In Ramallah wird darüber diskutiert, die Osloer Verträge aufzukündigen. Präsident Mahmoud Abbas hatte diese Möglichkeit am Sonntag vor führenden Palästinensern geäußert und Chefverhandler Saeb Erekat hatte am Dienstag die Rechtfertigung dafür nachgeschoben: „Israel sabotiert alle Versuche, den Friedensprozess wieder zu beleben“…
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 19. September 2012
Hinter diesen Überlegungen stehen neben den üblichen Vorwürfen gegen Israel auch soziale Unruhen im Westjordanland wegen Preissteigerungen und einer schweren Finanzkrise der Autonomiebehörde.
Eine Aufkündigung der im September 1993 unterzeichneten Verträge sowie weiterer Abkommen würde zur Auflösung der palästinensischen Selbstverwaltung führen und Israel zwingen, wieder die volle Verantwortung als Besatzungsmacht zu übernehmen. Für beide Seiten dürfte das katastrophale Folgen haben.
Die Autonomie hat den Palästinensern ermöglicht, einen Quasi-Staat zu errichten mit eigener Regierung, Gesetzgebung, Flagge, Hymne, Polizei mit eigenen Uniformen und Hoheitszeichen, Gefängnissen und weitreichenden Vollmachten, sich ohne israelische Einmischung selber zu verwalten. Weil es aber nur eine „Autonomie“ und kein eigener Staat ist, werden die Außengrenzen von Israel kontrolliert.
Ebenso beklagen die Palästinenser, nicht über das gesamte Territorium des Westjordanlandes die Kontrolle zu haben. In den Dörfern, dem sogenannten „B“-Gebiet laut Osloer Verträge, obliegt den Palästinensern die zivile Verwaltung, während die „Sicherheit“ weiter bei Israel liegt. Konkret bedeutet es, dass palästinensische Polizisten dort nicht aktiv werden dürfen. Und schließlich gibt es noch das „C“-Gebiet, das vollständig von Israel verwaltet wird und wo die umstrittenen Siedlungen liegen.
Autonomie bedeutet auch eine staatliche Anerkennung, die ihren Ausdruck in der Präsenz von Botschaften oder diplomatischen Vertretungen findet, wobei offizielle Besucher, darunter Staatoberhäupter mit rotem Teppich und Ehrengarde empfangen werden.
All das würde im Falle einer Aufkündigung der Osloer Verträge überfällig werden. Den Palästinensern blieben jedoch ihre Vertretung in der UNO und ihre Botschaften in der Welt. Denn offiziell ist da nicht die Autonomiebehörde akkreditiert, sondern die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation), ein Dachverband palästinensischer Organisationen und Parteien. Die islamistische Hamas-Organisation, die seit einem Putsch 2007 den von Israel 2005 geräumten Gazastreifen beherrscht, ist freilich nicht Mitglied der PLO.
Für Israel hatten die Verträge den Vorteil, keine direkte Verantwortung mehr für mehr als 3 Millionen Palästinenser zu tragen. So konnten unnötige Reibungen vermieden werden, von der Gestaltung des Lehrplans in Schulen, Inhalten der Schulbücher über Krankenversorgung und bis hin zum Eintreiben von Steuern. Israelische Militärrichter müssen sich nicht mehr in innere Streitereien unter Palästinensern einmischen und israelische Soldaten müssen nicht mehr den Straßenverkehr in den palästinensischen Städten regeln.
Die Rückkehr Arafats mitsamt seinen bewaffneten Kämpfern hatte freilich auch den Nachteil, dass die israelische Zivilbevölkerung erstmals seit 1948 einem mörderischen Terror im eigenen Land ausgesetzt war. Mit Selbstmordattentaten während der 2. Intifada ab September 2000 erreichte der blutige Höhepunkte. Wegen des Raketenbeschusses aus dem Gazasteifen dauert der bis heute an. Dank „Sicherheitsabkommen“, die wohl eher mündliche Absprachen sind, hat man dieses Problem im Westjordanland weitgehend in den Griff bekommen. Einen Beitrag zur Beruhigung lieferte auch der von Israel ab 2002 errichtete Sperrwall, den die Palästinenser als „Mauer“ bezeichnen und durch den die sich in ein „Ghetto“ eingesperrt fühlen. Auch diese Sicherheitsabkommen sollen nach Aussage von Erekat aufgekündigt werden, falls es tatsächlich zu einem Beschluss kommen sollte.
