Frankreich-Türkei: Theaterdonner & Leichen im Keller

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Die türkische Regierung tritt eine ideologische Mobilmachung los, weil die französische Nationalversammlung ein Gesetz frisch verabschiedet hat, das die Leugnung des Armenier-Genozids unter Strafe stellt. Auch das französische Vorgehen gehorcht politisch-taktischen Motiven…

Von Bernard Schmid, Paris

Auf verschiedenen Seiten von Staaten begangenes Unrecht neutralisiert sich nicht gegenseitig. Es wiegt sich nicht auf und wird auch durch Aufrechnung nicht besser. Diese Erkenntnis aus der, jüngeren wie älteren, Geschichte möchte man derzeit gerne der französischen ebenso wie der türkischen Regierung (oder jedenfalls „ihren“ Gesellschaften, Regierungen sind in der Regel unbelehrbar) ans Herz legen. Erstere ließ, aus manifesten politisch-taktischen Motiven, einen Gesetzentwurf zur Geschichtsschreibung über den Völkermord an den Armeniern von 1915/16 verabschieden. Türkische Offizielle kontern dies nun, aus ebenso durchsichtigen Gründen, mit einem Verweis auf Frankreichs mörderische Kolonialkriegsführung in Algerien. Beide haben dabei gewissermaßen Recht und Unrecht zugleich.  Unterdessen heizt sich der Symbolkonflikt auf – durch Morddrohungen, Angriffe von Hackern, Strafanzeigen und spitze Äußerungen von Politikern.

Von welchem international geächteten „Schurkenstaat“ ist hier in beinahe kriegerisch klingender Rhetorik die Rede, um welche Feindbestimmung geht es hier? „Ein Land, das alle Welt bedroht“ hatte der französische konservative Politiker und Ex-Minister Patrick Devedjian am 27. Dezember 2011 im Visier. ((Vgl.
http://www.lemonde.fr/politique/article/2011/12/27/pour-devedjian-la-turquie-est-un-pays-qui-menace-tout-le-monde_1622968_823448.html#ens_id=1620748 oder http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/27/97001-20111227FILWWW00182-la-turquie-menace-tout-le-monde.php)) Bei dem Radiosender France Inter präzisierte er: umgehend: „Die Türkei hat, ich habe nachgezählt, innerhalb eines Jahres mehr als sieben Länder bedroht. Glauben Sie, dass dies ein gutes Betragen in den internationalen Beziehungen ist?“ Als Staaten, die konkret bedroht worden seien, nannte er „Israel, Griechenland, Zypern“. Im Geiste schloss er seine Aufzählung jedoch, im Anbetracht aktueller Ereignisse und des derzeit grollenden Theaterdonners zwischen beiden Ländern, sicherlich mit Frankreich ab.

Nun ist Bedrohung nicht gleich Bedrohung: Ein militärischer Einmarsch von türkischer Seite dürfte aktuell weder Frankreich noch einem anderen Staat drohen. Dennoch schlugen die Wogen im bilateralen Verhältnis in den letzten Tagen hoch. Die türkische Regierung kündigte die Aussetzung politischer, ökonomischer und militärischer Kontakte zu französischen Stellen an. ((Vgl. http://istanbul.blog.lemonde.fr/2011/12/27/turquie-quelles-sanctions-contre-la-france/))

Als Erstes wurde die militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden NATO-Mitgliedsstaaten eingefroren. ((vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/22/97001-20111222FILWWW00397-turquie-cooperation-militaire-gelee.php )) Gegenseitige Staatsbesuche werden annulliert, ein für Januar 2012 geplantes französisch-türkisches Wirtschaftsforum wurde abgesagt. Französischen Militärflugzeugen wird der Überflug türkischen Territoriums untersagt – respektive er muss in Zukunft in jedem Einzelfall vorab beantragt und genehmigt werden -, und französische Militärschiffe dürfen türkische Häfen nicht länger anlaufen. Just für Anfang des neuen Jahres war das Einlaufen einer französischen Fregatte in Istanbul geplant gewesen.

Privatwirtschaftliche Handelsbeziehungen zwischen beiden Staaten sind vom Streit zwischen den beiden NATO-Mitgliedern bislang nicht betroffen. Doch der frühere türkische Außenhandelsminister Yasar Yakis kündigte bereits an, dies könnte eine „nächste Etappe“ sein. Französisches Kapital ist bislang der drittgrößte ausländische Investor in de Türkei. ((vgl.
http://www.lemonde.fr/europe/article/2011/12/21/la-turquie-menace-la-france-de-sa-colere_1621071_3214.html#ens_id=1620748 )) Ein Aufruf zum Boykott französischer Produkte wird derzeit nicht ausgeschlossen. Davon wären Unternehmen wie die französische Supermarktkette Carrefour, der Automobilhersteller Renault, die Kosmetikfirma L’Oréal oder auch das Erdölunternehmen TOTAL spürbar betroffen. Auch die französische Nuklearfirma AREVA, die in der Türkei in den Atomenergiesektor einsteigen wollte, hegt entsprechende Befürchtungen. Am 26. Dezember erklärte auch ein französischer Bauernverband, die Coordination rurale, seine Besorgnis über einen eventuellen Einfuhrstopp für französisches Rindfleisch. ((http://www.lefigaro.fr/flash-eco/2011/12/26/97002-20111226FILWWW00245-turquie-un-syndicat-agricole-inquiet.php)) Der französische Außenhandel-Staatssekretär Pierre Lellouche (UMP) bezeichnete das türkische Vorgehen und die Drohungen mit Repressalien als „illegal“. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/28/97001-20111228FILWWW00209-lellouche-represailles-turques-illegales.php))

Abstimmung im französischen Parlament

Was war geschehen? Am 22. Dezember 2011 verabschiedete die französische Nationalversammlung, das „Unterhaus“ des Parlaments, mit einer Mehrheit der anwesenden Abgeordneten einen Gesetzentwurf, welcher schon im Vorfeld zwischen Paris und Ankara heftig umstritten war. Er stellt die Leugnung oder öffentliche Infragestellung eines „vom Gesetz anerkannten Völkermords“ unter Strafe: Darauf steht künftig eine Strafandrohung von bis zu einem Jahr Haft und/oder 45.000 Euro Geldstrafe. Vor den Toren des Parlaments demonstrierten rund 3.000 überwiegend türkische oder türkischstämmige Menschen gegen das zukünftige Gesetz. Schon vor der Abstimmung hatten türkische Autoritäten und Teile der dortigen politischen Klasse gegen diesen „Angriff auf ihre nationale Ehre“ mobil zu machen begonnen. ((Vgl. u.a. http://www.lefigaro.fr/international/2011/12/20/01003-20111220ARTFIG00524-la-tension-monte-entre-paris-et-ankara.php   und
http://www.lemonde.fr/europe/article/2011/12/21/la-turquie-menace-la-france-de-sa-colere_1621071_3214.html#ens_id=1620748   oder  http://www.leparisien.fr/politique/l-assemblee-fache-la-turquie-21-12-2011-1778099.php)) Premierminister Recep Teyyip Erdogan postulierte dazu: „Wir haben keinen Völkermord in unserer Geschichte!“

Daraufhin berief die Republik Türkei ihren Botschafter in Paris ab. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/22/97001-20111222FILWWW00350-france-l-ambassadeur-turc-rappele.php und
http://www.lemonde.fr/politique/article/2011/12/22/les-deputes-votent-le-texte-sur-la-negation-des-genocides_1621648_823448.html#ens_id=1620748)) Am darauffolgenden Vormittag (23.12.) verließ er „auf unbestimmte Zeit hin“ Frankreich. In Ankara sprach Premierminister Recep Teyyip Erdogan von „tiefen Wunden, die sich nicht wieder schließen lassen, im beiderseitigen Verhältnis“. ((Vgl.
http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/22/97001-20111222FILWWW00394-loigenocide-des-plaies-irreparables.php))

In seiner ursprünglichen Fassung hatte der Textentwurf explizit nur die Leugnung des Völkermords an den Armeniern von 1915/16 im damaligen Osmanischen Reich betroffen. Doch dies war unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht möglich: In jedem Rechtsstaat sind „Einzelfallgesetze“, die lediglich auf die Regelung eines einzigen konkreten Sachverhalts abzielen, verboten. Gesetzestexte müssen einen allgemeinen, abstrakten und unpersönlichen Inhalt haben. Also wurde die Formulierung entsprechend ausgeweitet. Doch im Ergebnis läuft es auf genau dasselbe hinaus.

Denn vom Gesetzgeber als „Völkermord“ anerkannt sind in Frankreich der Judenmord im nationalsozialistisch beherrschten Europa – dessen Leugnung, die so genannte „Auschwitzlüge“, fällt ohnehin seit 1990 unter das Strafgesetz gegen Rassismus und Antisemitismus – und seit einem „Erinnerungsgesetz“ vom Januar 2001 eben auch der Armenier-Genozid. Andere Völkermordhandlungen, wie jene an den Herero im damaligen „Deutsch-Südwestafrika“ und späteren Namibia (1904-08), sind nicht Gegenstand französischer Gesetze.

Nicht unter Strafe steht bisher auch das Abstreiten des jüngsten, durch die UN anerkannten Völkermords in der Geschichte. Es handelt sich um jenen an den Tutsi in Rwanda, dem von April bis Juni 1994 knapp eine Million Menschen zum Opfer fielen.

