Hellmut Stern im Salon Exil

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Zeitzeuge, Autor und Musiker, erzählt über sein Leben und liest aus seiner Autobiographie „Saitensprünge. Erinnerungen eines leidenschaftlichen Kosmopoliten“…

1938 musste Hellmut Stern, ein heller, außergewöhnlich musikalischer Berliner Junge von gerade zehn Jahren, mit seinen Eltern Deutschland verlassen. Weil weder England noch die USA eine mittellose jüdische Familie aufnehmen wollten und sich auch sonst kein Land bereit fand, ihnen Zuflucht zu gewähren, blieb als Exil nur Harbin in der Mandschurei. Der Nazi-Diktatur entronnen, lebte die Familie dort elf Jahre lang in bitterster Armut und hielt sich mehr schlecht als recht mit Musizieren über Wasser. Der Vater als Gesangslehrer, die Mutter mit Klavierstunden, und nebenbei als Pianistin im feinsten Hotel am Platze, indes Hellmut mit seiner Geige oder gleichfalls am Piano in Kaffeehäusern, Restaurants, Bordellen die Gäste unterhielt. Als der Krieg endlich vorbei war, gingen die Sterns ins junge Israel, wo Hellmut bald eine Stelle am Israel Philharmonic Orchestra fand. Sieben Jahre blieb er dort, dann ging er in die USA, wo er zunächst als illegaler Einwanderer galt und keine Arbeitserlaubnis hatte, also von keinem Orchester engagiert werden konnte. Er arbeitete schwarz als Barpianist, Schuhverkäufer und Bauchladenhändler, bis er endlich einen legalen Aufenthaltsstatus erhielt und Mitglied des St. Louis Symphony Orchestra wurde.

Im Sommer 1961 dann erfüllte sich für Hellmut Stern, den die Sehnsucht nach Berlin in all den Jahren des Exils niemals verlassen hatte, ein Lebenstraum – er kehrte in seine Heimatstadt zurück. Hier spielte er bei den Berliner Philharmonikern vor, die damals unter Leitung von Herbert von Karajan standen und wurde sogleich engagiert. Er bekam eine Stelle bei den Ersten Geigen, wurde schließlich Erster Vorspieler, gehörte lange Jahre dem Orchestervorstand an und konnte viel in Sachen Mitbestimmung des Orchesters bewegen. Gastspielreisen führten ihn in zahlreiche Länder der Erde; auf etlichen dieser Tourneen traf er alte Bekannte aus Harbin wieder.

Mit Mitte vierzig erlitt er den ersten Hörsturz. Es sollte nicht der letzte bleiben. Als er 1994 in den Ruhestand ging und seine angeschlagene Gesundheit ihm eine Fortsetzung seiner Karriere als freier Musiker unmöglich machte, begann er nach einigem Zaudern, ein Buch zu schreiben, das mich bewegt hat wie nur wenige in letzter Zeit. Saitensprünge. Erinnerungen eines leidenschaftlichen Kosmopoliten erschien 2002 im Berliner Aufbau Taschenbuch Verlag und kam 2011 in einer 7. erweiterten und überarbeiteten Auflage heraus.

Den schmerzhaften Verzicht auf das Musizieren kompensierte Hellmut Stern, indem er sich eine neue, nicht minder wichtige und schöne Tätigkeit suchte – die des Zeitzeugen. Den Begriff der Kollektivschuld weist er mit Blick auf die Nachgeborenen zurück. Wohl aber, sagt er, gebe es eine kollektive Verantwortung für das Geschehene, und aus dieser Verantwortung erwachse die Verpflichtung aller, dafür zu sorgen, dass so etwas in Deutschland nie wieder geschieht. So verbringt Hellmut Stern einen beträchtlichen Teil seiner Zeit damit, in Schulklassen oder Jugendclubs, auch solchen, in denen sich rechtsgerichtete Jugendliche treffen, über sein Leben, seine Erlebnisse und Erfahrungen zu erzählen.

Am 23. März 2012 wird Hellmut Stern im SALON EXIL zu Gast sein.

Lichtburgforum, Behmstraße 13, 13357 Berlin (nahe S- und U-Bahnhof Gesundbrunnen)
Telefon (für Kartenvorbestellungen): 030 – 49 98 81 51
Eintritt 10 €, ermäßigt 5 €
Eine Veranstaltung des Lichtburgforums in Zusammenarbeit mit dem P.E.N.-Zentrum Deutschland und der Buchhandlung Thalia.


Weitere Informationen: http://www.salon-exil.de/