Mangelhaftes Völkerrecht

0
41

Die Versuche „friedlicher Demonstranten“, nur mit Steinen und Stöcken bewaffnet, die Grenzen Israels vom Libanon, Syrien und dem Gazastreifen aus zu stürmen, stellen Israel vor ein vom Völkerrecht nicht gedecktes Dilemma…

Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 16. Mai 2011

Die demonstrierenden palästinensischen Flüchtlinge kamen aus Feindesländern und forderten, „in die Heimat zurückzukehren“, in das Kernland Israels. Israels Regierung bezeichnete diesen Sturm auf seine Grenzen als Verletzung der Souveränität. Libanon, Syrien und die Hamas kritisierten Israel, auf „unbewaffnete Zivilisten“ geschossen zu haben. Im Gazastreifen gab es über 60 Verletzte. Unter den Demonstranten aus Libanon und Syrien mindestens 16 Tote. Die Ereignisse am sogenannten „Tag der Katastrophe“, Nakba, zum Gedenken an die 800.000 palästinensischen Flüchtlinge infolge der Gründung Israels 1948 gelten als Generalprobe für den kommenden September, wenn die Palästinenser von der UNO die Anerkennung ihres Staates „in den Grenzen von 1967“ fordern wollen.

Eine gewaltsame Grenzverletzung mit Soldaten gilt laut UNO-Charta als Krieg und erlaubt dem angegriffenen Staat, militärisch zu reagieren. Die feindlichen Soldaten dürfen in dem Fall getötet werden. Was aber, wenn sich Zivilisten organisieren, oder wenn eine Regierung Demonstrationen initiiert und zum Sturm auf die Grenze des Nachbarlandes vorschickt? Über tausend Busse karrten im Libanon Demonstranten zur Grenze. In Syrien ist undenkbar, dass Tausende Menschen ohne Wissen und Duldung des Regimes zur scharf bewachten Grenze fahren können. Die syrischen Grenzposten und die UNO-Beobachter hätten diese Demonstranten stoppen müssen. Im Gazastreifen hatte die Hamas Frauen und Kinder vorgeschickt, um den Grenzübergang Erez zu stürmen. Hätten die Israelis auf die Verletzung ihrer Grenze mit militärischen Mitteln geantwortet, wäre es zu einem Massaker gekommen. Die Araber hätten in jedem Fall einen PR-Sieg erlangt, mit dem Argument, dass die Israelis „unbewaffnete Zivilisten, Frauen und Kinder umbringen“. Gerade in Syrien, wo die Armee brutal gegen die eigenen Bürger in Daraa, Banias und in Damaskus vorgeht, zählen Menschenleben ohnehin nicht.

Ein „Angriff“ Tausender Zivilisten auf ein Nachbarland, ein Sturm auf die Grenze, den eigenen Tod in Kauf nehmend, ist vom Völkerrecht nicht abgedeckt. Für die Palästinenser ist das eine geschickte neue Taktik im Kampf gegen Israel. Gleichgültig wie Israel darauf reagiert, mit Minen entlang des Grenzzaunes, scharfen Schüssen, oder gar, indem es Millionen Flüchtlingen unkontrollierten Einlass gewährt, würden die Palästinenser punkten und die Israelis in jedem Fall verlieren.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com