22. Internationale Sommerakademie des Institut für jüdische Geschichte Österreichs, 4. bis 6. Juli 2012…
Das Geheimnis verbindet die Eingeweihten und grenzt sie von den Außenstehenden ab. Gesellschaften und soziale Gruppen besitzen nicht nur selbst geheimes Wissen, sondern vermuten auch Geheimnisse beim jeweils anderen. Geheime Schriften und Sprachen, Lehren und Missionen konstituieren daher die Gesellschaft nach außen wie innen. Unabhängig vom Inhalt ist der Austausch von Geheimnissen soziale Interaktion.
Die nichtjüdische Umwelt sah Juden als die Geheimnisträger schlechthin: Zum einen gibt es in der jüdischen Tradition Geheimlehren wie die Kabbala, deren Verbreitung auf wenige Befugte beschränkt war. Zum anderen war das Wissen jüdischer Ärzte gefragt und die Alchemie galt als Geheimwissenschaft, an deren Verbreitung Juden maßgeblich beteiligt waren.
Im antijüdischen Kontext vermutete man bei Juden magische Praktiken und der Talmud stand im Verdacht, ein christenfeindliches Geheimwerk zu sein. Ein weiteres, die Jahrhunderte überdauerndes Stereotyp ist die Mitgliedschaft von Juden in Geheimbünden wie der Freimaurerei.
Die Tagung diskutiert das Themenfeld sowohl aus der innerjüdischen Perspektive als auch aus der Wahrnehmung von außen. Einige Vorträge beschäftigen sich mit antisemitischen Konstruktionen von Verschwörungstheorien – bis heute aktuelle Themen mit großer medialer Präsenz.
Konzept und Organisation: Martha Keil, Barbara Staudinger | Injoest
Ehrenschutz: Leslie Bergman
Programm:
Mittwoch, 4. Juli 2012 – Geheime Praktiken – Geheime Lehren
9.30–9.45 Uhr
Martha Keil, Gerhard Langer | Begrüßung
9.45–10.30 Uhr
Daniel Jütte | Cambridge, Massachusetts
Das Zeitalter des Geheimnisses und die Rolle der Juden in der Ökonomie des Geheimen
11.00–11.45 Uhr
Barbara Staudinger | St. Pölten
Auch ein Christ kann ein Jude sein. Zur jüdischen Konnotation des »Geheimnisses« in der Frühen Neuzeit
11.45–12.30 Uhr
Martha Keil | St. Pölten
Geheime Polemik in spätmittelalterlichen Geschäftsurkunden
14.30–15.15 Uhr
Schlomo Spitzer | Ramat Gan
Torat ha-Sod, die geheime Lehre des Judentums
15.15–16.00 Uhr
Rebekka Voß | Frankfurt/Main
»Sturmwind von Norden«: Ein leidenschaftlicher Streit um die Prophezeiungen des Ascher Lemlein (ca. 1502)
16.30–17.15 Uhr
Knut Martin Stünkel | Bochum
»Das eigentlich Religiöse an der Religion«. Die Bedeutung des Geheimnisses für das Judentum bei Max Wiener
Donnerstag, 5. Juli 2012 – Literatur als Ort des Geheimen
9.30 –10.15 Uhr
Gerhard Langer | Wien
Wissen und Macht: Aspekte des Geheimnisses in der rabbinischen Literatur
10.15 –11.00 Uhr
Luisa Banki | Konstanz
Geheime Beziehungen. Das Deutsch-Jüdische bei Walter Benjamin und Franz Kafka
11.30–12.15 Uhr
Julian A. Friedrich | Berlin
»Ansturm gegen die letzte Grenze«. Franz Kafkas poetologisches Geheimnis
14.30–15.15 Uhr
Clemens Räthel | Berlin
»Gibt es denn hier niemanden, der weiß, wie ein Jude aussieht?« Norwegen und seine/keine Juden
15.15–16.00 Uhr
Magdalena Waligórska | Berlin
Jewish secrets and Jewish investigators in contemporary Polish and German criminal novels
16.30–17.15 Uhr
Philipp Mettauer | St. Pölten
»Die Großen, die flüstern dann, weil die Kinder sollen nicht hören.« Geheimnisse verfolgter Familien im Nationalsozialismus
Freitag, 6. Juli 2012 – Verschwörungstheorien
9.30 –10.15 Uhr
Claus Oberhauser | Innsbruck
Simoninis Brief und die angebliche Verschwörung der Juden
10.15 –11.00 Uhr
Michael Hagemeister | Bochum
»Die Geheimnisse der Weisen von Zion« und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung
11.30–12.15 Uhr
Matthias Falter | Wien
Antisemitische Konstruktionen und inszenierte Aufdeckungen von »Geheimnissen« im österreichischen Abgeordnetenhaus 1861–1918
14.30–15.15 Uhr
Alexander Friedman | Saarbrücken
Zum Stereotyp einer »jüdisch-freimaurerischen Verschwörung« in der Sowjetunion und im postsowjetischen Raum
15.15–16.00 Uhr
Anne D. Peiter | Saint Denis/Réunion
»Jüdische Geheimhaltung« und geheimpolizeiliche Hausdurchsuchungen im Spiegel der Tagebücher Victor Klemperers
16.00–16.30 Uhr
Barbara Staudinger | St. Pölten
Zusammenfassung
Institut für jüdische Geschichte Österreichs
Eintritt frei
Eine Anmeldung für die Vorträge der Sommerakademie ist nicht notwendig.
Veranstaltungsort: Erste Bank, Wien 1, Petersplatz 7