Für Israel käme ein Ende der Osloer Verträge teuer. Es müsste wieder einen kompletten Besatzungsapparat errichten, was wiederum unweigerlich zu Friktionen mit den inzwischen an Eigenständigkeit gewohnte Palästinenser führen würde.
Während Israel sich mit Oslo einem Teil seiner Verantwortung für die Palästinenser entledigen konnte, haben die Palästinenser im Rahmen der Selbstverwaltung fast die Selbstständigkeit gewonnen.
Es ist schwer vorherzusehen, welche Folge eine komplette Rückkehr zu israelischer Besatzung für das palästinensische Streben nach eigenem Staat und Unabhängigkeit hätte. Ebenso wenig lässt sich vorhersehen, wie die israelische Bevölkerung reagieren würde, zumal dadurch der Staatshaushalt schwer belastet würde.
(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Und noch mal eine Nachricht völlig gegen den Strich:
„Siedler von Gush Etzion kämpfen für die palästinensischen Nachbarn, damit sie Baugenehmigungen erhalten.
Vor drei Jahren fanden die palästinensischen Gemeinden in Zone C einen unwahrscheinlichen Fürsprecher in Elias Cohen, einem Dichter und Mitglied des Yesha-Rates (Siedlungsrates) von Zone C. Er war geschockt, als er die ungleichen Lebensbedingungen im Dorf Hirbat Sacharia kennen lernte. „Die Lebensbedingungen waren unzulänglich,“ sagte er. Die Ãœberbevölkerung ist schrecklich und die Kinder sind gezwungen, das Dorf zu verlassen, wenn sie erwachsen sind, weil es keine Genehmigung zum Bauen neuer Häuser gibt.“ Sie können nicht einmal ein WC anbauen,“ fährt er fort, „einige der Familien leben in ehemaligen umgebauten Ziegenställen.“…
http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4285716,00.html
Ach übrigens – die Zone A, welche in dem Artikel als ‚Quasi-National-Staat bezeichnet wird:
„Die Autonomie hat den Palästinensern ermöglicht, einen Quasi-Staat zu errichten mit eigener Regierung, Gesetzgebung, Flagge, Hymne, Polizei mit eigenen Uniformen und Hoheitszeichen, Gefängnissen und weitreichenden Vollmachten, sich ohne israelische Einmischung selber zu verwalten. Weil es aber nur eine „Autonomie“ und kein eigener Staat ist, werden die Außengrenzen von Israel kontrolliert.“
umfasst 3% der West-Bank. Das ist doch ein Witz.
Auch Gaza ist ununterbrochen besetzt, da Israel das Gebiet zu jeder Zeit umfassend kontrollierte. Die UNO hat Israel jedenfalls zu jeder Zeit, auch im Jahr 2005, als Besatzungsmacht über Gaza betrachtet.
Wer wissen will warum kann sich den sogenannten Abkopplungsplan, mit all den israelischen Bestimmungen über das Gebiet durchlesen:
http://www.knesset.gov.il/process/docs/DisengageSharon_eng_revised.htm
Insofern müsste Israel eigentlich für die Kosten, die weitgehend die internationale Gemeinschaft schultert, um die Menschen in Gaza zu ernähren, aufkommen.