Leichen im französischen Keller…

Dafür gibt es nahe liegende Gründe: Frankreich – nicht die Bevölkerung, aber Armee und Staatsführung – waren tief in ihn verwickelt. Die damalige Führung unter Präsident François Mitterrand betrachtete damals die Staatsspitze in dem französischsprachigen afrikanischen Staats als Verbündeten bei der Erhaltung der post- und neokolonialen Einflusssphäre Frankreichs in Afrika. Der Völkermord begann mit einem Putsch von ethno-extremistischen Militärs aus der Hutu-Mehrheitsbevölkerung, die nach dem ungeklärten Tod von Präsident Juvénal Habyarimana in der Nacht vom 6. zum 7. April 1994 die Macht ergriffen und die amtierende Premierministerin ermordeten. Die auf eine „Endlösung“ für die Tutsi hinarbeitenden Hutu-Extremisten unter dem Offizier Théoneste Bagosora bildeten eine Regierung – und zwar in den Räumen der französischen Botschaft in Kigali. Das offizielle Frankreich deckte sie bis zuletzt. Führende französische Politiker, unter ihnen Ex-Premierminister Dominique de Villepin (2005-07), leugneten lange Jahre die Existenz eines Vernichtungsversuchs von Hutu an Tutsi. Oder sprachen davon, dass es „einen Völkermord auf beiden Seiten“ gegeben habe, Täter und Opfer also unklar seien. Und führende Leugner des Völkermords aus Rwanda selbst, unter ihnen Präsidentenwitwe Agathe Habyarimana, leben nach wie vor unbehelligt auf dem Gebiet des ehemaligen Verbündeten in Frankreich. Allerdings hat Präsident Nicolas Sarkozy als allererster französischer Spitzenpolitiker im Februar 2009 in Rwanda eine negative Verstrickung seines Landes eingeräumt – um eine politische Zeitbombe zu entschärfen. Er sprach von „großer Verblendung“ der französischen Entscheidungsträger, welche für die Massenmörder Partei ergriffen hatten. Von Schuld zu sprechen, lehnte er jedoch ebenso ab, wie im Namen Frankreichs um Pardon zu bitten.

Französische Spitzenpolitiker hätten also mehr als allen Grund, sich zuallererst an die eigene Nase zu fassen. Darauf spielte auch der türkische Premierminister Erdogan an, allerdings in einem anderen historischen Kontext. Am 23. Dezember 11 warf er Frankreich vor, selbst einen Völkermord begangen zu haben, allerdings in Algerien. Er fügte hinzu, „Nicolas Sarkozys Vater“ müsse „dies ja wissen“, wohl im Glauben, jener sei dort als Soldat gewesen. Der alternde Pál Sarkozy – ein gebürtiger Ungar –dementierte dies allerdings umgehend und erklärte, er sei während seines Militärdiensts in Frankreich „nicht über Marseille (in Richtung Süden) hinausgekommen“. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/23/97001-20111223FILWWW00349-pal-sarkozy-n-est-jamais-alle-en-algerie.php))

Im juristischen Sinne ist es insofern falsch, von Völkermord zu sprechen, als keine internationale Instanz die französische Kriegführung in der früheren Kolonie Algerien bislang als Genozid anerkannte. Tatsächlich ist die Kriegführung von 1954 bis 1962 – bei der es auf algerischer Seite (je nach Angaben) 300.000 bis eine Million Tote gab, auf französischer jedoch laut staatlichen Angaben „lediglich“ 27.000 – jedoch jedenfalls eine Kette von Verbrechen: Folter, „Verschwindenlassen“, Massaker an Dorfbevölkerungen. Auch ohne juristische Kennzeichnung als Völkermord ist sie schrecklich genug.

Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass die französische Offizielle in ihrer großen Mehrheit bis heute keinen Anflug von Reue zeigen. Ein Gesetz vom 23. Februar 2005 wollte gar Forschern und Lehrenden vorschreiben, „die positive Seite der französischen Präsenz in Übersee und Nordafrika“ obligatorisch zu betonen – diese Bestimmung wurde nach massiven Protesten aufgehoben -, und erkannte auch Angehörigen der rechten loyalistischen Terrororganisation OAS „Entschädigungszahlungen“ zu. Die OAS bombte und mordete am Ende des Algerienkriegs gegen den sich abzeichnenden Rückzug Frankreichs, einige ihrer Aktivisten saßen deswegen in Haft. In den letzten Jahren wurden mehrere von ihnen großzügig „entschädigt“. Zudem hielt Sarkozy im Februar 2007 in Toulon eine Rede als damaliger Präsidentschaftskandidat, die den Kolonialismus auf der anderen Seite des Mittelmeers ideologisch weitgehend rechtfertigte.

Insofern zeigte Premierminister Erdogan durchaus auf einen sehr wunden Punkt, als er Frankreich darauf hinwies, dass es selbst geschichtliche Leichen im Keller habe. Dennoch diente auch sein Vorstoß in allererster Linie der Abwehr von Schuld vom kollektiven, nationalen Geschichtsbild in der Türkei.

…und im türkischen

Anderthalb Millionen Angehörige der armenischen Bevölkerung in der Osttürkei starben ab April 1915 bei Massakern, Todesmärschen sowie an Seuchen und Erschöpfung. Die damaligen militärischen Führer des Osmanischen Reiches verdächtigten die christlichen Minderheiten, im Kontext des Ersten Weltkrieg Sympathien für das benachbarte russische Zarenreich zu hegen. Also eine Art „fünfte Kolonne“ eines Kriegsgegners darzustellen.

Die offizielle türkische Seite heute – die auf internationaler Ebene durchaus bis zu 500.000 Tote in der damaligen armenischen Bevölkerung zuzugeben bereit ist, allerdings kommen sie etwa in türkischen Schulbüchern nicht vor  – spricht deshalb (statt von Völkermord) von Opfern der Kriegshandlungen und Kriegswirren.

Jenseits der Frage einer Bezeichnung der Verbrechen (als Genozid oder nicht) jedoch muss unbestritten bleiben, dass in Wirklichkeit Männer, Frauen, Kinder und Greise der damaligen Vernichtung zum Opfer fielen. Es handelte sich bei weitem nicht nur um Kombattanten, sondern um eine ganze Bevölkerungsgruppe, die als solche attackiert wurde. Ihre kollektive Auslöschung war zwar nicht so total wie jene, die die Nationalsozialisten an den jüdischen Bevölkerungen in Europa (oder die Ethno-Extremisten unter den rwandischen Hutu im Jahr 1994 an den Tutsi) zu Ende zu führen versuchten. So wurden beispielsweise armenische Kinder zwangsweise zur Adoption in türkische Familien gegeben, dabei aber von jeglichem Wissen um ihre oder Bezug zu ihrer Vergangenheit möglichst abgeschnitten. Dennoch handelte es um den Versuch, eine Bevölkerungsgruppe planmäßig zu zerstören.

Daran war die türkische bzw. damalige osmanische Bevölkerung als solche nicht schuldig (und in weitaus geringerem Ausmaß beteiligt als etwa die deutsche „Normalbevölkerung“ an der Vorbereitung der Judendeportation). Wohl aber Teile des militärischen Apparats – der damals, dies darf nicht vergessen werden zu betonen, damals stark von preußisch-deutschen Militärs, Ausbildern und Offizieren durchdrungen war.

Infolge des Ersten Weltkriegs wurden die Restgebiete des Osmanischen Reichs jedoch zum Opfer einer Aufteilungspolitik, welche tatsächlich zunächst (1920) von der heutigen Türkei nicht viel übrig ließ: Die „Meerengenzone“ um Istanbul wurde von internationalen Truppen besetzt, Italiener landeten im Dodekanes (rund um die Insel Rhodos) und rund um Antalya, griechische Truppen in Izmir, französische Soldaten in Adana. Die Reste der Türkei hätten fast keinen Zugang zum Mittelmeer besessen. Dagegen brach der „nationale Befreiungskrieg“ aus, der die Grenzen zu korrigieren erlaubte und die Republik Türkei herstellte. Ähnlich wie auch auch viele spätere „nationale Befreiungsbewegungen“ gegen Kolonialherrschaften ab den 1960er Jahre stellte der „Befreiungskrieg“ jedoch zugleich eine autoritäre Einparteienherrschaft her, in Gestalt des Kemalismus. Über Jahrzehnte hinweg war sie von Assimilationsdruck gegen die zahllosen nationalen Minderheiten in der Türkei, Schmähung jeglicher vom „Nationalinteresse“ abweichender Bestrebung und Repression etwa gegen Kurden begleitet. Ihr Erbe ist noch heute im Militärapparat und bei Teilen des politischen Establishments angelegt.

