Gemeinsam mit FPÖ und Vlaams Belang

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Der Front National pflegt neue internationale Kontakte. Auf innerparteilicher Ebene droht allzu starken Nazigeruch ausströmenden Elementen unterdessen die „Säuberung“…

Von Bernard Schmid, Paris

Keine Lust mehr auf Folklore: Dies erklärte, sinngemäß, die französische rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, den 08. Juni im Europaparlament an der Seite des Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Als „Folklore“ wird in den Kreisen der extremen Rechten die Verwendung von offenen Nazisymbolen und anderen „belasteten“ Zeichen, Kleidungsstücken oder -stilen bezeichnet.

„Ich möchte sämtlichen Bewegungen, die nicht auf demselben grundsätzlichen Kurs wie wir (fahren) oder die nicht den genügend Ernst aufweisen, um mit uns zusammen zu überlegen, den Rücken kehren. Ich möchte mit glaubwürdigen und führenden Parteien zusammenarbeiten.“ Dies erklärte die seit Januar dieses Jahres amtierende Chefin des Front National (FN) anlässlich der o.g. Pressekonferenz. An ihrer Seite saß dabei FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Und doch kam es, bei allem Abschwören gegenüber Nazi„folklore“, auch gleich wieder zum Eklat. Neugierige Journalisten wollten nämlich von Herrn Strache wissen, was er von der Tatsache halte, dass die FPÖ-Stadträte in der niederösterreichischen Stadt Amstetten sich am 24. Mai 2011 bei einer – ansonsten einstimmig ausgefallenen – Abstimmung demonstrativ ihrer Stimmen enthielten. Die FPÖ zählt fünf Stadträte dort, von denen zwei bei der fraglichen Sitzung anwesend waren. Gegenstand des Votums war das Anliegen, mit einiger historischer Verspätung Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde der Stadt wieder zu entziehen. Formell beriefen die Mandatsträger der FPÖ sich dabei darauf, rechtlich sei eine Ehrenbürgerschaft ohnehin „mit dem Tod der betreffenden Person erloschen“. FPÖ-Stadträtin Brigitte Kashofer gab ihrem Stimmverhalten dabei noch eine weitere ideologische Komponente: Es sei „nicht notwendig, immer über die Vergangenheit zu reden, schließlich habe sich das der anständige Amstettner Bürger nicht verdient.“ Als sich herausstellte, dass eine Enthaltung laut Geschäftsordnung nicht möglich sei, hatte sie sogar mit Nein gestimmt. (Dagegen stimmten am 30. Mai in Waidhofen an der Ybbs alle im Kommunalparlament vertretenen Parteien, die FPÖ dieses Mal eingeschlossen, einem entsprechenden Antrag zu.)

Die journalistische Nachfrage sei eine „Provokation“, tobte Strache in Strasbourg deswegen. Marine Le Pen pflichtete ihm bei, es sei „kurios“, dass sofort die Sprache auf Hitler komme. Als Journalisten auf ihre Vorwürfe bezüglich angeblicher Manipulation durch die anwesende Presse um einen sachlicheren Tonfall baten, wurde die FN-Chefin nahezu ausfällig. Man verbitte es sich, dass einem „moralische Lehren“ erteilt würden, und die Journalisten müssten sich schon gefallen lassen, „dass wir antworten, wie es uns passt“.

Auf der Suche nach den Unfolkloristischen

Unter die Rubrik „folkloristisch“ fällt dabei in Zukunft wohl eine Partei wie die „Swoboda (Freiheit) – Allukrainische Union“ aus der Ukraine unter dem Vorsitz von Oleh Tjahnybok. Eine Abordnung dieser Vereinigung, die bis im Februar 2004 noch auf den Namen „Sozial-nationale Partei der Ukraine“ hörte, war am 23. November 2009 in Nanterre am Parteisitz des französischen FN empfangen worden. Die stark naziähnliche, antisemitische, aber auch antirussische und national-isolationistische Partei hat jedoch bei den Parlamentswahlen in der Ukraine von 2007 nur 0,76 % der Stimmen im landesweiten Durchschnitt erhalten. (Allerdings erreicht sie auf lokaler Ebene höhere Einzelergebnisse, besonders ihre 35 % im westukrainischen Gebiet Ternopil, bei den Regionalwahlen vom 15. März 2009.) Ihr Chef Oleh Tjahnybok erhielt als Kandidat zu den Präsidentschaftswahlen 2010, im ersten Wahlgang vom 17. Januar, 1,43 % der Stimmen.

Unter ihrem früheren Vizepräsidenten mit Zuständigkeit für internationale Beziehungen, Bruno Gollnisch, der im Januar dieses Jahres als Kandidat für den Chefposten der Partei gegen Marine Le Pen unterlag, wurden solche Kontakte gepflegt. Doch die neue Chefin interessieren Verbindungen zu solcherart „belasteten“, und mickrigen, Parteien nicht sonderlich. Eher sogar überhaupt nicht.