„VölkerbundMandat sah ursprünglich gesamtes Territorium für die Errichtung einer HEIMstätte für das JÃœDISCHE Volk vor!“
Quatsch – Heimstätte hieß nicht ‚NationalStaat‘ und schon gar nicht ‚exklusiver Nationalstaat‘ – es sollte nur Juden die Möglichkeit gegeben werden sich in Palästina niederzulassen und durch diese Einwanderung sollten ausdrücklich in NICHTS die Rechte der Einheimischen Bevölkerung beschnitten werden.
Durch die ethnische Säuberung 1948 hatten die israelischen TErroristen Fakten geschaffen. Das wars dann aber auch.
Die Osloer Verträge waren auch als Interimsabkommen gedacht mit dem Ziel eine ZweiStaatenlösung zu implementieren. Die Israelis haben völlig gegen den Geist des Abkommens gehandelt, indem sie die Siedlungen massiv ausbauten. Das Völkerrecht wird durch die Verträge ohnehin nicht in Frage gestellt. Die Grundlage für die Verträge ist wohl langsam nicht mehr vorhanden.
Insofern wäre es wohl konsequent die Verträge zu kündigen.
…scheinbar gehört der „vertragstreue Partner“ nicht zu denjenigen Vertragspartner, welche überhaupt Vertragsgültigkeit erlangen können? …“man“ findet dazu mehr in islamischen Schriften … Vertragstreue gegenüber UNgläubigen …NICHTmuslimen u. u. u.
DANKE Reinhard – endlich auch jemand „normaler“, wo „bis drei zu zählen“ in der Lage … die FAKTEN belegen es …sind EINDEUTIG – Mathematik lässt sich nicht ideologisierend zu „wohlwollenderem“ ERGEBNIS missbrauchen …1922-/1946 EINS + 1948 EINS = ZWEI + (… )
🙁 …wat nuuu? …dat war und hiess DOCH immer je ZWEI-Staatenlösung??? ein arab. …ein jüd. …
VölkerbundMandat sah ursprünglich gesamtes Territorium für die Errichtung einer HEIMstätte für das JÜDISCHE Volk vor!
Inwiefern kann ein Vertrag einseitig aufgekündigt werden und dann dem vertragstreuen Partner die gesamte Last auferlegt werden?
Heute habe ich mir gerade die Ausstellung von „Breaking the Silence“ im Willi-Brandt-Haus angeschaut und die Führung zweier junger Ex-Soldaten erlebt.
Der „Friedens“prozess ist tot und deshalb wäre wohl das eher mal Ein Nachdenken wert http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1714362/
Bisher haben die Palästinenser mit dem Kurs Verzicht auf 78% in der Hoffnung auf Unabhängigkeit in den übrigen 22%, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt, wirklich wenig erreicht. Aber ob Abbas mehr rausschlagen kann, nachdem Arafat schon auf soviel verzichten wollte?
Ganz so ists nicht. Die Araber haben bereits Anfang des 20. Jhdts. ca 70% des für jüdische Siedlungen gedachten Gebietes bekommen (Jordanien). Es gibt also bereits eine Zweistaatenlösung. Nebenbei finde ich es sehr hoffnungsvoll, dass der Friedensvertrag zwischen Jordanien und Israel immer noch hält – zum Wohle beider Seiten!
„Palästina“ wäre dann ein dritter Staat. Meiner Meinung nach wäre es aber zielführender, zuerst Gaza als eigenständigen Staat anzuerkennen. Es ist nicht vernünftig, einen Staat aus zwei nicht aneinander grenzenden Einheiten („Westjordanland“ und „Gaza“) zu bilden, zumal sich deren Regierungen auch nicht Grün sind.
“Israel ZWINGEN, wieder die volle Verantwortung zu übernehmen“ …ARBEIT, Aufwendungen, Ungemach und drohende Gewalt werden bei Problemen gerne “wohlwollend“ sozusagen mit beFREIender Wirkung “delegiert“ …“Die grosse PropagandaKlappe“ und grosszügige SpendenHilfsgeldVerteilung an eigens kriegen’s dann immer selber noch hin – welch “Eliten“???
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