Aufgrund dieser Geschichte am Ausgang des Ersten Weltkriegs ist eine Erinnerung an den Armenier-Genozid, oder seine Bezeichnung als Völkermord, in der Türkei lange Zeit tabuisiert worden. Er erschien als Angriff auf die Grundfesten der Nation, der modernen Türkei, während viel Bürger ihr eigenes Land zuerst als Opfer jener Jahre betrachteten – zum Teil zu Recht, was den Umgang der Großmächte mit ihm nach 1918 betrifft. Im Übrigen hatten sich viele Militärs (Enver Pascha, Taalat Pascha…), die später am Unabhängigkeitskrieg beteiligt waren, zuvor während der Massaker in den Jahren des Ersten Weltkriegs negativ ausgezeichnet. Aus diesen Gründen bildet ein Ansprechen des Armeniermords ein äußerst heikles „nationales Thema“ in der Türkei. Schuldabwehr überwiegt auch hier, um ein imaginäres „reines Antlitz der Nation“ im kollektiven Geschichtsbild zu wahren. Regelmäßig wurden Intellektuelle oder andere Personen, die abweichende Auffassungen dazu äußerten, wegen „Beleidigung des Türkentums“ gemäß 301 des türkischen Strafgesetzbuchs verfolgt und auch verurteilt.

Die Regierung der moderat-islamistischen AKP (seit 2002) hat diese Politiktradition in der Türkei bruchlos fortgesetzt. Dadurch tritt die Partei Recep Teyyip Erdogans in die Fußstapfen der Kemalisten, und verhält sich in dieser Hinsicht eher wie eine türkisch-nationalistische denn wie eine „typisch“ islamistische Kraft. Auch wenn ihr dies sicherlich auch dadurch ideologisch erleichtert wird, dass die Armenier eine christliche Minderheit im Osmanischen Reich bildeten. Aber auch bei der Kurdenpolitik – bei welcher es sich um den Umgang mit „moslemischen Glaubensbrüdern und -schwestern“ handelt (welche noch in den 1990er durch die Vorgängerpartei der AKP, die Refah Partisi, mit diesem Argument umworben wurden; die Vorläufer der jetzigen Regierungsislamisten dienten sich den Kurden als positive Alternative zu den türkisch-nationalistischen Parteien an), knüpft die AKP heute weitestgehend bruchlos an den türkischen Staatsnationalismus an.

Ein Gesetz, das Veränderungen bewirkt… oder doch eher blockiert?

Positive Veränderungen diesbezüglich lassen sich sicherlich nicht von einem  auf französischem Boden geltenden Gesetz bewirken. Sondern von gesellschaftlichen Veränderungen innerhalb der Türkei sowie vom Anknüpfen „normalisierter“ Beziehungen zwischen ihr und der Republik Armenien. Einige hoffnungsvolle Ansätze dazu gibt es auf beiden Gebieten. Am 10. Oktober 2009 unterzeichneten Vertreter beider Republiken in Zürich ein Protokoll, das die Aufnahme bislang nicht existenter, „normaler diplomatischer Beziehungen“ vorsieht. Allerdings wurde es im darauffolgenden Jahr durch die armenische Seite suspendiert und findet folglich bislang keine Anwendung. Verantwortlich dafür ist allerdings nicht die türkisch-armenische Geschichte, sondern der Streit um die seit 1988 zwischen Armenien und Aserbaidschan (damals waren beide noch Sowjetrepubliken) umstrittene Enklave Nagorny-Karabach oder, deutsch, Berg-Karabach. Ankara unterstützt dabei das türkischsprachige Nachbarland Armeniens, zu dem es wie zu anderen turksprachigen Ex-Teilstaaten der UdSSR mehr oder minder enge Beziehungen aufbaute.

Innerhalb der Türkei, wo sehr lange jegliche Erwähnung der Verbrechen an den Armeniern aus den Jahren nach 1915 sofort als strafbarer „Vaterlandsverrat“ geahndet wurde, hat sich das Klima in den letzten Jahren diesbezüglich zumindest entkrampft. Intellektuelle wie Cengiz Aktar initiierten im Jahr 2008 eine kollektive Bitte um Entschuldigung an die Adresse der Armenier. Im universitären Bereich kamen Debatten um das Thema auf.

Derzeit droht die Tür eher wieder zugeschlagen zu werden, denn der politisch stimulierte Ärger um den französischen Gesetzentwurf liefert derzeit eher den Nationalisten eine Steilvorlage, die es ihnen Anhänger zu mobilisieren erlaubt. Hinzu kommen politisch-diplomatisch, gewollte oder ungewollte, Ungeschicklichkeiten von französischer Seite. Am 20. Dezember 11, also zwei Tage vor der geplanten Abstimmung, brüskierte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy etwa seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül: Er weigerte sich, dessen Anruf am Telefon entgegenzunehmen und sich mit ihm zu unterhalten, oder auch nur ihn anzuhören. Im Umgang zwischen souveränen Staaten eher ungewöhnlich, und (trotz aller inhaltlichen Bedenken, höflich ausgedrückt, gegenüber dem offiziellen Standpunkt türkischer Stellen) kein guter Zug.

Auch auf regionaler zwischenstaatlicher Ebene trug das französische Votum wohl eher dazu bei, Spannungen zu verstärken statt abzubauen. Die armenische Regierung bedankte sich für die Abstimmung und ihr Ergebnis recht überschwänglich bei Präsident Sarkozy. (vgl. auch die Reaktion des prominenten Sängers u. seit 2009 amtierenden armenischen Konsuls in der Schweiz, Charles Aznavour. ((http://actu.orange.fr/france/loi-sur-le-genocide-aznavour-exprime-sa-reconnaissance-dans-une-lettre-a-sarkozy-afp_396422.html oder http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/26/97001-20111226FILWWW00219-loigenocide-aznavour-remercie-sarkozy.php)) Während umgekehrt jene des Nachbarstaats Aserbaidschan die französische Initiative ebenso umgehend verurteilte. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/23/97001-20111223FILWWW00316-genocide-l-azerbaidjan-condamne-la-loi.php))

Warum jetzt?

Es stellt sich die Frage, welche Interessen die französische Politik dabei verfolgte, als sie diesen Gesetzentwurf zur Abstimmung brachte; und warum dies gerade jetzt passierte?

Bereits im Jahr 2006 war allerdings ein inhaltlich ähnlicher Entwurf – zur Strafbarmachung einer Leugnung des Armenier-Genozids ((Vgl. http://de.qantara.de/Leugnung-des-Genozids-an-Armeniern-bald-Straftat/1950c2044i1p228/)) – in der französischen Nationalversammlung angenommen, jedoch später dann (2008) im Senat verworfen worden. Beide Kammern, die damals übrigens noch politisch identische Mehrheitsverhältnisse aufwiesen,  müssen jedoch zustimmen. Der Senat, also das „Oberhaus“ – das seit September 2011 erstmals eine Mehrheit für die sozialdemokratische Opposition aufweist – muss auch dieses Mal erst noch über die Gesetzesinitiative debattieren. Bislang ist dazu noch kein konkreter Termin anberaumt, wie der konservative  Senator Roger Karouchi am 27. 12. 11 der Presse mitteilte. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/27/97001-20111227FILWWW00191-loigenocide-pas-encore-au-senat.php))

Die Initiative zur Annahme des Gesetzentwurfs ging übrigens nicht von der Exekutive aus, und das Regierungslager hatte im Vorfeld der Abstimmung keinen Fraktionszwang geltend gemacht. Dennoch ist unbestritten, dass Präsident Nicolas Sarkozy eine Rolle dabei spielte, die neuerliche Gesetzesinitiative – nach jener, gescheiterten in den Jahren 2006 bis 08 – auf den Weg zu bringen. Am 06. und 07. Oktober 2011 hielt er sich in Jeriwan, der Hauptstadt der Republik Armenien, auf und gab dort ein öffentliches Versprechen in diesem Sinne ab. ((Vgl. dazu http://www.lefigaro.fr/politique/2011/12/20/01002-20111220ARTFIG00604-sarkozy-la-promesse-d-erevan.php))

Eingebracht worden war der Entwurf von Valérie Boyer, einer Abgeordneten der Regierungspartei UMP aus dem Raum Marseille. Auf der Titelseite der türkischen Zeitung ,Radikal‘ wurden deswegen Valérie Boyer und Präsident Nicolas Sarkozy zusammen mit dem armenischstämmigen französischen Politiker Patrick Devedjian deswegen – frei nach Victor Hugo – als ,Les misérables‘ (Die Elenden) dargestellt. ((Vgl. dazu als Abbildung: http://istanbul.blog.lemonde.fr/2011/12/23/revue-de-la-presse-turque-les-miserables/))

An der Abstimmung – ohne Fraktionszwang – nahmen rund 60 Abgeordnete teil, also nur ein gutes Zehntel der in die Nationalversammlung gewählten Mitglieder (insgesamt 577). Eine deutliche Mehrheit der Anwesenden stimmte dem Text zu, über Parteigrenzen hinweg: Konservative und Wirtschaftsliberale aus den Regierungsparteien UMP/Nouveau Centre, Angehörige der Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei. Die drei anwesenden Vertreter der Grünen nahmen nicht an der Abstimmung teil.

