zu den international vorhandenen Möglichkeiten zu öffnen.“
    Dieser Beitrag erinnert an die Anekdote über einen reisenden Juden, der in eine Synagoge kommt und durch seine Gescheitheit auffällt. Man fragt ihn, hast Du Dich schon bei unserem Rabbiner gemeldet? Er verneint dies und begründet das mit seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit. Die Juden gehen zum Rabbi, der neugierig geworden zur Synagoge kommt und fragt „wo ist der bescheidene Jude“ worauf dieser schreit „hier bin ich“.
    Der ärarische Optimismus der Verfasser ist nicht zu überbieten: „Die Muttersprache der meisten Juden in der Diaspora ist die jeweilige Landessprache – und das macht uns stärker zu jüdischen Europäern als zu europäischen Juden. Auf dem einst tragischen Trümmerhaufen Europa entsteht ein neues kulturelles und soziales Phänomen“.
    Und noch eine Respekt-Perle, die es verdient kommentarlos gebracht zu werden:
    „Der Holocaust ist Teil unserer Geschichte und auch wenn wir ihn nie vergessen können und dürfen, ist es an der Zeit, ihn zu überwinden…. Das bedeutet, dass wir den Mut aufbringen müssen, mit unserer Vergangenheit als Verfolgte, abzuschließen.“
    Das Kapitel „Antisemitismus“ wird mit folgenden Satz eingeleitet:
    „Im Gegensatz zu Deutschland war 1945 und danach die Hauptsorge der Österreichischen Zweiten Republik, ob die österreichische Elite die verschiedenen Forderungen, die an sie gestellt wurden, in ideologischer, verfassungsrechtlicher und politischer Hinsicht erfüllen wollte und würde. Und wenn ja, dann in welcher Form.“
    Ich weiß nicht, was soll das bedeuten.

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