Marine Le Pen sucht den Kontakt zu jenen Rechtsaußenparteien, die hohe Stimmenanteile bei den Wähler/inne/n erzielen können. So traf sie am 24. Mai dieses Jahres mit dem Führungspersonal des belgisch-flämischen Vlaams Belang (VB) zusammen. Bereits am 14. März hatte Marine Le Pen zusammen mit einem italienischen Europaparlaments-Abgeordneten der Lega Nord, Mario Borghezio, die Insel Lampedusa – Durchgangsstation für Migranten aus Nordafrika – besucht.

Hingegen verweigerte ihr die Schweizerische Volkspartei (SVP) bislang den offiziellen Kontakt, obwohl Marine Le Pen ihn suchte und ein Treffen arrangieren wollte. Die SVP ist in europäischen rechtsextremen Kreisen beliebt und gilt sogar als Erfolgsmodell, seitdem sie bei den – von ihr initiierten – Volksabstimmungen vom 29. November 2009 (Referendum zum Verbot von Minaretten) und am 28. 11. 2010 zur automatischen „Ausschaffung krimineller Ausländer“ jeweils Mehrheiten organisieren konnte. Von ihrer Geschichte her ist die SVP eher eine rechtsbürgerliche Partei, historisch entstanden aus einem Milieu von Bauern und Kleingewerbetreibenden, doch hat sie sich in den letzten 20 Jahren von ihren Methoden her modernisiert und verfügt über bedeutende rechtsextreme Ränder. Aber sowohl die helvetische SVP als auch der Niederländer Geert Wilders und seine Pseudo-„Partei für die Freiheit“ (PVV) verweigern bislang dem FN und anderen Parteien, die im Geruch offenen Antisemitismus stehen, den Kontakt: In ihren Augen sind solche Kräfte „nicht zuverlässig“ im Sinne einer strammen „westlichen“ Außenpolitik gegen den „Hauptfeind Islam“. Allerdings nähern sich auch der belgisch-flämische VB und (zögernd & widerstrebend) sogar die mit starkem NS-Stallgeruch ausgestattete österreichische FPÖ einer Linie, die im letztgenannten Sinne ausgerichtet ist, an. Beide Parteien nahmen, zusammen mit „Pro Deutschland“ und den „Schwedendemokraten“, in der ersten Dezemberwoche 2010 an einer Reise europäischer rechtsextremer Parteien nach Israel teil. Jedoch setzte zumindest die FPÖ dabei widersprüchliche Signale. So besuchte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Gedenkstätte für die ermordeten europäischen Juden, Yad Vashem, und setzte dabei vorschriftsmäßig eine Kopfbedeckung aufs Haupt. Statt einer Kippa, wie die jüdische Religion es vorsieht, trug er dabei jedoch ein österreichisches Burschenschafterkäppi. Und im Anschluss erklärte FPÖ-Europaparlamentarier Andreas Mölzer in der zum Jahreswechsel 2010/11 erschienenen Ausgabe der deutschen Nazi-Zeitschrift „Zuerst“, man sei zwar nach Israel gereist, aber keineswegs im Geiste eines „Canossa-Gangs“. Sollte bedeuten: Ohne jede Reue über die NS-Verbrechen an den Tag zu legen.

Drohende „Säuberung“

Unterdessen drohen zu stark nazibelasteten Elementen innerhalb des FN Disziplinarverfahren und eventuell sogar Ausschlüsse aus der Partei. Am Donnerstag, den 16. Juni 11 ist der extreme Antisemit Yvan Benedetti, bis im August 2010 noch offiziell Führungskader der unverhüllt faschistischen Splittergruppe L’Oeuvre française und danach innerparteilicher „Wahlkampfkoordinator“ von Chefsessel-Anwärter Bruno Gollnisch, deshalb vor eine innerparteiliche Schiedskommission geladen. Er hatte zuvor einer durch Schüler/innen einer Journalistenschule in Lille geleiteten Webseite wörtlich erklärt, er sei „Antizionist, Antisemit, Anti-Jude“. Der Kader, Jahrgang 1965, spricht seinerseits bereits von einer „drohenden Säuberungswelle, um Bruno Gollnisch zu isolieren und an den Rand zu drängen“. Bereits im April d.J. waren 13 Aktivisten aus der Parteiregion Rhône-Alpes, der Hochburg von Gollnisch, u.a. wegen auf Facebook sichtbaren Fotos mit Hitlergruß ausgeschlossen worden.

Thierry Maillard, Ex-Führungskader von L’Oeuvre française und örtlich einflussreicher FN-Politiker in Reims, ist seinerseits am 16. Juni wegen drohenden Verhaltens gegenüber Journalisten vor die Schiedskommission vorgeladen. Ihm wird ferner vorgeworfen, Bildmaterial mit dem Keltenkreuz sowie einem blonden Jüngling, dessen Abbildung von einem Plakat der Hitlerjugend von 1939 abgekupfert worden war, zu verwenden. Und dem „Nationalbolschewisten“ Christian Bouchet wurde die Verantwortung für den FN-Kreisverband in Nantes, entzogen; er wurde nicht ausgeschlossen (Bouchet unterstützte bislang innerparteilich Marine Le Pen), jedoch vom Bezirkssekretär zum einfachen Mitglied herabgestuft. Ausführliche Informationen dazu werden in naher Zukunft folgen…