Als einziger Redner gegen den Gesetzentwurf trat ein Abgeordneter der regierenden UMP auf, Michel Diefenbacher. Er ist Mitglied der parlamentarischen Freundschaftsgesellschaft Frankreich-Türkei, und kommentierte die Abstimmung mit den Worten: „In dieser strategischen Region (Anm: rund um die Region), die so sensibel wie instabil ist, hat niemand daran Interesse, Öl ins Feuer zu gießen. Doch das tut dieser Text.“ Ferner enthielt sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung, Axel Poniatowski (ebenfalls UMP, und innerhalb der Regierungspartei eher Rechtsausleger), der Stimme. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/28/97001-20111228FILWWW00205-loi-genocide-un-appel-a-l-apaisement.php)) Im Endeffekt, so klingt durch, scheint das Ausmaß des losgetretenen Konflikts (jedenfalls in seinen über die pure Symbolpolitik hinausgehenden Dimensionen), insbesondere aber die Drohung mit Wirtschaftsboykottmaßnahmen, in Teilen des französischen Regierungslagers Unmut hervorzurufen. Dort bekamen manche Protagonisten nun anscheinend kalte Füße. Beispielsweise erklärte Außenminister Alain Juppé: „Ich denke, dass diese Initiative inopportun war, aber das Parlament hat nun abgestimmt. Nun geht es darum, zu befriedeten Beziehungen (zwischen Frankreich und der Türkei) zurückzukehren.“ ((Vgl. dazu
http://www.lorientlejour.com/category/%C3%80+La+Une/article/737664/La_crise_franco-turque_fait_grincer_des_dents_au_sein_du_gouvernement_de_Paris.html ))

Von Beobachtern vermerkt wurde eine starke Überrepräsentation der Abgeordneten aus der Region Südostfrankreich während der Abstimmung. Dies hat offenkundig wahlpolitische Gründe: In jener Region leben die meisten armenischstämmigen Franzosen, vor allem im Raum Marseille. Denn in dieser Hafenstadt kamen, nach dem Ersten Weltkrieg, die nach den Massakern überlebenden oder geflohenen Armeniern auf Schiffen an. Viele von ihnen ließen sich dort nieder. Die Zahl armenischstämmiger Französinnen und Franzosen geht insgesamt mindestens in sechsstellige, wenn nicht in Millionenhöhe. ((Vgl. zu prominenten armenischstämmigen Franzosen auch http://www.bibliomonde.com/donnee/armenie-les-francais-originaires-pays-362.html ))

Vereinigungen von in Frankreich lebenden Armeniern und ihre Nachfahren betreiben seit langen Jahren eine Aufklärungs- und Lobbyarbeit zugunsten einer Anerkennung des Leids ihrer Vorfahren und der an ihnen begangenen Verbrechen. Seitens von Nachkommen Überlebender ist dies sicherlich ein zutiefst legitimes Interesse. Zugleich mischte es sich im politischen Raum seit geraumer Zeit, und in steigendem Ausmaß in den letzten Jahren, mit weniger noblen Interessen. Schon seit langem hat die politische Rechte einzelne armenischstämmige Franzosen rekrutieren können, vor dem Hintergrund einer Aufladung ihrer Erfahrungswelt mit antitürkischen oder generell muslimfeindlichen Slogans und Gefühlen. Ein Beispiel ist der oben erwähnte Patrick Devidjian, der in seiner Jugend zunächst einer militanten rechtsextremen Bewegung namens Occident – die er 1968 verließ – angehörte, bevor er demokratisch geläutert zu den Konservativen stieß.

Politisch eingesetzt oder aus strategischen Beweggründen manipuliert wurde das historische Gedächtnis des Armenier-Völkermords jedoch zunehmend in den letzten Jahren, als es Teilen der politischen Rechten (auch der regierenden) darum ging, Barrieren gegen den durch die Türkei angestrebten Beitritt zur EU zu errichten. Deswegen ist das politische Klima zwischen beiden Staaten derzeit auch viel stärker aufgeladen, als dies im Jahr 2001 der Fall war, als das französische Parlament gesetzlich den Armenier-Genozid „anerkannte“, ohne dies mit einer Strafdrohung zu begleiten. Die damaligen politischen Entscheidungsträger, ein bürgerlicher Präsident (Jacques Chirac) und sein sozialdemokratischer Premierminister (Lionel Jospin), hatten sich beide für das Recht der Türkei für einen EU-Beitritt eingesetzt. Dagegen hatte Chiracs späterer Innenminister – und jetziger Nachfolger – Nicolas Sarkozy in mehreren Wahlkämpfen der Jahre 2004 bis 07 gegen eine türkischen EU-Beitritt gewettert. Dieses Thema diente damals Teilen der Rechten wiederholt dazu, Emotionen auch gegen muslimische Einwanderer oder allgemein „Nicht-Abendländer“ zu schüren.

Derzeit kommt noch hinzu, dass Frankreich nur vier Monate vor den nächsten Präsidentschaftswahlen vom 22. April und 06. Mai 2012 steht, denen in sechswöchigem Abstand die Parlamentswahlen folgen. In diesem Zusammenhang dürfte es Sarkozy – der als Kandidat um seine Nachfolge antritt, dessen Bilanz jedoch in den Augen sehr vieler Bürger schlecht aussieht – ziemlich gelegen kommen, einen äußeren Konflikt zu inszenieren. Gern auch einen stark symbolpolitisch aufgeladenen Konflikt, beispielsweise mit einem mehrheitlich muslimisch bevölkerten Land.

Kritik, Befürworter/innen und Alternativvorschläge

Kritik an dem Gesetzesvorhaben gab es übrigens nicht nur von türkischer oder franko-türkischer Seite, sondern ebenso (und aus unterschiedlichen Beweggründen) auch aus der französischen Politik und von Geschichtswissenschaftler-inne-n. Eine Reihe von Protagonisten monierten, es handele sich gleichermaßen um eine staatliche Reglementierung des Geschichtsbilds – ein Argument, das von liberaler Seite auch am Gesetz gegen die „Auschwitzlüge“ von 1990 fiel, dort aber besonders bedenklich ist – und, faktisch, um ein Einzelfallgesetz. Siehe dazu einen Text des Historikers Pierre Nora. ((http://www.lemonde.fr/idees/article/2011/12/27/lois-memorielles-pour-en-finir-avec-ce-sport-legislatif-purement-francais_1623091_3232.html)) Dazu erschien auch eine Replik eines Historikerkollegen, Bruno Chaouat, der im US-Bundesstaat Minnesota beim Center for Holocaust and Genocide Studies arbeitet und Pierre Nora entgegenhält, zwar könne er sich mit Recht gegen eine gesetzliche Reglementierung der Geschichtsschreibung in Frankreich wenden; müsse dann aber mit mindest ebenso viel Vehemenz die staatliche Gängelung der Geschichtsschreibung der Armniermassaker in der Türkei anprangern. ((http://www.lemonde.fr/idees/article/2011/12/30/lois-memorielles-l-indignation-selective-de-pierre-nora_1624259_3232.html))

Auch bürgerliche Politiker wie Ex-Außenminister und Ex-Premierminister Dominique de Villepin (zuletzt Regierungschef von 2005 bis 07, heute Erz-Rivale Nicolas Sarkozys) sprachen vor diesem Hintergrund von einem politischen „Fehler“. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/25/97001-20111225FILWWW00039-villepin-contre-la-loi-sur-les-genocides.php)) Ähnlich stufte auch der bürgerliche Kolumnist Alexandre Adler die Gesetzesinitiative als „Fehler“ ein. ((Vgl. dazu http://www.lefigaro.fr/mon-figaro/2011/12/23/10001-20111223ARTFIG00362-loi-sur-le-genocide-armenien-l-impasse.php))

Der derzeitige „Oppositionsführer“ der parlamentarischen Opposition und sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat François Hollande warf Sarkozy ein „wahltaktisches Manöver“, das hinter der Gesetzesinitiative stehe, vor. ((Vgl. http://www.francesoir.fr/actualite/politique/genocide-armenien-hollande-accuse-sarkozy-167819.html)) Zuvor hatte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, Jean-Marc Ayrault, im Vorfeld der Abstimmung erklärt, er „persönlich“ sei nicht für das Gesetzesvorhaben eingestellt. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/election-presidentielle-2012/article/2011/12/20/genocide-armenien-accoyer-pas-favorable-a-une-loi-a-titre-personnel_1620742_1471069.html))

Ex-Justizminister Robert Badinter – der frühere wichtigste Protagonist der Abschaffung der Todesstrafe im Jahr 1981, welcher in breiten Kreisen als eine Art „Hüter des Tempels“ republikanischer und rechtsstaatlicher Grundsätze betrachtet wird – sah den Gesetzentwurf etwa als „verfassungswidrig“ an. ((Vgl.: http://www.lemonde.fr/politique/article/2011/12/22/loi-sur-le-genocide-armenien-hollande-denonce-une-operation-electorale_1622032_823448.html#ens_id=1620748 ))

Aus den denkbar schlechtesten Gründen wiederum gab es Kritik von Protagonisten der politischen Rechten an der Gesetzesinitiative. So formulierte der zwischen der bürgerlichen und der extremen Rechten stehende, konservativ-reaktionäre Journalist Ivan Rioufol (sein neuestes Buch heißt ,De l’urgence d’être réactionnaire’: „Von der Dringlichkeit, ein Reaktionär zu sein“) eine solche Kritik. Zunächst bezeichnet er sowohl den Gesetzentwurf zum Armenier-Völkermord als auch das, seit 1990 gültige, französische Gesetz zur Holocaustleugnung  gleichermaßen als „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ und Kriminalisierung eines „Meinungsdelikts“. Im Hintergrund steht u.a., dass er gerne der  extremen Rechten inklusive ihrer faschistischen Komponenten eine Tür zu einer aktiven politischen Rolle offen halten will. Auch wenn er selbst eher im (rechts)konservativen Lager verankert ist, möchte er sich doch die Option für eine Rechts-Rechts-Allianz ausdrücklich offen halten. Hinzu fügt er dann noch ein weiteres Argument: Man müsse doch erst einmal die Leugnung des „Völkermords in der Vendée (von 1793/94)“ in Frankreich unter Strafe stellen, falls man denn Gesetze zur Genozid-Geschichtsschreibung erlassen wolle. Bei den historischen Vorfällen, um die es hier ging, handelt es sich um das militärische Vorgehen der jungen Republik (welche im Krieg mit den europäischen Monarchien stand) gegen einen pro-royalistischen und pro-klerikalen, jedoch überwiegen von Bauern getragenen Aufstand. Dabei kam es tatsächlich zu üblen Massakern, insbesondere den berüchtigten ,noyades’ (Ertränkungen von Gefangenen) in der Loire, für welche damals Jacques Cartier als Protagonist der Repression in Nantes & Umland verantwortlich zeichnete.  Aber natürlich handelt es sich dabei um politisch motivierte Massaker, mitnichten jedoch um einen „Völkermord“. ((Vgl. zu Rioufols Ausführungen im Original:  http://blog.lefigaro.fr/rioufol/2011/12/genocide-la-frnce-na-pas-de-le.html)) Am folgenden Tag, dem 22.12.11, forderte i.Ü. auch der Sprecher der rechtskatholischen Kleinpartei MPF („Bewegung für Frankreich“) in der Nationalversammlung eine Anerkennung des „Vendée-Genozids“ durch die Parlamentarier. ((Vgl.
http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/22/97001-20111222FILWWW00339-debat-sur-le-genocide-vendeen.php))

Die Gesetzesinitiative hatte aber auch ihre Befürworter/innen. Die linksliberale Journalistin, Säkularistin, Kritikerin der extremen Rechten (und ,Islamkritikerin’) Caroline Fourest etwa fragt sich ihrerseits in der liberalen Abendzeitung ,Le Monde’, wie man je zu einer ruhigeren Debatte um den Armeniermord kommen könne, wenn er „seit 100 Jahren von staatlicher Seite (in der Türkei) geleugnet“ werde. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/idees/article/2011/12/23/negation-francaise-contre-negation-turque_1622302_3232.html )) Als eine Art „Ausgleich“ bietet sie der Türkei an, sie könne ja ihrerseits die Leugnung des Judenmords in Europa – an welcher französische staatliche Stellen seinerseits beteiligt gewesen seien – unter Strafe stellen. Damit sich die historischen Vorwürfe ausgleichen, gewissermaßen. Türkische Nationalisten und/oder Islamisten dürften dies allerdings kaum als Kompromissangebot betrachten, eher im Gegenteil, würde doch in ihren Augen alle beiden Anliegen eher als „westliche Ansprüche“ erscheinen. – Auch die eher linke Antirassismusbewegung MRAP, die eine bessere Grundlage für die Strafverfolgung von Hassäußerungen gegen Völkermordopfer und für die Schaffung von „Gerechtigkeit“ sieht, begrüßte die Annahme des Gesetzentwurfs durch die französische Nationalversammlung in einem Kommuniqué. ((http://www.mrap.fr/histoire-et-memoire/negationnisme/genocide-armenien-le-mrap-se-rejouit-du-texte-votee-par-l2019assemblee-nationale-et-reaffirme-que-le-besoin-de-justice-concerne-tous-les-peuples-de-la-terre )) Ebenso wurde diese in einem Beitrag für die, auf die Bekämpfung von Rassismus und Völkermord-Leugnung (im Hinblick auf Holocaust, Armenier, Rwanda…) spezialisierte Webseite ,Mémorial98’ grundsätzlich ausdrücklich positiv bewertet. ((http://memorial98.over-blog.com/article-genocide-armenien-la-justice-enfin-94102719.html))

Kritiker/innen, die andere als türkisch-nationalistische Motive hegen, schlugen vor der Parlamentsdebatte vom 22. Dezember 11 auch Alternativen vor. Ihrerseits regten sie an, es benötige kein Spezialgesetz, um hasserfüllte Hetze etwa gegen heute lebende Armenier/innen als „Profiteure einer Völkermord-Lüge“ unter Strafverfolgung zu stellen. Das bestehende Antirassismus-Strafgesetz von 1972 würde in ihren Augen dafür genügen: Wer etwa pauschal behauptet, alle Armenier und ihre Nachfahr/inn/en würden lügen, um sich „zum Nachteil der Türkei“ ungerechtfertigte Vorrechte zu verschaffen oder um Geld (für bisher hypothetisch bleibende Schadensersatzforderungen) „zu erpressen“, begeht ein Delikt. Nämlich das der Aufhetzung gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, was dem französischen Delikt einer ,incitation à la haine raciale‘ (ungefähr: „Aufstachelung zum Rassenhass“) entspricht und im deutschen Recht unter den der „Volksverhetzung“ fällt.

Es trifft zu, dass das französische Antirassismus-Strafgesetz im Jahr 1990, nach einigen kontroversen Debatten, um einen Sondertatbestand der Holocaustleugnung ergänzt wurde. Dies war eine Reaktion auf ein spürbares Aufkeimen von neuem Antisemitismus, damals in Gestalt bestimmter Aussprüche von Jean-Marie Le Pen sowie der barbarischen Schändung des jüdischen Friedhofs von Carpentras im Mai 1990, bei welcher eine frisch beerdigte Leiche durch Neonazis auf einen Sonnenschirm aufgespießt oder „gepfählt“ wurde. Sicherlich war, angesichts der sichtbar gewordenen Virulenz des Antisemitismus in doch relevanten Teilen der Bevölkerung und/oder der politischen Landschaft, eine solche gesetzliche Maßnahme als „Ausnahmereaktion“ gut zu rechtfertigen. Anders als die Judendeportationen, an denen französische Stelle (Polizei, Gendarmerie, Bahn…) aktiv mitwirkten und bei der manche Teile der damaligen Bevölkerung zumindest Komplizen waren, spaltete der Armenier-Genozid nicht die französische Gesellschaft als solche: Er spielte sich außerhalb ihrer Grenzen ab. Insofern ist es schwierig, das „Sondergesetz“ zur Leugnung des Judenmords im nationalsozialistischen Europa auch auf diese konkrete historische Situation zu übertragen, und (de facto) ein Einzelfallgesetz auf dieselbe anzuwenden.

Ärger, richtig Ärger

Apropos Konflikt: Aggressionen liegen nun tatsächlich in der Luft. Die Abgeordnete Valérie Boyer, die den Text in die Nationalversammlung einbrachte, wurde an den Weihnachtstagen mit Morddrohungen eingedeckt. Seitdem hat sie Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Ihre Webseite wurde in der Folgezeit von kundigen Hackern außer Gefecht gesetzt. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/europe/article/2011/12/25/piratage-du-site-de-la-deputee-ump-a-l-origine-du-texte-sur-le-genocide-armenien_1622666_3214.html#ens_id=1620748))

Inzwischen soll sich herausgestellt haben, dass es sich um dieselbe Hackergruppe handeln soll, welche Anfang November 2011 infolge einer Mohammed-Karikatur die Webseite der französischen Wochenzeitung Charlie Hebdo lahmlegte. ((vgl. dazu http://de.qantara.de/Schluss-mit-lustig/17678c77/index.html sowie aktuell http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/26/97001-20111226FILWWW00314-boyer-cible-des-hackers-de-charlie-hebdo.php  und http://www.lemonde.fr/technologies/article/2011/12/27/la-longue-serie-des-piratages-nationalistes-turcs_1623166_651865.html#ens_id=1620748)) So soll, wie das französische Magazin Le Nouvel Observateur am 26. Dezember 11 on-line schrieb, die für die Piratenattacke vom Weihnachtswochenende verantwortliche Gruppe „HayGratz“ aus ehemaligen Mitgliedern der im November aktiv gewordenen Gruppe „Akincilar“ bestehen. Am 25./26. Dezember war die Webseite der Parlamentarierin durch eine rein schwarze Seite ersetzt worden. Von dieser aus wurden die User umgeleitet auf eine weitere Seite, die eine türkische Flagge sowie Parolen auf Englisch und Türkisch gegen Frankreichs Regierung zeigte. ((Vgl.
http://istanbul.blog.lemonde.fr/2011/12/26/turquie-les-hackers-se-lancent-dans-la-bataille/))

Kurz darauf sprach die Politikerin auch von Morddrohungen, gegen welche sie noch am 26.12. umgehend Strafanzeige erstattete ((vgl. http://www.lefigaro.fr/politique/2011/12/26/01002-20111226ARTFIG00123-genocides-la-deputee-a-l-origine-du-texte-menacee.php und http://actu.orange.fr/une/loi-reprimant-la-negation-des-genocides-menacee-la-deputee-valerie-boyer-porte-plainte-afp_396420.html )); auch die Umgebung des sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidat François Hollande erklärte ihr dabei ihre Unterstützung. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/26/97001-20111226FILWWW00218-l-equipe-hollande-soutient-boyer.php)) Auch aus anderen Teilen der französischen politischen Klasse heraus wurde „Empörung“ (wie etwa vom UMP-Vorsitzenden Jean-Francois Copé, ((http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/26/97001-20111226FILWWW00176-menacesboyer-cope-indigne.php )) sowie Unterstützung für die Abgeordnete Boyer geäußert. ((Vgl.  http://www.lemonde.fr/international/article/2011/12/26/genocide-armenien-la-deputee-boyer-porte-plainte-la-classe-politique-s-indigne_1622919_3210.html oder http://actu.orange.fr/une/loi-sur-les-genocides-les-menaces-contre-la-deputee-boyer-suscitent-l-indignation-afp_396420.html))

Als am selben Tag auch noch festgestellt wurde, dass die Webseite des französischen Senats infolge einer außergewöhnlich hohen Zahl von Zugriffen am Weihnachtswochende 2011 blockiert worden war, wurde ebenfalls ein Zusammenhang zur Türkei und zu der Debatte hergestellt. ((Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2011/12/26/97001-20111226FILWWW00248-le-site-du-senat-victime-d-une-attaque.php)) Vorläufig ist er jedoch noch unbewiesen.

Solches „Flaggezeigen“ wird sicherlich ebenso wenig zu einer produktiven Diskussion beitragen, wie die außenpolitische Kraftmeierei Nicolas Sarkozy zu positiven Veränderungen in der Türkei führen könnte. Die wirkliche historische Debatte wird überhaupt erst stattfinden können, wenn der momentan aufgewirbelte Staub sich gelegt haben wird.

Unterdessen wird auch im Staat Israel unter Parlamentarier/inne/n über die Annahme eines vergleichbaren Gesetzes zum Völkermord an den Armeniern diskutiert. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/proche-orient/article/2011/12/26/des-deputes-israeliens-debattent-d-une-reconnaissance-du-genocide-armenien_1622727_3218.html#ens_id=1620748)) Dort ist der Hintergrund freilich ein anderes, denn in Teilen der israelischen Politik und Gesellschaft wird die Erfahrung des Völkermords – der Judenvernichtung in Europa – als wichtiger Bestandteil der eigenen Staatslegitimation betrachtet.

7 Kommentare

  1. Herr Schmidt in Ihrem durchblickerhaften das linke Argumentationsfeld okkupierenden Text steht keine Zeile zur deutschen Mitschuld, die der Bundestag 2005 immerhin zugegeben hat. Man muss schließen, dass sie den Völkermord an den Armeniern nicht als solchen anerkennen. Bei soviel pseudo-argumentativem Nebel muss man von oberschlauen Jounalisten Bekenntnisse fordern.

    „Stellen Sie sich einmal vor, wie die Situation der Ãœberlebenden der Schoah gewesen wäre, wenn der deutsche Staat nach dem Krieg ein solch leugnender und verneinender Staat gewesen wäre. Stellen Sie sich das Ausmaß an Hilflosigkeit und Wut vor, wenn die Ãœberlebenden es nicht etwa mit einer kleinen Sekte von Trotteln zu tun gehabt hätten, sondern mit einem reuelosen Deutschland, das seinen Partnern gedroht hätte, wenn diese die Vernichtung der Juden in Auschwitz als Genozid bezeichnet hätten. Dies ist, mutatis mutandis, die Situation der Armenier. Und deshalb haben sie auch das Recht auf ein Gesetz.“ (Bernard-Henri Lévy in WELT Online)
    Universelle Menschenrechte und Macht der Armenischen Diaspora
    http://www.hay-society.de/haysociety/meinung-a-debatte/221-universelle-menschenrechte-und-macht-der-armenischen-diaspora.html

  2. 2)  Ist “Dummheit” strafenswert? „    Dummheit schützt nicht vor Strafe

                            die deutschen kennen ihre eigenen Sprichwörter nicht

    c. ich bin überzeugt, dass sich jeder Idiot ohne Strafe egal gegen welche Wahrheit stellen darf. Denn wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, argumentativ die Mehrheit ihrer Gesellschaft zu überzeugen, dann hilft ein juristisches “Denkverbot” auch  nicht mehr.“

    Das glaube ich Ihnen gerne weil Sie davon reichlichen gebrauch machen

  3. Unter dem Naziregime lebte ein Schriftsteller – übrigens als hochgewachsener Blonder mit blauen Augen ein Paradeexemplar eines „Ariers“ im Sinne des nationalsozialistischen Rassenwahns – der 1933 vehement die rassistische Politik mit ihrer Verfolgungs- und Mörderpraxis geißelte und deshalb einen persönlich an Hitler gerichteten Brief schickte.

    „Mit erstaunlich prophetischem Weitblick warnte er ihn vor den späteren Folgen: …die Schmach und das Unglück aber, die Deutschland dadurch zuteil wurden, werden für lange Zeit nicht vergessen sein…wenn einmal die Städte zertrümmert liegen, die Geschlechter verbluteten…Mit Scham und Verachtung werden sie von den Geschlechtern künden, die nicht nur das Glück des Landes leichtfertig auf das Spiel setzten, sondern auch sein Andenken für immer geschändet haben!“ (in “ „: Wikipedia). Die Antwort bestand in Verhaftung und Verbringung in mehrere KZs.

    Derselbe außergewöhnliche Mann, erklärter Pazifist (vielleicht sollte „unser“ Karl Pfeifer sich mal überlegen, ob, nach seiner These, so jemand den Nazis an die Macht verhalf) erlebte im Ersten Weltkrieg mit, wie der in der verbündeten Türkei eingesetzte Deutsche Verbindungsstab bildlich gesprochen schuldhaft knöcheltief in armenischem Blut watete und davon von nichts zur Kenntnis zu nehmen gewillt war:

    „1915 kam er mit einer deutschen Sanitätsexpedition in das Osmanische Reich. 1916 war … er dann als Sanitätsoffizier unter Feldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz in Ost-Anatolien tätig und sah dabei mit eigenen Augen die Vertreibung und den Völkermord an den Armeniern durch die Türken. Bis heute bedeutend ist, dass … nicht nur Augenzeuge war, sondern das Geschehen auch fotografisch und literarisch festgehalten hat.

    Er intervenierte in dieser Angelegenheit auch bei der deutschen Regierung und beim US-Präsidenten (Offener Brief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Woodrow Wilson, über die Austreibung des armenischen Volkes in die mesopotamische Wüste).

    Seine Hoffnung, die kaiserliche Diplomatie würde Einfluss auf die Verbündeten am Bosporus nehmen, wurde ebenso enttäuscht wie die Erwartung nach 1918, die Sieger würden sich für das armenische Volk einsetzen.“ (aus dem gleichen Artikel in Wikipedia) 

    Sein Name? Sollte eigentlich jedem Schulkind als leuchtendes Vorbild für Zivilcourage bekannt sein.

    Soviel noch außer dem oben schon Beschriebenen zur deutschen Beteiligung am Völkermord an den ArmenierInnen. Es schreit zum Himmel.  
     
     

  4. Die Bundesrepublik Deutschland sollte alle Völkermorde als Völkermorde qualifizieren und sich an einer isolierten Diskussion um einen bestimmten Völkermord nicht beteiligen.

  5. Herr Schmidt,
    1- És ist unrichtig, wenn Sie behaupten, dass   das  Züricher Protokoll, von armenischer Seite suspendiert wurde. Rictig ist, dass die Türkei weiterhin die alt bekannten und für Armenien unakzeptable Vorbedingungen geltend macht u.s.w.

    2- Die Türkei ( türkischer Staat)  exportiert ihre Leugnungspolitik , das Völkermord-gesetzt zielt auf Export einer Leugbungspolitik – Sie schweigen darüber!

    3- Sie haben in ihrem   Artikel einiges vergessen.
    Anbei mein Schreiben an Deutsche Politiker- Verfasst im 2010!

    Wenn Hitler ein Türke wäre,
    würde die Türkei auch den Holocaust an den Juden leugnen!
    Überschrift eines Kommentars in der türkischen Zeitung „Star“ vom 15.03.2010
     
     
    Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,
     
     
    im Februar 1914 verpflichtete sich das osmanische Reich zur Durchführung von Reformen in  den armenischen Gebieten, der heutigen Osttürkei. Bereits nach dem Balkankrieg 1913 schwärmten die Funktionäre des jungtürkischen Regimes von einem „großen Turan“ und von einem „Armenien, Kaukasus und der Türkei ohne Armenier“. Eine Politik, welche bis zum 1923 mit kurzen Unterbrechungen jedoch systematisch seitens Türkei verfolgt wurde.
     
    Während Reformen zugesagt werden, attackiert im Januar 1914 fünf Monate vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges der preußische General und türkische Feldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz (Goltz Pascha) in seiner Ansprachen  bei der  Gründungsversammlung der deutsch-türkischen Vereinigung in Berlin u.a. in Anwesenheit des türkischen Botschafters samt seinem diplomatischen Korps die Reformen und spricht sich für eine (Teil-)Umsiedlung der Armenier aus, um einer drohenden Unabhängigkeit der armenischen Gebiete entgegen zu treten. Er mag sich dabei irgendwie auf den deutschen Publizisten Paul Rohrbach gestützt haben, der schon 1913 eine Aussiedlung der Armenier als ein tüchtiges Volk im Einzugsgebiet der Bagdadbahn vorgeschlagen hatte, um die so genannte armenische Frage zu lösen. Goltz Pascha dürfte sich aber auch auf den deutschen Marineattaché,  Hans Humann, in Konstantinopel gestützt haben, der vor dem US Botschafter Henry Morgenthau seine Ãœberzeugung bekräftigte: „I also know that both Armenians and Turks cannot live together in this country. One of these races has got to go. And I don’t blame the Turks for what they are doing to the Armenians…The weaker nation must succumb“. (zu Goltz Pascha und Völkermord siehe: Carl Alexander Krethlow: „Rüstungsgeschäfte, Verschwörungen und Massaker“, in Stiftung für Sozialgeschichte, Heft 3/2006 und http://www.stiftung-sozialgeschichte.de, sowie Grigoris Balakian: „Armenian Golgotha“, New York 2009).  
     
    Trotz der „Realpolitik“ des  wilhelminischen Reiches, welche einen katastrophalen Ausgang für das armenische Volk zur Folge hatte, war es in erster Linie das osmanische Reich – eine koloniale Besatzungsmacht -  für die die (Un-)Sicherheit der Armenier auf seinem Hoheitsgebiet verantwortlich. Bei der ersten Gelegenheit wurde die Implementierung der unliebsamen Reformen seitens des Jungtürkischen Regimes ausgesetzt und die geplante Maschinerie zur Eliminierung eines ganzen Volkes in Gang gesetzt. Es darf daher nicht überraschen, wenn die Türkei heute den kläglichen Versuch unternimmt, nicht nur die USA, sondern auch die Bundesrepublik Deutschland  wieder in sein sinkendes Boot zu holen, dieses Mal als Komplize einer Lügenpolitik. Der türkische Minister für Europa-Angelegenheiten, Egemen Bagis mit einer sanften Drohung bzw. Erpressungsversuch im Spiegel-Interview:
    „Besides, you should know that the Ottoman Empire was an ally of the German Reich. Nothing that happened back then happened without consultations with the Germans.” (http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,683701,00.html).
     
    Anlass meines Schreibens an Sie ist die Antwort des Auswärtigen Amts auf die kleine Anfrage der Linksfraktion von 10. Februar 2010 hinsichtlich der Anerkennung des Völkermords an den Armeniern. Das Auswärtige Amt hat die Position der türkischen Regierung übernommen und mit einem Hinweis auf die „Ereignisse“ geantwortet: „Eine Bewertung der Ereignisse dieser Forschung sollte Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern vorbehalten bleiben“. D.h. die Türkei darf sich in Sicherheit wiegen. Wenn Deutschland selbst nicht bereit ist, den Völkermord an den Armeniern formell anzuerkennen, was soll man da noch von der Türkei erwarten?
     
    Die ablehnende Haltung der Bundesregierung kommt in einer Zeit, wo die Leugnungsmaschinerie der Türkei auf Grund der eindeutiger Beweislast für einen Völkermord – nicht zuletzt wegen intensiver Forschung – sich dazu genötigt sieht, die „illegalen Armenier“ (Gastarbeiter) – leichte beute – in der Türkei als Geisel und Faustpfand zu benutzen, um ihre Leugnungspolitik der Welt aufzuzwingen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass     Sie bedauerlicherweise in Ihrem „Interview der Woche“ am 21.03.2010 im Deutschlandradio mit keinem einzigen Wort die türkische menschenverachtende Deportationsdrohungen  verurteilt haben, obwohl die Äußerungen von ErdoÄŸan diesbezüglich in der  Frage des Journalisten eingebettet war.  Denn: Wenn ErdoÄŸan vollmundig von der „Deportation“ der „illegalen Armenier“ spricht, also ob der US Präsident verkünden würde:  „Amerika würde die Indianer deportieren…“ In diesem Fall wären auch nicht die Armenier – Nachkommen jenes Volkes, das den türkischen Völkermord überlebt haben – die „Illegalen“ in der Türkei , sondern diejenigen, die sich durch einen Völkermord für sich in der historischen Heimat der Armenier eine blutige Legimitation (Keller voller Leichen) verschafft haben! Ohne Vertreibung und Völkermord gäbe es diese Türkei nicht. Dazu der türkische Verteidigungsminister Vecdi Gönül anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten zum siebzigsten Tod von Atatürk in Brüssel:  “Would it be possible today to maintain the same national State if the existence of Greeks in the Aegean region and of Armenians in several regions of Turkey had continued as before?” (Todayszaman.com vom 15/16.11.2008)
     
    Die Antwort des A.A. gibt reichlich Grund zur Skepsis: Wie es aussieht, hat der Bundestag mit dem Armenier-Beschluss von 2005 offiziell den Weg für die Nichtanerkennung des Völkermords an den Armeniern durch die  Bundesregierung geebnet. Bedauerlichweise hat der Bundestag im Bundestagbeschluss 2005 trotz des mutigen und lobenswerten Schritts  nicht nur versäumt, den Völkermord   beim Namen zu nennen, sondern mit der  Rücksichtsnahme auf die türkische Leugnungspolitik und Befindlichkeiten  sich dem Druck aus Ankara gebeugt. Der Bundestag hat sich für die Bildung einer Historikerkommission ausgesprochen, und somit im Sinne der Türkei den Versuch unternommen, aus Fakten doch noch Dispute zu machen. Es muss wohl das Geheimnis des Deutschen Bundestags bleiben, wenn er in dem gleichen Beschluss sein Bedauern über die „unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches“ zum Ausdruck bringt. Eine „Historikerkommission“ würde kein bisschen mehr Wahrheit ans Tageslicht fördern, sondern nur die Opfer zum Komplize des Täters machen und somit der aggressiven türkischen Leugnungspolitik eine Legimitation verleihen.
     
    Die Staatsräson verträgt offenbar keine Wahrheit. 95 Jahre nach dem Beginn des Völkermords besteht das Auswärtige Amt heute nach wie vor darauf, dass die „Details“ des Massakers von 1915 immer noch fraglich seien.  Historiker sind immer an Details interessiert. Ohne Zweifel  wurde  die Dimension / der Ausmaß des Völkermords an den Armeniern und deren Leugnung auf  die weitere Entwicklung des armenischen Volkes bis zu Gegenwart noch nicht ausreichend untersucht.  Unklar ist auch u. a. das Schicksal der mehr als 200 000 Armenier, die während des Völkermords laut Dokumenten der „League of Nations“  zwangsislamisiert wurden. Die Auswirkung der Lügenpolitik der Türkei auf den regionalen Frieden und eine friedliche  Koexistenz in der Region wurden auch jetzt nicht thematisiert. Eine Diskussion über die wahre  Dimension des Völkermords an den Armeniern rechtfertigt weder eine Leugnung der Tat selbst noch eine Politik der Verschleierung („Namenslose Opfer ohne Täter“)!
     
    Während unser südlicher Nachbar – die Schweiz – türkische Völkermordleugner – vor Gericht stellt, tourt erneut der türksiche Hofhistoriker und Völkermörderleugner amerikanischer Abstammung Dr. Justin McCarthy (für die Armenier ein David Irving, der den Völkermord rechtfertigt) mit Duldung der Behörden der Bundesrepublik Deutschland in den türkischen Gemeinde und löst mit der Leugnung des Völkermords  bei unseren türkischen Mitbürgern helle Begeisterung aus („Osmanen mussten tun, was sie taten„,F.A.Z. vom 17.03.2010). Wenn man bedenkt, dass der Völkermord die höchste Form des Rassismus darstellt, ist es umso erstaunlicher, dass Dr. McCarthy für seinen Auftritt vom Rathaus Charlottenburg- Wilmersdorf  Räumlichkeiten  zur Verfügung gestellt bekommt.
     
    Währendunsere östlichen und westlichen Nachbarn – Frankreich und Polen – eindeutig vom Völkermord  sprechen, möchte die Bundesregierung noch weiter „forschen“ lassen, als ob die Bundesregierung selbst Zweifel an den Archiven des Auswärtigen Amtes und Aussagen der eigenen Diplomaten aus den Jahren des Schreckens erheben würde. Die Regierung sollte Verständnis dafür aufbringen, dass die zu Hunderttausenden deportierten Armenier keine „Dokumente“ auf ihren Todesmärchen Richtung  „Der Zor“ – die syrische Wüste -mitnehmen konnten. „Einige von ihnen“, so schreibt Bischof Grigoris Balakian in 1922 in seinen Memoiren  (Ein überlebender Zeuge des Völkermords, getarnt als deutscher Soldat und Ingenieur „Hr. Bernstein),  „warendurch das Antreiben in einem Zustand in dem sie eher wie Gerippe aussahen, eingehüllt in Fetzen, mit Haut die ledern geworden war, verbrannt von der Sonne und gezeichnet von der Kälte und dem Wind. Viele schwangere Frauen, die schwach geworden waren, ließen Ihre Neugeborenen am Straßenrand liegen, als ein Protest gegen die Menschheit und Gott… wenn die Ozeane Tinte wären und die Felder dieser Welt Papier, würde das alles nicht ausreichen, um das Elend und den Horror zu beschreiben. „
     
    Auch unser nördlicher Nachbar – Schweden, eine neutrale Macht während des ersten Weltkriegs  –  trotz hervorragender  Beziehungen zu Türkei Bezug nehmend auf seine eigenen Archive zweifellos ein Völkermord an den Armeniern  im Sinne der UN Konvention von 1948 feststellt. Warum muss die Bundesrepublik Deutschland eine gesonderte Stellung einnehmen?
     
    Ich erlaube mir,  für unsere Politiker aus der schwedischen Völkermord-Resolution zu  zitieren (freie Übersetzung):
     
    „UN-Völkermordkonvention von 1948: Der polnischstämmige Jurist jüdischer Abstammung, Raphael Lemkin, der den Begriff „Genozid“ formuliert hat, war der Vater der UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung von Genozid. Er war sich über Genozide und das Versagen der Weltgemeinschaft zu intervenieren bewusst. Seine  revidierte Version der Definition wurde in die UN-Konvention aufgenommen…
    Weiterhin ist festgehalten, dass die heutige UN Konvention von 1948 keine neue Gesetzgebung darstellet, sondern lediglich eine Ratifizierung bzw. Bestätigung von bestehenden Gesetzen  über „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, wie sie im Vertrag von Sèvres spezifiziert wurden (Artikel 230 (1920)). Noch wichtiger ist es die Tatsache, dass die UN-Konvention über die Nichtanwendbarkeit  der Verjährungsfrist in Bezug auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, angenommen am 26 November 1968, in Kraft seit 11. November 1970, in Bezug auf die rückwirkende Anwendung  bestätigt. Gerade aus diesem Grund sind die Massaker im osmanischen Reich und der Holocaust Fälle von Genozid im Sinne der UN- Konvention, trotz der Tatsache, dass beide vor der Etablierung/Einführung von UN Konvention geschahen.
     
    Während der Geschichte der UN wurden zwei umfangreiche Studien über den Tatbestand von Genoziden durchgeführt.  Die erste Studie war der so genannte  „Ruhashyankiko-Bericht“ aus dem Jahr 1978 und der zweite war der „Whitaker-Bericht“, durchgeführt von Bejamin Whitaker in 1985 (Economic and Social Council Commission on Human Rights, Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Thirty-eight session, Item 4 of the provissional agenda, E/CN, 4/Sub.2/1985/6). Der Genozid von 1915 ist in mehreren Stellen als ein Beispiel von begangenen Genozides während des 20. Jahrhunderts erwähnt. Der Bericht wurde in UN-Unterausschuss für Menschenrechte mit 14 Stimmen und 1 Gegenstimme bei 4 Enthaltungen im August 1985 angenommen.“
     
    Bekanntlich ist die Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien eine Angelegenheit beider Völker. Dies kann jedoch schwerlich vonstatten gehen, wenn die Türkei von Drittländern in ihrer Amnesie unterstützt wird. Das Alltagsleben kennt die Institution der unterlassenen Hilfeleistung. Dies sollte auch in der internationalen Politik gelten.
     
    Auch darf es nicht überraschen, wenn dutzende türkische Intellektuelle von den kemalistischen Eliten als „Verräter“ gebrandmarkt werden, wenn sie von einem Völkermord  sprechen.  Auch die neuen, als islamisch eingestuften Eliten sind trotz vieler mutiger Schritte zur Lösung offener Fragen ausgerechnet in der armenischen Frage mit den Kemalisten einig.
     
    Die Welt lernte über den Holocaust dank der Nürnberger-Prozesse sowie Berichte von tausenden Ãœberlebenden des Holocausts. Dem Jungtürkischen Regime wurde auch ein entsprechender Prozess gemacht. Talaat, Enver und Cemal Pascha – drei Hauptverantwortliche für den Völkermord – wurden  wegen der Verwicklung des Osmanischen Reiches in den Krieg und für die Vernichtung der Armenier in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Talaat „versteckte“ sich in Berlin. Während die Bundesregierung erneut ihre Unterstützung für die türkische Initiative für eine Historikerkommission (ob es ein Völkermord gab?), bekräftigt, haben die türkischen Politiker jeglicher Couleur gerade im Hinblick auf die Lügenpolitik  einen Wettlauf gestartet, wer ein noch würdigerer Nachfolger  für Talaat Pascha sein kann. Ministerpräsident ErdoÄŸan:
    „In 1915 und davor war  es  die armenische Seite welche eine Politik  mit der Absicht unsere Leute auszulöschen verfolgte, welche zu Hunger, Elend und Tod führte“ aus der RedeErdoğans in Canakkale am 17.03.2010, Radioliberty. Deswegen steht ein „Türkisches Völkermordmuseum“  in der Ost-Türkei auf den  historischen Siedlungsgebieten der Armenier (Ein entsprechendes   „Völkermordmuseum“ lässt auch das Aliyev Regime nördlich von Baku bauen, während für das Regime die Republik Armenien als „West Aserbaidschan“ gilt).  Am nächsten Tag verkündet Erdoğan, wie ein Hassprediger, laut Hürriyet  in seiner parlamentarischen Fraktion in Hinblick auf die armenischen Bemühungen für die Anerkennung des Völkermords: „Sie werden dafür bezahlen.“
      
    Die Gegenwart wird von der Vergangenheit überholt und somit herrschen die Geister der zu tausenden aus ihrer Heimat deportierten und ermordeten Armenier  über „Anatolien“. Es gibt reichlich staatlich verordnetes „Türkentum“, sonst fehlt es an alles, an Vernunft, an Logik  und an einem bisschen Menschlichkeit, sowie das Recht auf Wahrheit. Ministerpräsident Erdoğan behauptet „Armenier wollten die Türken ausrotten“ und sein Minister für die Europa- Angelegenheiten, Bagis, behauptet  „Es gab einen Bürgerkrieg mitten im Krieg“. Wie lange will Europa bei diesem kranken Treiben tatenlos zuschauen?
     
    Da wir davon ausgehen sollten, dass die Türkei leider in absehbarer Zeit, trotz der vielen Anstrengungen der jetzigen Regierung, weder einen türkischen Willy Brandt noch einen anatolischen Gorbatschow hervorbringen wird, sollten wenigstens die weitsichtigeren Länder diesem Land Beistand bei der Bewältigung seines Gedächtnisschwundes leisten.
     
    Versagen Sie bitte in diesem Sinne nicht Ihre Unterstützung

  6. @ Herr Schmid,

    Sie machen sich wirklich Mühe, Ihre Texte mit Fussnoten zu belegen (auch wenn Sie hier bei der Nummerierung ein kleines Problem haben ;-).
    Ihre Texte sind immer gut zu lesen und Sie geben sich offensichtlich Mühe, Ihre persönlichen Überzeugungen nicht als Tatsachen einfliessen zu lassen.
    Hierfür meinen Respekt.    

    Ihr Text  hinterlässt mich zum Einen mit dem Gefühl, dass wir beiden einige Ansichten zum Thema teilen. Zum Anderen bleiben für mich ein paar Fragen offen, die ich im Folgenden zu formulieren versuche.

    1)  Was ist Wahrheit?
    – nur wissenschaftlich replizierbare Wahrheit („Die Erde ist eine Kugel (eher kartoffelförmig).“),
    – oder auch Wahrheiten, die auf wissenschaftlichen Annahmen und Thesen beruhen und gesellschaftlich in Mehrheit bis Allgemeinheit anerkannt werden („Die Erde dreht sich um die Sonne.“; Evolutionstheorie),
    – historische, gesellschaftlich bewertete Wahrheiten, die sich nicht wirklich aus heutiger Sicht für die gesammte menschheitsgeschichte und alle Ewigkeit beweisen lassen („Der Holocaust ist der größte Völkermord und einzigartig.“),
    – religiöse „Wahrheiten“ („Landzuschreibung“, „Jungferngeburt“, „Wein zu Wasser“)?

    2)  Ist „Dummheit“ strafenswert?
    Widerspruch gegen „Wahrheiten“ kann mensch nur in „Dummheit“ und „Böswilligkeit“ unterscheiden. Da mensch aber nicht in der Lage ist, in die jeweiligen Köpfe zu schauen („Die Gedanken sind frei!“) muss hier „im Zweifel für den „Angeklagten““ auf „Dummheit plädiert werden.
    Doch – jetzt mal im Zusammenhang mit „1)“ –
    .. wer will jemanden bestrafen, nur weil dieser behauptet, die Erde sei eine Scheibe!
    .. wer will jemanden bestrafen, nur weil dieser behauptet, die Sonne dreht sich um die Erde!
    .. wer will jemanden bestrafen, nur weil dieser Behauptungen aufstellt, über die jeder zivilisierter, geistig nicht unterbelichteter und auf der Höhe unserer Zeit gebildeter Mensch nur den Kopf schütteln kann
    .. wer will jemanden bestrafen, nur weil er besonders religiös ist – und damit schon mal unter den vorangegangen Punkt fällt?
    (Anmerkung: Es ist nicht so lange her, dass Menschen, die dem damaligen Wissenschafts-/ Kenntnisstand voraus waren, ihren Erkenntnisses abschwören mussten, um nicht verbrannt zu werden!)

    3) „Wahrheiten“ zum Thema
    a. ich bin überzeugt, dass „Deutschland“ im „Holocaust“den Tod von ca. 6 Mill. Juden verschuldet hat.
    b. ich bin überzeugt, dass Strafandrohung für keinen Punkt unter „1“ in irgend einer Weise nützlich oder produktiv sein kann.
    c. ich bin überzeugt, dass sich jeder Idiot ohne Strafe egal gegen welche Wahrheit stellen darf. Denn wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, argumentativ die Mehrheit ihrer Gesellschaft zu überzeugen, dann hilft ein juristisches „Denkverbot“ auch  nicht mehr.

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